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text 2015-11-04 11:15
Eine abgespacte Seifenoper
Fluggemeinschaft (Kaffeesucht, Sex und ein Ticket ins All 1) - Kiki Blu,Daniela Rohr

Erinnert ihr euch, dass ich schon einmal mit der Nachwuchsautorin Daniela Rohr zusammen gearbeitet habe? Im Februar habe ich auf ihre Bitte hin ihre Kurzgeschichte „Im Turm des Panopticons“ gelesen und rezensiert. Als sie im September abermals an mich herantrat und mir vorschlug, ihre neuste Veröffentlichung „fluggemEINSchaft“ auf meinem Blog vorzustellen, erklärte ich mich mit Freuden dazu bereit. „fluggemEINSchaft“ ist die erste Episode ihrer längeren Serie namens „Kaffeesucht, Sex und ein Ticket ins All“, die Daniela selbst als „Space-Opera“ bezeichnet und getrost der humoristischen Science Fiction zugeordnet werden kann.

 

Als Singlefrau hat man es nicht leicht. Erst recht nicht, wenn man Kiki heißt, eine völlig unterschätzte Kosmetikfachangestellte im technischen Support ist und auf der Suche nach der wahren Liebe peinliche Singleveranstaltungen abklappern muss. Doch dass ein fantastisch aussehender Alien nach einer Nacht voller lebensveränderndem, grandiosem Sex ihren Vibrator klaut, geht einfach zu weit. Was bildet sich der Typ eigentlich ein? Was will er mit Kikis Spielzeug? Kiki beschließt, den Diebstahl nicht auf sich sitzen zu lassen und ihrem extraterrestrischen Liebhaber (und ihrem Vibrator) nachzujagen. Mit einem beachtlichen Vorrat an Kaffee in ihrem pessimistischen Handgepäck und einem telePhone voller mehr oder weniger nützlicher Apps macht sie sich auf die Reise durch eine Galaxie, die noch weit mehr Merkwürdigkeiten zu bieten hat als diebische Aliens.

 

Ich denke, ich muss erwähnen, dass ich „fluggemEINSchaft“ gelesen habe, als ich im Krankenhaus lag. Für diese spezielle Situation war es die perfekte Lektüre: leicht und locker, ohne mir zu viel abzuverlangen. Die Geschichte ist definitiv abgespact und verspricht, in der Zukunft noch wesentlich turbulenter und verrückter zu werden. Ich fand es sehr erfrischend, dass Daniela Rohr sich nicht um verklemmte Vorstellungen von Anstand scherte und ihre Protagonistin Kiki als selbstbewusste, unabhängige und sexuell aufgeschlossene Frau charakterisierte, die Entscheidungen impulsiv und aus dem Bauch heraus trifft, ohne sich um Konsequenzen Sorgen zu machen. Sie ist ein richtiger Wirbelwind; es hat mir Spaß gemacht, sie auf diesem ersten Abschnitt ihrer abgedrehten Reise zu begleiten. Allerdings empfand ich sie trotz aller Sympathie als ein wenig zu klischeehaft. Sie ist eben genau so, wie man sich ein Singlegirl mit einem Hang zu One-Night-Stands vorstellt. Ich hatte das Gefühl, dass sie auch einem Chic-Lit-Roman entsprungen sein könnte. Dieser Eindruck wurde durch den deutlichen Seifenoper-Charakter der Geschichte verstärkt. Kikis Problem ist hochgradig banal, aber sie dramatisiert den Diebstahl ihres Vibrators dermaßen, dass dieser zu einer Rechtfertigung für ihren spontanen Trip durch die Galaxie wird. Ich denke nicht, dass es ihr tatsächlich um die Wiederbeschaffung ihres Spielzeugs geht. Ich glaube, Kiki ist einfach so unzufrieden mit ihrem Leben, dass ihr diese Möglichkeit auszubrechen gerade recht kommt. Sie ist noch immer Single, lebt in einer WG und fühlt sich in ihrem Job unterfordert und nicht wert geschätzt. Sie scheint ihren Platz in der futuristischen Gesellschaft noch nicht gefunden zu haben. In diese Gesellschaft erhalten die Leser_innen vorerst nur einen winzigen Einblick. Da es sich bei „fluggemEINSchaft“ jedoch um einen ersten Band handelt, kann ich das verzeihen, obwohl ich gern mehr über die Lebensumstände der Menschen (und Aliens) der Zukunft erfahren hätte. Die Folgebände haben diesbezüglich sicher mehr zu bieten.
Die größte Stärke der Kurzgeschichte liegt meines Erachtens nach in Daniela Rohrs flüssigem Schreibstil. Dieser tröstete mich über viele kleinere Mängel hinweg, sogar darüber, dass mir Kikis Witz nicht gefiel, weil er auf mich übertrieben und zu gewollt wirkte. Es sollte eine gewisse Situationskomik erzeugt werden – meinem Humor entsprach diese nur leider nicht. Darüber hinaus war ich von einem stilistischen Detail wirklich genervt: wann immer Kiki Schimpfwörter oder Kraftausdrücke verwendet, werden diese zensiert. Ich weiß mittlerweile, dass Daniela Rohr damit Kritik an der um sich greifenden Sitte, Websites, Songtexte und ähnliches zu zensieren, üben wollte, doch an mir ist diese Kritik unglücklicherweise verloren gegangen.

 

Ich mochte „fluggemEINSchaft“ und hatte Spaß damit, unter anderem auch, weil es nicht meinem normalen Beuteschema entspricht und ich mit dieser ersten Episode von Daniela Rohrs Geschichte etwas Neues ausprobiert habe. Die Kombination von humoristischer Science Fiction mit Elementen, die man sonst vermutlich in der Chic-Lit findet, empfand ich als interessant und originell, weil die SciFi meinem Gefühl nach sehr männerzentriert ist (man möge mir widersprechen, falls ich mit dieser Einschätzung daneben liege). Ich bin mir allerdings noch unsicher, ob ich „Kaffeesucht, Sex und ein Ticket ins All“ weiter verfolgen werde, da der Seifenoper-Charakter der kurzen Episoden nur schwer mit meinem Geschmack vereinbar ist. Als Austesten der Grenzen meiner Wohlfühlzone war es durchaus ein spannendes Experiment und für einen Krankenhausaufenthalt hätte ich mir kaum eine passendere Lektüre wünschen können, doch ich fürchte, dass mich im Alltag andere Bücher mehr locken werden.
Ich denke, dass „fluggemEINSchaft“ zu euch passt, wenn ihr Berührungsängste mit reiner Science Fiction habt und/oder witzige Chic-Lit mögt. Es ist ein Weltraumabenteuer aus weiblicher Sicht, vorangetrieben von der frechen, etwas überdrehten Protagonistin Kiki. Wenn ihr euch auf ihre Odyssee einlasst, werdet ihr bestimmt jede Menge Spaß haben – und ihr werdet lernen, wie wichtig Kaffee für eine Person sein kann.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/11/04/daniela-rohr-fluggemeinschaft
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