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review 2014-06-24 14:46
"Belle Epoque" von Elizabeth Ross
Belle Epoque - Elizabeth Ross

Inhalt: Als Maude Pichon aus der ländlichen Bretagne vor einer arrangierten Hochzeit nach Paris flüchtet, vergehen ihre romantischen Träume vom Großstadtleben genauso bald wie ihre Ersparnisse. Verzweifelt folgt sie einer ungewöhnlichen Annonce: Die Agentur Durandeau bietet als einzige in Paris ihren reichen Kunden einen einmaligen Service: Mieten Sie ein hässliches Mädchen und wirken Sie in seiner Gesellschaft selbst gleich viel attraktiver und interessanter! Maude wird der Tochter der Gräfin Dubern zugeteilt und bald entspinnt sich zwischen den Mädchen eine enge Freundschaft. Doch Isabelle weiß nicht, dass Maude von ihrer Mutter bezahlt wird und mit jedem Tag, den Maude die Lüge aufrecht erhält, hat sie mehr zu verlieren... 

 

"Belle Epoque" ist eines von diesen Büchern, von denen ich mir zuerst überhaupt nichts erwartet hatte. Ich hatte mir kurzweilige Unterhaltung erhofft und vielleicht ein paar bunte Details aus der Belle Epoque, nach der der Roman ja nun auch benannt ist, aber keineswegs das, als das sich der Roman am Ende herausstellte. Im Nachwort erwähnt die Autorin, dass der Roman auf einer Kurzgeschichte von Emile Zola basiert und das merkt man dem Roman auch an. Die repoussoirs (dt. Kontrast), wie die Frauen, die für Durandeau arbeiten genannt werden, verdienen ihr Geld wortwörtlich damit, durchschnittlich oder gar hässlich auszusehen, um die Reichen und Schönen der Pariser Gesellschaft im Kontrast noch reicher und schöner wirken zu lassen. 

Eine Idee, mit der bereits Zola gespielt hat und die das späte neunzehnte Jahrhundert in Frankreich, die belle époque, wunderbar einfängt. In einer Gesellschaft, die ganz übersteigert wert auf Ästhetik und Glanz legt, ist Schönheit natürlich ein großes Kapital. Eines, das die Heldin und Ich-Erzählerin Maude nicht besitzt. Hier möchte ich gleich darauf hinweisen, dass sie keine von diesen Heldinnen ist, die bloß glaubt, sie wäre nicht schön, während alle Figuren um sie herum sie anbeten und versuchen, ihr klar zu machen, wie gut sie eigentlich aussieht (ein Klischee, das ich in unzähligen Jugendbüchern der letzten Zeit immer wieder furchtbar finde). Maude ist wirklich höchstens durchschnittlich, wirklich ein ganz normales Mädchen, das versucht ihrem Schicksal zu entkommen und sein Glück in Paris zu machen. Das fand ich sehr schön, weil die Botschaft des Romans am Ende ganz deutlich aussagt, dass es eben eigentlich doch nicht darauf ankommt, wie man aussieht, sondern was man kann und wer man ist. 

 

Maude gerät über die Agentur an Isabelle Dubern, die wunderschöne Tochter einer Gräfin, von der erwartet wird, eine richtige junge Dame zu sein und bald reich zu heiraten. Aber Isabelle fotografiert in ihrer Freizeit lieber und lernt viel, um an der Universität zugelassen zu werden - für Mädchen in dieser Zeit eigentlich undenkbar. Ich mochte den Kontrast zwischen Isabelle und Maude sehr. Isabelle hat alles, was Maude gern hätte: Sie ist schön, reich und wird bewundert. Aber gleichzeitig muss Maude einsehen, dass Isabelle genauso in dieser Gesellschaft gefangen ist, wie sie selbst und trotz bester Voraussetzungen nicht tun kann, was sie wirklich möchte. Die Freundschaft zwischen den jungen Frauen ist wirklich wunderschön aufgebaut und nachvollziehbar, sie wirkt sehr echt, besonders, als das Band zwischen Isabelle und Maude zu zerreißen droht. 

Was mir auch sehr gut gefallen hat war wie Elizabeth Ross den Kontrast zwischen den armen Parisern und den reichen Parisern einfängt. Immer, wenn Maude in der Agentur ihr schönes Kleid anzieht und zu den Duberns gefahren wird, wechselt sie von einer Welt in die andere und bald ist sie wie geblendet von der Schönheit und dem Reichturm der Welt, aus der die Gräfin Dubern und ihre Tochter stammen. Um Maude als Isabelles repoussoir einzustellen, wird behauptet Maude sei eine entfernte Verwandte und so wird sie von der hohen Gesellschaft bald als Adelige akzeptiert - das Spiel geht so weit, dass Maude zu hoffen beginnt, an Isabelles Stelle einen Adeligen zu heiraten und doch noch ihr glanzvolles Leben leben zu können und man hofft als Leser wirklich manchmal, dass Maude in dieser Welt bleiben darf, hat aber gleichzeitig im Kopf, dass Ständegrenzen damals auf keinen Fall so leicht zu umgehen waren. 

Was dann folgt, ist ein bisschen klischeehaft, aber das ist gar nicht schlimm, denn die Geschichte ist in einem so malerischen, detailreichen Stil geschrieben und so spannend erzählt, dass man das dankend hinnimmt. Maude verscherzt es sich mit ihren alten Freunden bei den repoussoirs, besonders mit Josephe, die übrigens eine wirklich tolle, facettenreiche Figur ist und im Roman leider viel zu wenig vorkommt, und verliert sich im Traum zur hohen Gesellschaft zu gehören, bis es zur Katastrophe kommt (was passiert wird hier natürlich nicht verraten). Maude muss plötzlich entscheiden, was ihr am Wichtigsten ist auf der Welt und was sie tun soll. "Belle Epoque" ist ein ruhiger Roman, ohne große Actionszenen oder viel Effekthascherei, doch die Spannung spitzt sich auch ohne solches Beiwerk bis ins Unermessliche zu, während Maude sich in der glitzernden Welt der Reichen verliert und Isabelle versucht, ihren Traum durchzusetzen. 

 

Eine große Liebesgeschichte gibt es hier nicht. Der junge Musikant Paul, mit dem Maude anbändelt kommt sogar bloß sehr wenig vor. Und zum ersten Mal muss ich sagen, dass ich es schade finde, dass das Love Interest so wenig Spielraum einnimmt, denn Paul ist auch eine sehr sympathische, süße Figur und die kleine Romanze sehr niedlich und vor allem sehr realistisch. Hier gibt es keine leidenschaftlichen Bekundungen gleich beim ersten Treffen und vor allem wird einem nicht erzählt, die erste Liebe dieses fünfzehnjährigen Mädchens sei gleich ihre große unsterbliche Liebe. Maude und Paul versuchen schon zusammenzubleiben und haben sich merklich gern, aber es ist eine für zwei Jugendliche sehr nachvollziehbare, realistisch beschriebene Romanze ohne viel Herzschmerz, Kitsch und Spielraum, die vielleicht gerade deshalb so schön zu lesen war. 

Was ich an diesem Jugendroman wirklich sehr schätze, ist der Umgang mit dem Thema Schönheit und Schönsein, der nicht nur perfekt in die belle époque passt, sondern auch heute noch einen großen Bezug zum Leben vieler Jugendlicher hat. Das sieht man schon daran, dass in anderen Jugendbüchern Held und Heldin meist beide wunderschön sind. Maude ist nicht schön, sie wird nicht schön und sie ist sich darüber im Klaren. Und durch Maude - und auch Isabelle, der ihre Schönheit überhaupt nichts bringt in Hinblick auf ihren großen Traum - zeigt der Roman, dass es gar nicht so wichtig ist, ob man konventionell betrachtet schön aussieht oder eben nicht. Wichtig ist, wie man sein Leben lebt, seine Entscheidungen trifft, mit anderen Menschen umgeht und allen voran, dass man nicht aufgibt. Und das mag jetzt ein bisschen kitschig klingen, ist aber eine ganz tolle Botschaft für einen Jugendroman und eine, die man leider in viel zu wenig Jugendromanen findet. 

 

Ich würde "Belle Epoque" wirklich unglaublich gern die volle Anzahl an Sternen geben, doch leider muss ich einen halben abziehen, da mir das Ende nicht so gut gefallen hat. Es ist leider ein ziemliches Zuckergussende wie im Märchen und ich hätte mir gewünscht, dass Elizabeth Ross das Ende ein wenig bittersüßer gestaltet hätte. Mehr mag ich dazu gar nicht sagen, um niemandem den Lesespaß zu verderben, aber den letzten zwanzig Seiten des Romans fehlt ein bisschen die Realität der richtigen belle époque, die Elizabeth Ross im restlichen Roman so toll und authentisch eingefangen und gezeigt hat. Maudes Figurenentwicklung, deren Abschluss auf diesen Seiten gezeigt wird, ist aber wirklich wunderbar und nachvollziehbar beschrieben, weshalb das Ende dann doch irgendwie in Ordnung war. Deshalb gibt es von mir vier Sterne und einen halben und trotz dieses kleinen Mankos ist "Belle Epoque" ein absoluter Lieblingsroman von mir geworden. 

 

Empfohlen für: Leser von ruhigen historischen Romanen voller Atmosphäre und toller facettenreicher Figuren, die auf eine fulminante Liebesgeschichte verzichten können. Ein Pluspunkt sind die authentischen Darstellungen und Informationen zu historischen Fakten, wie zum Beispiel der Fotografie in der belle époque und der Gesellschaft in Paris. Ich möchte den Roman eigentlich allen Lesern empfehlen, die sich an keinem der von mir erwähnten Bestandteile des Romans stören würden. Es ist ein wunderschönes Buch, das leider besonders in Deutschland mangels einer Übersetzung viel zu wenig bekannt ist. 

 

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