logo
Wrong email address or username
Wrong email address or username
Incorrect verification code
back to top
Search tags: feminin
Load new posts () and activity
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2019-07-30 09:02
Geschmackssache
Das magische Portal - Aileen P. Roberts

Aileen P. Roberts war das Pseudonym der deutschen Fantastik-Autorin Claudia Lössl, die tragischerweise im Alter von 40 Jahren am 05. Dezember 2015 verstarb. Sie hinterließ ihren Ehemann Stephan, mit dem sie unter dem Sammelpseudonym C.S. West ebenfalls fantastische Romane verfasste, und ihre Tochter. Die Schriftstellerin litt unter einer schweren Krankheit, wovon offenbar nicht einmal ihr Verlag Goldmann Kenntnis hatte. Die Nachricht ihres Todes überraschte Fans wie Verleger gleichermaßen. Ich möchte ihrer Familie an dieser Stelle mein tief empfundenes Beileid aussprechen. Ich wusste nicht, dass sie nicht mehr unter uns weilt, als ich „Das magische Portal“, den ersten Band der „Weltennebel“-Trilogie, las. Durch ihre Bücher bleibt sie auf ewig in Erinnerung.

 

Was hat die unscheinbare Mia bloß an sich, dass sich Darian zu ihr hingezogen fühlt? Weder entspricht sie seinem Typ, noch verkehrt sie in denselben sozialen Kreisen. Er ist beliebt und wohlhabend, sie hingegen wird von allen „die Vogelscheuche“ genannt. Als sie sich auf einer Studienreise nach Schottland näherkommen, erkennt Darian, dass sein Interesse an Mia über eine harmlose Schwärmerei hinausgeht. Sie verbirgt ein unglaubliches Geheimnis: sie ist kein Mensch. Sie stammt aus einem magischen Land namens Albany, dessen königliche Familie vor 25 Jahren Opfer einer heimtückischen Verschwörung wurde. Nur der jüngste Prinz überlebte und wurde durch den Weltennebel in Sicherheit gebracht. Von Verzweiflung getrieben offenbart sie Darian die Wahrheit: er ist Albanys verschollener Prinz, der Thronerbe und muss schnellstmöglich zurückkehren, um sein geknechtetes Volk zu erlösen. Obwohl Mias Geschichte verrückt klingt, glaubt Darian ihr. Doch die Reise nach Albany fordert Opfer und schon bald muss Darian einsehen, dass er in seiner Heimat vielleicht nicht willkommen ist…

 

„Das magische Portal“ ist wohl Geschmackssache. Ich fand den ersten Band der „Weltennebel“-Trilogie nicht schlecht, doch leider war er überhaupt nicht meins. Als glühender High Fantasy – Fan sind Crossgenre-Vertreter wie dieser Roman für mich ein Glücksspiel, weil mich die fiktive Welt, die sie vorstellen, weit mehr interessiert als die Ereignisse in unserer Realität. Das heißt, sowohl der Übergang in diese Welt muss gelungen sein als auch das Wordbuilding selbiger, das dann wiederum die Handlung bestimmt. „Das magische Portal“ überzeugte mich in allen drei Punkten nicht. Anfangs war ich überrascht, wie schnell sich das Geschehen entwickelt: Darian erfährt früh, dass er der verlorene Prinz Albanys ist und entscheidet ungeachtet der Konsequenzen sofort, seinen Thron in Besitz zu nehmen. Seine Entschlussfreudigkeit sagte mir zu, schließlich wollte ich Albany kennenlernen. Während Mia und Darian darum kämpfen, die Reise in die Tat umzusetzen, beschlichen mich jedoch Zweifel. Wollte Darian nicht viel zu wenig über das Land, das er zu regieren gedachte, wissen? Natürlich stellt er Mia die grundlegendsten Fragen, wichtige Themen wie Politik und Wirtschaft hingegen streift er lediglich. Ich begann, seine Kurzentschlossenheit als überstürzt und naiv zu interpretieren. Mir schwante Übles für das magische Reich und sobald Darian in Albany eintraf – natürlich nicht ohne Verluste – bestätigte sich meine Vorahnung. Darian ist unverantwortlich schlecht auf seine neue Position vorbereitet und wird vollkommen allein gelassen, was ich als Folge der gravierenden Lücken des oberflächlichen Worldbuildings auslege. Albany erschien mir wie ein zweidimensionales Gemälde. All die kleinen Details, die eine fiktionale Welt trotz fantastischer Elemente real wirken lassen, fehlen dort. Territoriale Grenzen sind diffus und inkonsequent, die Beziehungen zwischen den Völkern schwer nachzuvollziehen, politische und ökonomische Gegebenheiten und Gesetze maximal grob umrissen. Für mich fühlte sich das Land wie eine Spielwelt an, die Aileen P. Roberts erschuf, um ihren verträumten Vorstellungen eines parallelen, verzauberten Universums Gestalt zu verleihen, ohne sich ernsthaft um Realismus oder Logik zu bemühen. Ich fand das sehr schade, denn Albany hat definitiv Charme. Unglücklicherweise langweilte mich die Handlung allerdings so sehr, dass ich die bezaubernden Facetten des Settings nicht schätzen konnte. Es passiert einfach zu wenig. Von Trauer gelähmt lässt sich Darian um seinen Thron betrügen und gerät in eine qualvolle Spirale aus Verzweiflung und Selbstekel. Er versinkt in einer hübschen, ausgewachsenen Depression, die ihn daran hindert, seine Situation zu ändern. Mich berührte sein Schmerz überhaupt nicht, weil ich sein Verhalten als egoistisch empfand. Sein Volk braucht ihn. Derweil er sich ausgiebig im Selbstmitleid suhlt, leiden sie unter horrend hohen Steuern und einer herzlosen Politik der Willkür. Das konnte ich ihm nicht verzeihen, obwohl er zum Ende von „Das magische Portal“ eine vollständige Läuterung durchläuft. Es war zu spät – meiner Auffassung nach hatte er sein Anrecht auf den Thron längst verspielt.

 

Über die Toten soll man nur Gutes reden, besagt ein altes lateinisches Sprichwort. Deswegen fiel mir diese Rezension zu „Das magische Portal“ ziemlich schwer, denn der tragisch frühe Tod von Aileen P. Roberts alias Claudia Lössl löste in mir den reflexhaften Wunsch aus, alle Kritik an ihrem Trilogieauftakt zu verschweigen. Aber das wäre unehrlich. Ich glaube, dass man den Toten Respekt erweist, indem man ihr Vermächtnis aufrichtig beurteilt. „Das magische Portal“ bot mir zu wenig Abwechslung, kränkt meiner Meinung nach am schemenhaften Worldbuilding und war zu sehr auf die emotionale Ebene fokussiert. Leser_innen, die feminine, magische Liebesgeschichten mögen und zugunsten der Gefühle weniger Wert auf ein konsequentes Weltendesign legen, sind hier sicher besser aufgehoben. Ich bin nicht das richtige Publikum für die „Weltennebel“-Trilogie und kehre Albany demzufolge den Rücken.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/07/30/aileen-p-roberts-das-magische-portal
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2019-07-09 08:14
Nicht perfekt, aber ungemein befriedigend
The High Lord - Trudi Canavan

Wie viele Autor_innen entwickelte Trudi Canavan früh den Wunsch, Geschichten zu erzählen. Als sie in der Grundschule war, hätte sie allerdings beinahe den Mut verloren. Sie langweilte sich während der Geschichtsstunde der Schulbibliothekarin und beschwerte sich. Diese fragte, ob sie an ihrer Stelle erzählen wolle. Die kleine Trudi nutzte ihre Chance und spann eine Variante von „Die kleine Meerjungfrau“, an deren Ende der Prinz starb. Das gefiel ihrem jungen Publikum gar nicht und sie erfuhr erstmals, wie Fans reagieren, wenn man ihre Lieblingsfigur tötet. Heutzutage begeht Canavan solche Kardinalsfehler natürlich nicht mehr, doch das heißt nicht, dass das Finale ihrer „The Black Magician Trilogy“, „The High Lord“, ganz ohne Verluste auskäme.

 

Gildenmeister Akkarin hat Sonea in der Hand. Sie hasst den mächtigen Magier, der offiziell als ihr Mentor auftritt und dessen dunkles Geheimnis schwer auf ihrem Gewissen lastet. Doch dann beginnt Akkarin, sein Protegé zu ermutigen, Bücher seiner privaten Bibliothek zu lesen. Verbotene Bücher, die ein völlig neues Licht auf die Geschichte der Magier-Gilde werfen. Sonea findet heraus, dass die Praktiken, die heute als schwarze Magie geächtet sind, einst offen gelehrt wurden – bis eine schreckliche Katastrophe die Gilde überzeugte, diese unter Strafe zu stellen. Akkarin eröffnet Sonea, dass die Mordfälle, die Imardin in Angst und Schrecken versetzen, die Spitze eines uralten Konflikts zwischen der Gilde und den verbannten Magier_innen Sachakas sind, die noch immer nach Rache dürsten. Er behauptet, er allein könne einen Angriff der sogenannten Ichari verhindern und bringt Sonea in eine verzwickte Lage. Entweder, sie vertraut Akkarin und riskiert, für düstere Absichten benutzt zu werden oder sie setzt die Zukunft der Gilde aufs Spiel, indem sie ihn verrät. Wie wird sie sich entscheiden?

 

Manchmal erscheine ich in meinen Rezensionen vermutlich ziemlich streng. Ich kritisiere und mäkele herum, warte mit Verbesserungsvorschlägen auf und finde zielsicher Schwachstellen. Mir ist klar, dass ich dadurch vielleicht übertrieben anspruchsvoll wirke, als wäre kein Buch jemals gut genug. Tatsächlich ist das nicht wahr. Eigentlich möchte ich einfach nur zufrieden aus einer Lektüre rausgehen. Macht mich ein Buch glücklich, kann ich Mängel verzeihen. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Trudi Canavan das verstanden hat. „The High Lord“ ist nicht perfekt und etwas langatmig, aber ungemein befriedigend. Ich halte es für ein angenehm rundes Finale, das sowohl inhaltlich als auch emotional erneut mit vielen unerwarteten Wendungen überrascht und die meisten offenen Fragen klärt. Im letzten Band „The Novice“ habe ich mich darüber gewundert, dass die Grenze zu schwarzer Magie nicht eindeutig definiert zu sein scheint. „The High Lord“ räumt mit dieser vertretbaren Fehleinschätzung auf und konzentriert die Handlung auf den ältesten Konflikt der Welt: Gut gegen Böse. Wer allerdings glaubt, die Leser_innen bekämen es mit einer eindimensionalen Einteilung zu tun, irrt gewaltig. Obwohl die Rolle der Antagonisten unmissverständlich von den Ichari, den verbannten Magier_innen aus Sachaka, erfüllt wird, ist die Situation speziell für Sonea mit zahlreichen moralischen Stolpersteinen gespickt. Schwarze Magie ist in diesem Universum kein Teufelspakt, kein Direktflug in die Verdammnis. Es handelt sich lediglich um eine spezifische Praxis, die negatives Potential besitzt, per se allerdings nicht böse ist. Es ernüchterte mich, wie schmal das Spektrum schwarzer Magie daher ist, was auch das Repertoire der Ichari stark einschränkt. Sie stellen nur deshalb eine ernsthafte Bedrohung für die Gilde dar, weil sie skrupellos genug sind, diese Spielart als Waffe zu missbrauchen, während die Gilde an ihren selbst auferlegten Vorschriften scheitert. Ich mochte, dass Trudi Canavan die Gilde als fehlbare Institution charakterisiert, diese niemals glorifiziert und mir folglich erlaubte, ihre Methoden zu hinterfragen und mich mit Soneas Gewissenskonflikt zu identifizieren. Die Novizin muss entscheiden, ob der Schutz ihrer Lehreinrichtung und ihres Landes Kyralia eine drastische Regelübertretung rechtfertigt. Unterstützung erhält sie dabei von einem alten Bekannten: Cery. Ich freute mich sehr über das Wiedersehen mit dem jungen, gewitzten Gangster, der es in der Organisation der Diebe weit brachte und mir nun deutlich reifer erschien. Für mich fungierte er als willkommenes Gegengewicht zu Akkarin, an dessen distanzierter, kühler Art ich mir die Zähne ausbiss. Wenngleich mich die Offenbarung seiner Vergangenheit berührte, konnte ich keine Verbindung zu ihm aufbauen. Mir war Cery bedeutend lieber, außerdem kehrt Sonea seinetwegen noch einmal in die labyrinthischen Tunnel unter Imardin zurück – ein hübsches Detail, das harmonischen Einklang zwischen Beginn und Ende der „Black Magician Trilogy“ herstellt.

 

Anlässlich meiner Lektüre der „Black Magician Trilogy“ erzählten mir viele Leser_innen, wie sehr sie diesen Dreiteiler lieben. Besonders die weibliche Fraktion teilte ihre Erinnerungen an schöne Lesestunden in jüngeren Jahren mit mir. Nachdem ich die Trilogie mit „The High Lord“ beendet habe, kann ich diese positiven Eindrücke mühelos nachvollziehen. Soneas Geschichte ist entschieden feminine High Fantasy, die sanfte Spannung erzeugt, jede Menge Herz besitzt und mit einer starken Protagonistin aufwartet, ohne langweilig oder weichgespült zu wirken. Mir gefiel Trudi Canavans milde Herangehensweise, die die Magie ihres Universums konkurrenzlos in den Mittelpunkt stellt, sehr gut. Ich fühlte mich in Kyralia und den angrenzenden Nationen äußerst wohl und freue mich darauf, mit der „Traitor Spy Trilogy“ in diese Welt zurückzukehren. Das Kapitel Sachaka ist noch nicht abgeschlossen und bietet tonnenweise Entwicklungspotential. Schließlich endet der Kampf für das Gute niemals.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/07/09/trudi-canavan-the-high-lord
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2018-08-01 09:29
Zeit, erwachsen zu werden
The Kingdom of Gods - N.K. Jemisin

Eines der ersten Bilder, das N.K. Jemisin veranlasste, die „Inheritance Trilogy“ zu schreiben, war das eines Kindes, das mit Planeten spielt. Angesichts dieser frühen Inspiration ist es wohl nicht verwunderlich, dass sich Sieh zu einem ihrer Lieblingscharaktere entwickelte. In einem Interview erklärte sie, sie liebe es, dass er tausende von Jahren alt und trotzdem entschlossen sei, das Leben aus der Perspektive eines Kindes anzugehen. Mit „The Kingdom of Gods“ schenkte sie Sieh ein ganzes Buch. Sie beschreibt das Finale der Trilogie als einen „verdrehten Bildungsroman“, der das Heranwachsen eines uralten Jungen thematisiert, der stirbt, wenn er erwachsen wird. Klingt verrückt und paradox? Dank Sieh in der Hauptrolle keine Überraschung. 

 

Seit Itempas‘ Ketten gesprengt wurden, ist Sieh langweilig. Ihn erfüllt eine Ziellosigkeit, die ihn verunsichert. Wieder und wieder kehrt er zurück in die Himmelsfestung Sky. Er ertappt sich dabei, die Arameri zu beobachten. Er empfindet eine unerklärliche Faszination für die königliche Familie, die ihn jahrhundertelang quälte und misshandelte. Seine Aufmerksamkeit gebührt den Kindern, jenen unvollendeten Seelen, die der seinen so ähnlich sind. Tief in den Eingeweiden der Festung begegnet er dem 6-jährigen Geschwisterpaar Shahar und Deka. Nach einigen Jahren der Besuche äußern sie den unschuldigen Wunsch, gemeinsam einen Eid auf ihre Freundschaft zu schwören. Ihre verbundenen Hände lösen eine gewaltige Energiewelle aus, die Sieh ins Nichts schleudert. Als er erwacht, sind acht Jahre vergangen. Etwas… hat sich verändert. Seine Magie schwindet. Er altert. Sieh muss herausfinden, was damals geschehen ist und wie er es aufhalten kann. Ihm läuft die Zeit davon. Denn für den Gott der Kindheit bedeutet erwachsen zu werden den Tod.

 

Ich stimme N.K. Jemisin vollkommen zu. Ich liebe Sieh ebenfalls. Wie könnte ich den Gott der Kindheit und des Schabernacks nicht lieben? Er ist Peter Pan. Er ist das Kind, das niemals erwachsen wird. Oder doch? „The Kingdom of Gods“ ist ein fabelhaft facettenreiches Buch, dessen theologische, philosophische Reife überwältigt und das die Botschaft der „Inheritance Trilogy“ mühelos transportiert: es gibt keinen Dualismus. Eine Einteilung in Schwarz und Weiß verkennt die Realität. Niemand könnte diesen Gedanken besser verkörpern als Sieh, weshalb ich Jemisins Entscheidung, ihn in den Mittelpunkt des letzten Bandes zu stellen, Beifall zolle. Durch seine Rolle als Ich-Erzähler untersucht sie neugierig die Grenzen des Konzepts der Kindheit und konfrontiert ihn unnachgiebig mit seiner größten Angst – der Angst, erwachsen zu werden, die in seinem Fall mit der Angst vor dem Tod, der Sterblichkeit gleichzusetzen ist. Sieh ist eine haarsträubend paradoxe Hauptfigur; er vereint zahllose widersprüchliche Eigenschaften, sodass seine Existenz einem Drahtseilakt gleicht. Er perfektionierte seine Identität als Schutzpatron der Kinder, aus der er Macht bezieht. Sieh tritt als Kind auf, ist aber definitiv kein Kind. Ihn zu unterschätzen, wäre ein Fehler. Die Spannung zwischen der Rolle, die er verkörpert und seiner wahren Persönlichkeit stellt einen wichtigen Aspekt der Geschichte dar. Es gelang ihm, sich selbst zu täuschen. Er wollte nicht einsehen, dass er längst erwachsen ist. Er konnte nicht so lange leben, Krieg, Verlust und Schmerz erfahren und die Unschuld eines Kindes bewahren. In seinem Bestreben, seine Lebenslüge aufrechtzuerhalten, distanzierte er sich vom Leben selbst und verlor den Kontakt zu seinem Ich. Diese Entwicklung erinnert an eine andere Figur in Jemisins Universum: Itempas. Die Parallelen zwischen Sieh und seinem Vater sind sicherlich kein Zufall, da sie ihre schwierige Beziehung untermalen. Das Finale betont noch einmal, dass sich Götter und Sterbliche viel ähnlicher sind, als es den Anschein hat. Göttliche lieben, hassen, trauern und leiden ebenso wie Menschen, ihre Beziehungen untereinander sind in ihrer Komplexität durch und durch menschlich, was die Frage aufwirft, wer eigentlich nach wessen Abbild geschaffen wurde. „The Kingdom of Gods“ zwingt Sieh in die menschliche Perspektive von Sterblichkeit, wodurch er erneut Kontakt mit dem Leben aufnimmt und sich endlich seinen Erinnerungen und Gefühlen stellt. Daher ist dieser finale Band meiner Meinung nach der emotionalste der Trilogie. Jemisin schildert Siehs Aufarbeitungsprozess einfühlsam, ohne sentimental zu werden, was nicht zu ihrem Protagonisten gepasst hätte. „The Kingdom of Gods“ überzeugt jedoch nicht nur auf der emotionalen Ebene, sondern auch inhaltlich. Die Leser_innen verlassen dieses hinreißende Universum, das stets nach Balance strebt, an der Schwelle bedeutender Veränderungen, die im ersten Band nicht möglich schienen. Alles fließt. Das Leben ist zyklisch: es wiederholt dieselben Muster ohne Unterlass. Dieses Finale ist nicht nur ein Ende, es ist auch ein Anfang.

 

Ich halte „The Kingdom of Gods“ für den besten Band der „Inheritance Trilogy“. Die Thematik harmoniert und schwingt mit einer Saite meiner Persönlichkeit. Das Finale ist ein wundervolles Buch und der perfekte Abschluss einer Trilogie, die mehr als ein schnöder Dreiteiler ist. N.K. Jemisin holte das Maximum aus der Struktur heraus und kreierte eine echte Dreieinigkeit, deren feminine, nachdenkliche Ausstrahlung und poetische, ästhetische Ausgestaltung bezauberte. Die „Inheritance Trilogy“ ist weniger Hammer auf Amboss, als ich es aus der High Fantasy gewohnt bin und enthält keinerlei Schlachten, aber ich habe während der Lektüre nichts vermisst. Ich empfehle euch die drei Bände ohne Vorbehalte. Besucht Jemisins Universum und lernt sie kennen: die wiedergeborene Göttin, deren Schöpfungskraft einen gigantischen Baum aus einer Festung im Himmel wachsen lässt; die blinde Künstlerin, in deren Geist Magie verschlungene Muster bildet und das uralte Kind, das mit Planeten spielt, um nicht erwachsen zu werden.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/08/01/n-k-jemisin-the-kingdom-of-gods
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2017-08-23 11:09
Feiern wir weibliche Stärke und den Feminismus
Tehanu - Ursula K. Le Guin

In meiner Rezension zu „Erdsee“ bemängelte ich, dass Ursula K. Le Guins Universum erschreckend sexistisch ist. Mit dieser Kritik bin ich nicht allein. Soweit ich es aus den bestehenden Rezensionen anderer Leser_innen herauslesen konnte, wurde Le Guin für den grassierenden Sexismus in Erdsee generell stark kritisiert. Vielleicht entschied sie sich deshalb, 18 Jahre nach dem Erscheinen von „Das ferne Ufer“, nach Erdsee zurückzukehren. „Tehanu“ ist der vierte Band der „Erdsee“-Saga und fokussiert erstmals die weibliche Perspektive: im Mittelpunkt steht die ehemalige Priesterin Tenar, die mittlerweile in Gont lebt.

 

Einst verließ Tenar an der Seite von Ged ihr Land, um im Licht der Freiheit zu leben. Obwohl sie bei Ogion in die Lehre hätte gehen können, entschied sich Tenar für ein bodenständiges Leben als fürsorgliche Ehefrau und Mutter. Lange Zeit führte sie eine einfache, aber glückliche Existenz. Eines Tages erreicht Tenar die Kunde von einem kleinen Waisenmädchen, das bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Furchtbare Wunden entstellen das Kind. Entsetzt öffnet Tenar ihr Herz und nimmt die Kleine in dem Wissen bei sich auf, dass sie niemals ganz normal sein wird, ebenso wenig wie sie selbst. Sie gibt ihr den Namen Therru. Jahre später liegt Ogion im Sterben. Sofort reisen Tenar und Therru zum Falkennest, um sich zu verabschieden. Doch Erdsee verändert sich, ist kein sicherer Ort mehr für eine Witwe und ihre junge Tochter. Als die Vergangenheit Tenar und Therru einholt, offenbart sich das hässliche Antlitz der Welt und erweckt in Therru Kräfte, die vom Feuer geschmiedet wurden.

 

Ursula K. Le Guin hat ganze Arbeit geleistet. „Tehanu“ ist ein Buch mit einer starken, weiblichen Stimme, die sich zweifellos für den Feminismus ausspricht und das Machtgefälle der Geschlechter in Erdsee mutig anprangert. Ich bewundere, wie kritisch sich die Autorin mit ihrem eigenen Werk auseinandersetzt, wie furchtlos und ehrlich sie die Aspekte ans Licht zerrt, die sie 20 Jahre zuvor vermutlich nicht einmal hinterfragte. „Tehanu“ ist der Beweis ihrer persönlichen Entwicklung, die ich einfach anerkennen muss. Ich kann nicht nachvollziehen, dass es offenbar Leser_innen gab, die sich am femininen Grundtenor des Romans störten. Wie viele Bücher wurden von Männern geschrieben, die schier bersten vor Testosteron und maskulinen Einflüssen? Wieso sollte es ein Problem sein, dass eine Frau ein ebenso Östrogen-geprägtes Buch schreibt? Ich fand es erfrischend, dass alle Frauen in „Tehanu“ wertvoll und individuell beschrieben sind, sei es nun Tenar, die verrückte Hexe Moss oder die geistig zurückgebliebene Heather. Lange genug waren weibliche Figuren in der High Fantasy lediglich schmückendes Beiwerk; für mich ist ein frauenzentriertes Buch dieses Genres daher ein kleiner Meilenstein. Zugegeben, Männer kommen in „Tehanu“ nicht gut weg, aber ich bin nicht der Meinung, dass Le Guin in ihrer Darstellung übertrieben hätte, weil sie auf diese Weise lediglich betont, wie schwer es eine alleinstehende Frau und ihre kleine Tochter, die niemals wie andere Kinder sein wird, in dieser männerdominierten Welt haben. In Erdsee ist ihr Ruf das höchste Gut, das eine Frau besitzt. Dieser hängt maßgeblich von der Einhaltung gewisser Normen und der subjektiven Wertschätzung Außenstehender ab. Während Männer stets Vorschusslorbeeren erhalten, brauchen Frauen Bestätigung von außen, um zu beweisen, dass sie ehrbar und glaubwürdig sind. Frauen wird erst einmal grundsätzlich mit Misstrauen begegnet, was so unfair ist, dass mir die Haare zu Berge stehen. Ich bin froh, dass Tenar im Laufe der Geschichte erkennt, dass ein ruinierter Ruf nicht zwangsläufig bedeutet, dass auch ihr Leben ruiniert ist. Nichtsdestotrotz war ich von Tenars selbstgewähltem Schicksal etwas enttäuscht. Angesichts ihrer Vergangenheit hatte ich angenommen, dass sie ein außergewöhnliches Leben führen würde, nicht das Leben einer Bauersfrau. Ich verstehe ihre Entscheidung für die Normalität, bin damit aber eher unzufrieden, weil ich glaube, dass Ursula K. Le Guin sie benutzte. Sie konnte Tenar nicht erlauben, mehr aus sich zu machen, da sie sie brauchte, um die feministische Kritik in „Tehanu“ zu transportieren. Man kann Alltagssexismus nicht beklagen, wenn kein Alltagssexismus vorhanden ist. Leider muss ich an dieser Stelle zugeben, dass ich „Tehanu“ deshalb nicht völlig überzeugend fand. So sehr ich Le Guin für ihre Bereitschaft zur Selbstreflexion achte, obwohl die Charaktere glaubhaft und realistisch sind, wirkte der vierte „Erdsee“-Band auf mich erzwungen, künstlich und konstruiert, wie ein Kunstmärchen. Ich hatte das Gefühl, Le Guin glaubte, sie müsste dieses Buch schreiben, um auf die Kritik ihres Publikums zu reagieren. Es erschien mir keine natürliche Geschichte aus Erdsee zu sein.

 

„Tehanu“ feiert weibliche Stärke. Es ist ein Roman, der die alltäglichen Herausforderungen selbstbestimmter, emanzipierter Frauen in einer erdrückend patriarchalischen Welt beschreibt und kühn ernsthafte Kritik daran übt. Die Unterschiede zwischen der Erlebenswelt von Tenar und Ged sind gravierend: während er meist Wohlwollen erfährt, muss sie gegen Vorurteile und Unterstellungen kämpfen. Erdsee ist für Tenar und ihre Tochter Therru ein völlig anderer Ort als für Ged. Aus meiner Sicht hat Ursula K. Le Guin dem Vorwurf des Sexismus erfolgreich die Stirn geboten und bewiesen, dass sie sich der Mängel ihres Universums bewusst ist, obwohl es selbstverständlich schade ist, dass die Glaubwürdigkeit ihrer Geschichte darunter litt. Auch kann ich nicht behaupten, dass „Tehanu“ mitreißend wäre. Nein, dieses Buch ist nicht auf Spannung ausgerichtet, es konzentriert sich voll auf die Darstellung gesellschaftlicher Missstände und Ungerechtigkeiten, die oft zynisch zwischen den Zeilen hervorblitzt. Dadurch qualifiziert es sich vielleicht nicht als Pageturner – wohl aber als das femininste Werk der High Fantasy, das ich je gelesen habe.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/08/23/ursula-k-le-guin-tehanu
Like Reblog Comment
review 2013-03-22 00:00
Furchtbar Feminin: Berüchtigte Mörderi... Furchtbar Feminin: Berüchtigte Mörderinnen Des 20. Jahrhunderts - Kathrin Kompisch Übernimmt sich stellenweise ein bisschen weil die Autorin versucht sowohl über den Einfluss des Frauenbildes auf die öffentliche Meinung während des Prozesses, als auch die Sensationslust der Medien und die tatsächlichen Hintergründe der Tat/die Geschichte der Täterinnen zu schreiben. Irgendwie wird alles angekratzt aber so richtig in die Tiefe geht es nie.
More posts
Your Dashboard view:
Need help?