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review 2016-03-23 10:10
Kannibalistische Motorradgangs, Piraten und tanzende Zombies am Ende der Welt
Don't Eat the Glowing Bananas - David D. Hammons

Habt ihr schon gehört, dass Netgalley nach Deutschland kommt? Ja, es gibt nun eine deutsche Version, über die deutsche Buchtitel angefragt werden können. Mich freut das sehr, denn das Prinzip ist großartig. Wo sonst können Rezensent_innen so unkompliziert mit Verlagen und Autor_innen in Kontakt treten, um genau die Bücher zu lesen und zu besprechen, die sie interessieren? Ich habe mit dem amerikanischen Original bisher ausschließlich positive Erfahrungen gesammelt und kann euch nur empfehlen, die deutsche Variante auszuprobieren. Ohne Netgalley wäre mir „Don’t Eat the Glowing Bananas“ von David D. Hammons vermutlich niemals begegnet. Das verführerisch schlichte Cover und der verrückte Titel zogen mich magisch an. Der Klappentext versprach eine ebenso verrückte Geschichte, der ich nicht widerstehen konnte. Ich bewarb mich und wurde akzeptiert.

 

Die Welt verabschiedete sich mit einem Knall. Was der nukleare Fallout nicht auslöschte, veränderte und verdrehte er. Aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass man in den Überresten der Erde nicht ein wenig Genuss finden kann. Henry Rosetta, der sich stets als Hank Rose vorstellt, ist ein Foodie der Postapokalypse. Zwischen zerstörten Highways und Städten probiert er, was immer seinem anspruchsvollen Gaumen angeboten wird und verteidigt eine Mahlzeit notfalls auch gegen nomadische Kannibalen. Radioaktive Speisen sind seine Leidenschaft, doch was Hank tatsächlich antreibt, ist die Frage, warum die Bomben fielen. Angeblich wartet die Antwort in New Dallas, eine Stadt, die von einem Tyrannen regiert wird. Seite an Seite mit dem grünhäutigen, tentakelarmigen Mutanten Lewis und der rachedurstigen Attentäterin Zoe kämpft sich Hank durch Scharen von Fast-Food-Soldaten, Piraten und tanzenden Zombies um endgültig herauszufinden, wieso die Welt ausradiert wurde.

 

Ich schätze, ich sah beim Lesen von „Don’t Eat the Glowing Bananas“ ziemlich dämlich aus, weil mir ständig der Mund offenstand. Dieses Buch ist so witzig, abgedreht und bizarr, dass ich teilweise fast nicht glauben konnte, was ich da las. Die Ideen der Geschichte sind dermaßen absurd, dass ich sie nicht mal hätte träumen können. Stellt euch eine zerstörte Welt vor, voller von der Wucht des nuklearen Einschlags verformten Trümmern und Wrackteilen. Denkt an Staub und flirrende Hitze, an eine unbarmherzige Sonne und eine ausgestorbene Landschaft. Habt ihr das Bild? Gut, dann bevölkert es nun mit kannibalistischen Motorradgangs, die neben ihrer eigenen Art auch problemlos Stahl und Holz verspeisen, Menschen, die gerade so noch sprechen können und versuchen, Suppe mit einem Schraubenzieher zu löffeln, einer Armee, die während eines Angriffs „Möchten Sie Pommes dazu?“ brüllt und einem freundlichen Mutanten, dessen Blut zwar ätzend ist, der sich aber nichts mehr als Freunde wünscht. Das Ergebnis eurer Fantasie kommt vermutlich nicht ganz an „Don’t Eat the Glowing Bananas“ ran, doch es sollte euch einen Eindruck davon vermitteln, welch ein wunderbar charmantes Chaos das Buch zu bieten hat. Ich habe mich scheckig gelacht. Diese Reise durch eine Welt der Ruinen ist erfrischend, überraschend und völlig unglaublich. Ich durfte darüber schmunzeln, wie Menschen auf ihre grundlegendsten Triebe und den unbedingten Willen zum Überleben reduziert wurden. Der Protagonist Hank setzt die eher begrenzte Intelligenz seiner Artgenossen in das richtige Verhältnis, da er sich Eloquenz und Kultiviertheit bewahrte. Er begegnet der Verrücktheit seiner Umgebung mit einer kühlen, amüsierten Distanz, die es mir erleichterte, die Absurdität der Szenen überhaupt erst richtig zu erfassen. Ich wusste nie, was hinter der nächsten Biegung auf mich und die Figuren warten würde, denn David D. Hammons bietet so gut wie keine Erklärungen an, sodass es mir unmöglich war, vorauszuahnen, was als nächstes passieren würde, fühlte mich aber nie unsicher oder verwirrt. Ich ließ den Wahnwitz der Geschichte auf mich einstürzen und hatte köstlichen Spaß daran, Hammons Postapokalypse auf eigene Faust zu entdecken. Ich sprang kopfüber hinein in die Action, ritt auf den rasanten Wellen der sich schnell entwickelnden Handlung und dank Hanks Suche nach Antworten erschloss sich mir seine Welt dabei beiläufig und unkompliziert. Trotzdem musste ich natürlich vieles einfach hinnehmen ohne zu hinterfragen, wie zum Beispiel mein absolutes Highlight des Buches: die tanzenden Zombies. Wer denkt sich sowas aus?
Ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich euch eröffne, dass Hank die Antwort auf die Frage, warum die Bomben fielen, tatsächlich findet. Diese Antwort ist ganz und gar unbefriedigend, dafür aber auch ganz und gar menschlich. Ich kann mir absolut vorstellen, dass das Ende der Welt so ablaufen könnte. Die dargestellte Sinnlosigkeit der globalen Zerstörung lässt auf einen aufmerksamen Beobachter der Realität schließen, der angesichts dessen, was er sieht, jedoch nicht in Melancholie verfällt, sondern erst recht Gründe zum Lachen sucht. David D. Hammons ist ein Autor, der die reellen düsteren Zukunftsaussichten der Menschheit mit Leichtigkeit in einen fiktiven bunten Zirkus verwandelt. Für diesen verspielten Optimismus bewundere ich ihn zutiefst.

 

Ich kann euch „Don’t Eat the Glowing Bananas“ nur wärmstens empfehlen, denn es ist wirklich lustig und verrückt. Natürlich muss man für ein Buch wie dieses in der Stimmung sein, doch wenn euch danach ist, herzhaft zu lachen, liegt ihr mit dieser abgedrehten Postapokalypse genau richtig. David D. Hammons‘ Zukunftsvision mag bedrückend sein, doch seine Handlung vermittelt eine fröhliche Leichtigkeit, die für sich allein bereits zum Grinsen einlädt. Das Ganze ist mit liebevoll ausgearbeiteten Charakteren garniert, die man gern begleitet und schnell ins Herz schließt. Falls ihr also Lust habt, einem Foodie zum Ende der Welt zu folgen, nur zu. Aber nicht vergessen: Finger weg von leuchtenden Bananen!

 

Vielen Dank an Netgalley und Curiosity Quills Press für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/03/23/david-d-hammons-dont-eat-the-glowing-bananas
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review 2015-10-07 14:47
Rotkäppchen: Assassine, Attentäterin, Auftragsmörderin
Rotkäppchens Rache - Jim C. Hines

Jim C. Hines ist ein Vorbild. Er ist ein Vorbild, weil er sich aktiv und mutig mit einem Thema auseinander setzt, das am liebsten tot geschwiegen und ignoriert wird: Vergewaltigung. Er ist geschulter Krisenberater, schrieb Artikel und Essays und veranstaltete jahrelang Kurse. Er betrieb Aufklärung und Sensibilisierung, bot Betroffenen Unterstützung, Schutz und Hilfe jeglicher Art an und lernte die Täter kennen. Auf seiner Website können interessierte LeserInnen einige seiner Artikel einsehen (HIER). Ich habe mir die Mühe gemacht, sie alle zu lesen. Seitdem ist er meiner Meinung nach nicht nur ein Vorbild, sondern auch ein Held des Alltags. Weil er hinsieht. Weil er gegen dieselben widerwärtigen Vergewaltigungsmythen kämpft, über die ich selbst auch schon geschrieben habe. Und weil er sich traut, das Thema Vergewaltigung auch in seiner Fantasy-Reihe Die Todesengel sensibel auf den Tisch zu bringen.

 

Als die Lady von der Roten Kappe ist sie im ganzen Land bekannt. Jeder kennt ihre Geschichte: als kleines Mädchen wollte sie ihre Großmutter im Wald besuchen, kam vom Wege ab, wurde vom Wolf bedroht und in letzter Minute vom Jäger gerettet. Ganz so ist es jedoch nicht gewesen. Jetzt ist Roudette die Jägerin – eine Assassine, eine Auftragsmörderin. Eines Tages sendet sie Danielle Whiteshore, Prinzessin von Lorindar und landläufig Aschenputtel genannt, eine Botschaft. Sie lädt Danielle dazu ein, der Ermordung ihrer Stiefschwester Charlotte beizuwohnen. Sofort befindet sich der Palast in heller Aufregung, denn die Einladung ist ganz offensichtlich eine Falle. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Talia und Schnee entscheidet Danielle, kein Risiko einzugehen. Stattdessen wollen sich Talia und Schnee mit Roudette treffen. Doch die Lady von der Roten Kappe überlässt nichts dem Zufall. Die Einladung ist eine Falle – allerdings nicht für Danielle, sondern für die einzige Frau, die je einen Kampf mit ihr überlebte: Talia.

 

In „Rotkäppchens Rache“ beleuchtet Jim C. Hines die für mich interessanteste Figur seiner Reihe Die Todesengel genauer: Talia Malak-el-Dahshat, niemand geringes als Dornröschen. Die Geschichte führt die Leser_innen in Talias Heimat Arathea, einen Wüstenstaat im Süden, in dem Menschen und Elfen so eng mit einander leben wie nirgends sonst. Die Elfen waren es, die Talia verfluchten, ihr Schönheit, Eleganz und Anmut verliehen. Sie sind es auch, die nun ihren Tod wünschen und deswegen Roudette alias Rotkäppchen anheuerten.
Ich gebe zu, durch den Titel hätte ich erwartet, dass Roudette wesentlich mehr im Fokus steht. Ihre Biografie interessierte mich brennend; meine Neugier wurde durch die Konzentration auf Talia leider nicht vollständig befriedigt. Ich kenne nun zwar den groben Verlauf ihres Lebens und weiß, wie es dazu kam, dass sie eine Attentäterin wurde, aber ein paar meiner Meinung nach wichtige, interessante Details bleiben im Dunkeln. Trotzdem gefiel mir das, was ich von Roudette kennenlernte und erfuhr, wahnsinnig gut. Ich finde ihre ungezähmte, animalische Wildheit sehr beeindruckend; sie lebt außerhalb jeglicher Regeln und Konventionen. Intelligent und zielgerichtet verfolgt sie seit dem Tag, an dem sie ihre Großmutter besuchte, einen Plan, der tatsächlich viel mit einem Rachemotiv zu tun hat, jedoch nicht nur. Sie ist bereit, Kompromisse einzugehen, selbst wenn ihr diese überhaupt nicht gefallen. Obwohl sie keine besonders umgängliche Frau ist, mag ich sie sehr, fast so sehr wie Talia.
Talia ist einer der stärksten Charaktere, die mir je in der Literatur begegnet sind, sowohl persönlich als auch bezüglich ihrer Konstruktion. Jim C. Hines bewies unheimlich viel Mut, indem er für ihre Biografie die populäre „Dornröschen“-Version mit der unbekannteren Version „Sonne, Mond und Thalia“ von Giambattista Basiles kombinierte, ein paar eigene Aspekte hinzufügte und dem Endergebnis einen äußerst realistischen Anstrich gab. Talia ist dank Hines‘ Mut eine Figur, die Dinge erleben musste, für die es keine Worte gibt, aber nicht von ihnen definiert wird. Ihre Vergangenheit ist ein Teil von ihr und natürlich beeinflusst sie subtil ihre Entscheidungen, aber Talia ist trotzdem noch Talia. Ich habe nicht viel mit ihr gemeinsam und kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, was sie durchmachen musste – und doch konnte ich mich hervorragend in sie hineinversetzen. Ich liebe Jim C. Hines für die brillante, nachvollziehbare und intime Darstellung seiner Protagonistin, denn so ließ er mich begreifen, dass sehr viel mehr in Talia steckt, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Schwieriger fand ich es, die Elfenpolitik in Arathea auseinander zu halten. Diese ist einfach nur kompliziert und undurchsichtig. Wer jetzt wo wie viel Macht und Einfluss besitzt und warum – ich denke, ich habe es immer noch nicht begriffen. Das Elfenvolk lebt in einem kleinlichen, verschachtelten System von Gefälligkeiten und Verpflichtungen. Das passt zwar sehr gut zum Charakter der Elfen in Jim C. Hines‘ Universum, ich bin jedoch der Meinung, dass er sich an dieser Stelle verzettelte. Diese verwirrende politische Situation war eher anstrengend als unterhaltsam.

 

Ich fand „Rotkäppchens Rache“ besser als den Vorgänger „Die Fiese Meerjungfrau“, für eine höhere Bewertung reichte es aber dennoch nicht. Wieder sind Jim C. Hines die Rahmenbedingungen seiner Geschichte besser gelungen als die Geschichte selbst. Es gefiel mir, Arathea zu besuchen und ich liebe Hines‘ bunte, runde Charaktere, doch die Handlung empfand ich als etwas schwerfällig, wenn auch im Ansatz kreativ und interessant. Trotz dessen würde ich nicht zögern, euch „Rotkäppchens Rache“ zu empfehlen, eben weil die Charaktere so außergewöhnlich detailliert und frei von Klischees gestaltet sind, dass es einfach Spaß macht, sie zu begleiten. Wer hätte gedacht, dass Märchenfiguren so viel zu bieten haben.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/10/07/jim-c-hines-rotkaeppchens-rache
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