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review 2020-01-21 11:09
Jalan Kendeth, die Zwiebel
Prince of Fools - Mark Lawrence

Mark Lawrence macht vieles anders als andere Autor_innen. Er plant nicht. Er plottet nicht. Er pflegt keine feste Schreibroutine. Wann immer es seine begrenzte Zeit zulässt, setzt er sich einfach hin und schreibt. Dementsprechend traf er die Entscheidung, seine populäre Grimdark-Trilogie „The Broken Empire“ aus der Ich-Perspektive zu schildern, nicht vorsätzlich, sondern intuitiv. Obwohl diese Erzählweise für die epische Fantasy ungewöhnlich ist, sieht Lawrence darin eindeutige Vorteile. Die Konzentration auf eine einzige Figur schafft Nähe, Unmittelbarkeit und befreit ihn von der Notwendigkeit, zahlreiche Handlungslinien zu organisieren. Er glaubt, dass die starken emotionalen Reaktionen seines Publikums eng damit zusammenhängen, dass er Ereignisse ohne abstrakte Distanz beschreibt. Es ist ein Unterschied, ob eine Figur aus auktorialer Perspektive erdolcht wird oder ob man direkt erlebt, wie die Hand des Protagonisten die Waffe führt. Deshalb behielt er diese Erzählperspektive in seiner zweiten Trilogie „The Red Queen’s War“ bei, deren erster Band „Prince of Fools“ einen ganz neuen Helden vorstellt.

 

Prinz Jalan Kendeth musste schon oft mit Unannehmlichkeiten fertigwerden. Bisher konnte er allen betrogenen Ehemännern, wütenden Spielpartnern und grimmigen Schuldeneintreibern entwischen, ohne seiner Großmutter, der gefürchteten Roten Königin, allzu viel Schande zu bereiten. An zehnter Stelle der Thronfolge erwartet ohnehin niemand von ihm, sich wirklich um Politik zu scheren. Lieber lässt er seinen Geschwistern den Vortritt und widmet sich seinen privaten Vergnügungen. Doch als er einen heimtückischen magischen Anschlag überlebt, wird Jalan unerwartet in den Krieg des Zersplitterten Reiches gegen den Toten König hineingezogen. Um die magische Wunde zu heilen, die ihn brandmarkt, muss er in den hohen Norden reisen – begleitet von Snorri ver Snagason, der ebenso sein Freund wie sein Untergang werden könnte. Wird Jalan die Fassade des oberflächlichen Taugenichts ablegen, um der Mann zu werden, den das Zersplitterte Reich braucht?

 

„Prince of Fools“ setzt die Lektüre der ersten Trilogie „The Broken Empire“ nicht voraus. Man kann die Abenteuer des Protagonisten Jalan durchaus genießen, ohne die drei vorausgegangenen Bände gelesen zu haben. Ich kann allerdings nicht leugnen, dass es den Spaßfaktor gewaltig erhöht. Der Auftakt von „The Red Queen’s War“ spielt chronologisch parallel zu „Prince of Thorns“ und fokussiert somit denselben Konflikt des Zersplitterten Reiches mit dem mysteriösen Toten König, dessen verderbte Magie die Nationen zu kompromittieren droht. In „Prince of Fools“ zeigt Mark Lawrence ein neues Schlachtfeld dieses Krieges und korrigierte meine Wahrnehmung desselbigen, den ich bisher als Jorgs persönlichen Feldzug betrachtete. Durch die Lektüre wurde mir bewusst, wie sehr ich mich damals von Jorg vereinnahmen ließ, was zwar für Lawrences brillante Konstruktion seiner Figur spricht, meine Einschätzung der Reichweite des Krieges jedoch fehlleitete. Der Vormarsch des Toten Königs gefährdet alle Staaten des Zersplitterten Reiches, nicht nur Jorgs Domäne. Außerdem begriff ich, dass die vielzitierte Düsternis der ersten Trilogie primär von ihrem feindlichen Protagonisten verursacht wird. Im direkten Vergleich gestaltet sich „The Red Queen’s War“ bisher wesentlich weniger grimmig, denn Jalan ist eine völlig andere Persönlichkeit und ermöglichte mir durch seine lockere Ausstrahlung eine entspanntere, zugänglichere Leseerfahrung. Er ist nahbarer, umgänglicher und offener, wodurch ich „Prince of Fools“ als leichter zu lesen empfand. Nichtsdestotrotz ist er eine faszinierende, komplexe Figur. Auf den ersten Blick erscheint er als egoistischer, opportunistischer Lügner, Spieler und Feigling. Meiner Meinung nach handelt es sich dabei jedoch um eine irreführende Maske, die Jalan kultivierte, um sich nicht mit den Konsequenzen auseinandersetzen zu müssen, würde er sich eingestehen, dass er das Zeug zum Helden hat. Er ist eine Zwiebel; im Verlauf der Ereignisse schält sich der wahre Kern seines Wesens langsam heraus. Seine authentische Entwicklung wird nicht von einer unrealistischen Epiphanie ausgelöst, sondern ist das Resultat einer spannenden Umkehr des klassischen Motivs des Erwachens in der Fantasy: statt Jalan mit seiner dunklen Seite zu konfrontieren, zwingt Mark Lawrence ihn, das Licht in seiner Seele zu akzeptieren und anzuerkennen, dass er eben nicht nur ein Lump ist. Sein Reisegefährte Snorri hat daran großen Anteil, denn der prototypische Nordmann glaubt an das Gute in Jalan und behandelt ihn von Anfang an wie den Mann, der er sein könnte und nicht wie den Mann, den er oberflächlich verkörpert. Er dringt zu ihm durch, obwohl Jalan sich sehr anstrengt, ihn auf Distanz zu halten. Es bleibt abzuwarten, ob Jalan die Lektion, die Snorri ihn über sich selbst lehrt, in den Folgebänden tatsächlich anwenden kann oder in alte Verhaltensmuster zurückfällt.

 

Ich hatte viel Freude mit „Prince of Fools“. Es hat mir gefallen, zu erleben, dass es Mark Lawrence gelingt, eine völlig andere Herangehensweise an eine Geschichte zu nutzen, ohne ihr Spannungspotential zu beeinträchtigen. Er beweist, dass „The Broken Empire“ nicht die Grenze seines Talents darstellt. Sein neuer Protagonist Jalan hat wenig mit Jorg gemeinsam und vermittelt die Handlung spielerischer, humoristischer und beschwingter. Dennoch würde ich nicht zögern, „The Red Queen’s War“ ebenfalls als Grimdark einzustufen, weil das Zersplitterte Reich ein unnachgiebiges Setting ist, das Menschen zu grenzwertigen Entscheidungen zwingt. Es wird sicher aufregend, herauszufinden, welche Entscheidungen Jalan zukünftig abverlangt werden und inwiefern diese von den Plänen der Roten Königin beeinflusst sind, die Andeutungen zufolge nicht ganz unschuldig an seinen Erlebnissen in „Prince of Fools“ ist. Ich freue mich auf die Folgebände.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2020/01/21/mark-lawrence-prince-of-fools
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review 2019-12-12 08:02
Einmal um die halbe Welt
Königsjäger: Roman - Joe Abercrombie,Kirsten Borchardt

Bereits als Joe Abercrombie den dritten Band seiner „First Law“-Trilogie schrieb, „Königsklingen“, wurde ihm bewusst, dass er sich in Sachen Gleichberechtigung nicht mit Ruhm bekleckert hatte. Nicht nur ist das „First Law“-Universum ein striktes Patriarchat, er hatte auch vergleichsweise wenig weibliche Charaktere in die Geschichte integriert. In seiner „Shattered Sea“-Trilogie wollte er das ändern. Da Gettland eine von den Wikingern inspirierte Gesellschaft darstellt, konnte er Frauen wichtige Aufgaben übertragen: finanzielle Entscheidungen, Handel und Haushaltsführung liegen ganz in weiblicher Hand. Dennoch gibt es sogar in Gettland Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen ist die Protagonistin des zweiten Bandes „Königsjäger“, Dorn Bathu.

 

Alles, was Dorn Bathu je wollte, ist, für ihr Land und ihren König zu kämpfen. Sie ist nicht wie andere Mädchen: weder kann sie nähen, noch kochen und sie versteht auch nichts von Haushaltsführung. Sie versteht sich nur auf den Gebrauch eines Schwertes. Leider hat ihr Ausbilder etwas dagegen, dass eine Frau die Truppen Gettlands verstärkt und stellt ihr während ihrer letzten Prüfung eine unmögliche Aufgabe. Dorn scheitert – mit fatalen Folgen. Geächtet und verzweifelt erwartet sie das Urteil ihres Königs. Doch als sich ihre Zelle öffnet, steht dort nicht der Vollstrecker, sondern Vater Yarvi. Der Gelehrte bietet ihr an, sie rauszuholen, im Austausch für ihre Dienste. Sie soll ihn auf eine völlig verrückte Reise um die halbe Welt begleiten, als Mitglied der seltsamsten Crew, die jemals ein Schiff bemannte. Vater Yarvis undurchsichtige Pläne sind Dorn ein Rätsel. Aber was hat sie schon zu verlieren?

 

Ja! Ich fand „Königsjäger“ deutlich besser als den ersten Band „Königsschwur“! Ich habe mich während der Lektüre beobachtet: ich freute mich viel mehr aufs Lesen und wollte meist nicht unterbrechen, hatte ich einmal angefangen. Das war mit dem Trilogieauftakt nicht der Fall und ist ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass mich die Geschichte des zweiten Bandes verstärkt fesselte. Einerseits lag meine positivere Leseerfahrung sicher daran, dass ich mich mit Joe Abercrombies konzeptioneller Herangehensweise an „Shattered Sea“ bereits abgefunden hatte und mich die erneut auftretenden Zeitsprünge weniger störten. Diese gestalteten sich teilweise abermals recht abrupt, ich hatte allerdings seltener das Gefühl, dass dadurch entscheidende Entwicklungen ausgelassen wurden. Andererseits konnte ich mich mit Dorn als Protagonistin wesentlich besser anfreunden als mit Yarvi in „Königsschwur“. Wo Yarvi intrigant und verschlossen ist, ist Dorn gradlinig und direkt. Sie handelt nicht immer sympathisch, doch es fiel mir leichter, ihre Entscheidungen, Motivationen und Prioritäten nachzuvollziehen, wodurch ich eine tiefere Verbindung zu ihr aufbauen konnte. Außerdem empfand ich es als hilfreich, dass Abercrombie Dorns kompromissloser Härte die sanfte Güte ihres Ruderpartners Brand gegenüberstellt, der Yarvi ebenfalls auf seiner Reise in seiner offiziellen Funktion als Gelehrter begleitet. Gemeinsam krempeln sie Gettlands Geschlechterrollen auf links, denn beide verkörpern jeweils genau das Gegenteil dessen, was gesellschaftlich von ihnen erwartet wird. Trotz der höheren Präsenz weiblicher Figuren in „Königsjäger“ wäre es ein Trugschluss, anzunehmen, das Universum der „Shattered Sea“-Trilogie sei feministisch. Es existiert keine wahre Gleichberechtigung, weil „männliche“ und „weibliche“ Domänen sehr klar abgesteckt sind und Übertretungen der Grenzen durchaus Folgen haben, die Dorn und Brand am eigenen Leib erfahren. Ebenso erleben sie die Auswirkungen einer prekären politischen Situation, auf die sie selbst keinen Einfluss haben. Dieser indirekte Blickwinkel gefiel mir hervorragend, weil „Königsjäger“ dadurch überraschend politisch ist, ohne diejenigen zu fokussieren, die die Machtströmungen der Bruchsee konkret repräsentieren, sondern die daraus resultierende, greifbare Realität für das einfache Volk. Demzufolge empfand ich auch die Kampfszenen als mitreißender, denn im Gegensatz zu Yarvi sind Dorn und Brand mittendrin. Dennoch faszinierte es mich, Yarvi diesmal von außen zu betrachten, zu studieren, wie er auf andere wirkt und welchen Ruf er sich in seiner relativ kurzen Zeit als Gelehrter bereits erarbeitete. Er ist wirklich ein verflixt gerissener Intrigant, der weitreichende Pläne verfolgt. Er beeindruckte mich, obwohl ich finde, dass seine Absichten und Strategien recht gut lesbar sind, hat man erst verstanden, wie er tickt. Deshalb bin ich sicher, dass Yarvi mit der Bruchsee noch nicht fertig ist. Sein Konflikt mit dem Hochkönig und dessen Gelehrter Großmutter Wexen ist noch nicht gelöst. Ich bin gespannt, was er sich im Finale „Königskrone“ einfallen lässt, um diesen beiden endgültig ihre Machtpositionen zu entreißen.

 

Meiner Meinung nach entspricht „Königsjäger“ eher dem unverwechselbaren Stil, den Fans (wie ich) von Joe Abercrombie gewohnt sind. Der zweite Band der „Shattered Sea“-Trilogie führt die Geschichte um Yarvi zwar konsequent weiter, bedient sich dafür jedoch anderer Charaktere, die viel mehr an die Figuren der „First Law“-Romane erinnern und deren Profile die Handlung actionreicher und schwungvoller gestalten. Ich mochte Dorn und Brand sehr, weil sie für mich nahbarer waren als der reservierte Yarvi, der sich so ungern in die Karten schauen lässt. Ihre Reise um die halbe Welt greift erneut den Coming of Age – Aspekt auf, konfrontiert sie – manchmal unangenehm – mit ihrer Selbstwahrnehmung und stellt sie vor die Wahl, was für Menschen sie künftig sein wollen. Ganz nebenbei lernte ich das Universum des Dreiteilers dadurch besser kennen und begriff, dass der Bruchsee Krieg bevorsteht. „Shattered Sea“ ist nicht nur die Geschichte des Racheschwurs eines einzelnen Mannes – es ist die Geschichte einer Welt im Wandel und somit doch ganz typisch Abercrombie.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/12/12/joe-abercrombie-konigsjager
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review 2019-10-29 09:51
Irgendwas ist wohl immer
The Masked City - Genevieve Cogman

Die Reihe „The Invisible Library” von Genevieve Cogman ist das Ergebnis einer wilden Mischung literarischer Einflüsse. Die Idee einer interdimensionalen Bibliothek borgte sich die Autorin von Terry Pratchett, Neil Gaiman und aus dem französischen Rollenspiel „In Nomine Satanis“. Die Magie ist von Ursula K. Le Guins „Erdsee“-Saga inspiriert, die Drachen durch die chinesische Mythologie und „Sherlock Holmes“ prägte sie ebenfalls. Das Konzept von Ordnung und Chaos hingegen ist eine Exploration dessen, was ihr in Michael Moorcocks „Elric“-Romanen begegnete. Das Ranking, das die Unsichtbare Bibliothek verwendet, um alternative Welten hinsichtlich Ordnung oder Chaos zu klassifizieren, spielt im zweiten Band „The Masked City“ eine entscheidende Rolle.

 

Endlich fand Irene eine Heimat. Sie ist nun dauerhaft in einem alternativen viktorianischen London als Agentin der Unsichtbaren Bibliothek stationiert. Keine Reisen durch die Welten mehr, ausschließlich Aufträge mit überschaubarem Risiko. Irene ist zufrieden. Doch die Idylle ihres neuen Lebens währt nur kurz. Ihr Lehrling Kai wird von den Fae entführt. Kais Onkel, der König der Drachen, wertet den Zwischenfall als offene Kriegserklärung. Wutschnaubend beauftragt er Irene, seinen Neffen zurückzubringen. Sollte sie scheitern, wird er die Welt, aus der Kai verschleppt wurde, restlos zerstören, um ein Exempel zu statuieren. Irene findet heraus, dass Kai in eine hochgradig vom Chaos infizierte Welt gebracht wurde, in ein alternatives Venedig der Masken und Illusionen, in der der Karneval niemals endet. Irgendwie muss sie dort hingelangen, obwohl die zur Neutralität verpflichtete Bibliothek es Mitgliedern untersagt, sich in das Ringen der Mächte der Ordnung und des Chaos einzumischen. Auf sich allein gestellt bricht Irene zu einer verzweifelten Rettungsmission auf, die alles aufs Spiel setzt: Kai, ihren Job und ihr Leben.

 

Ich werde mich der weitreichenden Begeisterung für „The Invisible Library“ vermutlich niemals anschließen können. Ich fürchte, es wird immer Punkte geben, an denen ich mich störe, obwohl die Romane durchaus unterhaltsam sind. Im zweiten Band „The Masked City“ konnte ich meine Kritik am grundlegenden Konzept der Unsichtbaren Bibliothek zwar vernachlässigen, weil sie lediglich am Rande auftritt und die Protagonistin Irene dieses Mal keinen Auftrag erfüllen muss, aber dafür wurde ich mit Genevieve Cogmans Wechselspiel zwischen Ordnung und Chaos konfrontiert, mit dem ich einfach nicht warm wurde. Alle Welten ihres Multiversums befinden sich irgendwo auf einer gedachten Skala zwischen der Ordnung der Drachen und dem Chaos der Fae. Drachen und Fae sind dementsprechend Gegenspieler, in deren Mitte sich die Bibliothek nach Kräften bemüht, die Schweiz zu imitieren. „The Masked City“ soll einen tieferen Einblick in ihre Rivalität gewähren, für mich warf diese Fortsetzung allerdings eher neue Fragen auf, statt sie zu beantworten. Ich habe keine genaue Vorstellung davon, was Ordnung und Chaos für Cogman bedeuten. Welche Elemente zählen zur Ordnung, welche zum Chaos? Welche Auswirkungen hat die Anwesenheit der Fae auf eine Welt, beeinflussen sie sie absichtlich und wenn ja, heißt das, dass sie aus dem Nichts zum Beispiel auch fiktive Fabelwesen auftauchen lassen können? Ich finde die Entwürfe beider Extreme bisher äußerst schwammig und habe Schwierigkeiten, mit ihnen konkrete Merkmale zu verknüpfen. Das alternative Venedig, in das Irenes Lehrling Kai entführt wird, hätte mir helfen sollen, zumindest das Chaos besser zu verstehen, da Cogman sich in dessen Darstellung jedoch lieblos auf Flüsse, Gondeln und Masken beschränkte und keine greifbare, individuelle Atmosphäre heraufbeschwor, funktionierte das leider nicht. Ich kann nicht nachvollziehen, wieso sie so zugeknöpft blieb, schließlich lädt ein verzaubertes Venedig nachdrücklich dazu ein, in Beschreibungen des Settings zu schwelgen. Vielleicht lag ihre Zurückhaltung an Irene, die das Chaos prinzipiell unterkühlt betrachtet und sich aufgrund ihrer pragmatischen Art nicht an seinen Wundern erfreuen kann. Ist es schlimm, dass ich sie nicht besonders mag? Die Protagonistin ist mir zu verkopft, zu verbissen und versucht meinem Empfinden nach allzu angestrengt, sich zu beweisen. Sie hat keinen Humor und ist enervierend pessimistisch. Ich stelle ihr Talent als Agentin ernsthaft in Frage, weil das Gelingen ihrer Pläne stets von einer unverschämten Portion Glück abhängt, was ihren Status als Junior-Bibliothekarin für mich noch rätselhafter gestaltet, als er ohnehin ist. Auf welcher Stufe der Hierarchie der Bibliothek steht Irene eigentlich und welche Befugnisse und Verpflichtungen gehen damit einher? Da „The Masked City“ die Strukturen der Bibliothek maximal streift, fühlte ich mich am Ende der Lektüre bedauerlicherweise nicht schlauer als vorher.

 

Als Einzel-Abenteuer ist „The Masked City“ fraglos aufregend und actionreich. Das Buch liest sich flüssig und unterhielt mich angemessen. Für mich besteht das Problem darin, dass Genevieve Cogman meinem Empfinden nach zu zaghaft daran arbeitet, das allgemeine Worldbuilding von „The Invisible Library“ voranzutreiben. Natürlich handelt es sich erst um den zweiten Band, doch ein gewisses Informationskontinuum, das die präsentierten Ideen in einen größeren Kontext setzt, kann man sicher selbst so früh in einer Reihe erwarten. Ich habe den Eindruck, dass Cogman permanent den Fuß auf der Bremse hat, weil sie sich fürchtet, Gesetzmäßigkeiten zu formulieren, die spätere Handlungslinien einengen könnten. Obwohl ich verstehe, dass sie sich nicht selbst beschneiden möchte, wird sie mit dieser Unverbindlichkeit bei mir irgendwann an eine Wand stoßen. Ich bin bereit, es mit dem dritten Band „The Burning Page“ zu versuchen, aber wenn sie nicht bald den Mut entwickelt, sich festzulegen, muss ich mich fragen, ob es sich lohnt, die Reihe weiterzuverfolgen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/10/29/genevieve-cogman-the-masked-city
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review 2018-11-14 11:00
Ich bin glücklich!
Valour - John Gwynne

Corban und seine Freunde haben den Überfall auf Dun Carreg knapp überlebt. Sie sind entkommen und konnten Ardans rechtmäßige Thronerbin Edana retten. Der Verlust ihrer Lieben lastet schwer auf ihren Herzen. Corban hadert mit dem Wissen, dass seine Mutter und Gar in ihm den Leuchtenden Stern sehen. Wenn er noch nicht einmal seinen Vater und seine Schwester Cywen schützen konnte, wie kann er dann der prophetische Heilsbringer sein? Leider hat er keine Zeit, sich mit seinen widerstreitenden Emotionen auseinanderzusetzen. Seine kleine Gruppe Überlebender hat nur eine Chance: sie müssen nach Domhain fliehen, König Eremons Reich, der ihnen Asyl bieten könnte. Doch der Weg dorthin ist lang, beschwerlich und riskant. Unter der Führung von Veradis erfüllen Nathairs Truppen die Versprechen des jungen Königs an seine Verbündeten und überziehen die Verbannten Lande mit Krieg. Die größte Bedrohung geht jedoch von Nathair selbst aus. Auf Drängen seines unheimlichen Beraters Calidus sucht er nach dem Kessel, einem der Sieben Schätze, der es ihm ermöglichen soll, sich zum Hochkönig aufzuschwingen. Nathair merkt nicht, dass er sich mit finsteren Mächten einlässt und zu dem wird, was er zu vernichten gedenkt: die Schwarze Sonne…

 

„Valour“ hat mich unheimlich glücklich gemacht. Als ich den zweiten Band der High Fantasy – Reihe „The Faithful and the Fallen“ zuschlug, hatte ich ein breites Grinsen im Gesicht und konnte nicht widerstehen, sofort mit dem dritten Band zu beginnen. Ich bin sehr froh, dass ich meiner Intuition vertraute, die mir während der Lektüre des ersten Bandes „Malice“ versicherte, dass es sich lohnen würde, dran zu bleiben und die Tetralogie trotz mangelnder Originalität nicht aufzugeben. Ich liebe es, Recht zu behalten. Mit „Valour“ erfindet der Autor John Gwynne das Genre sicherlich nicht neu, aber er holt das Beste aus einem epischen Kampf zwischen Gut und Böse heraus. Das Buch ist spannend, mitreißend, fesselnd – ich wollte nicht mehr aufhören zu lesen und während der letzten Seiten packte ich es fester, weil es so aufregend war. Der grundlegende Konflikt ist äußerst simpel: John Gwynne zeigt das Ringen des allmächtigen Schöpfers Elyon mit seinem Widersacher Asroth um das Schicksal der Verbannten Lande. Diese Schlichtheit wirkt sich keinesfalls nachteilig aus, im Gegenteil, ich mochte die gradlinige Unterteilung in Gut und Böse und den ausgeprägten religiösen Einschlag, der von christlichen und jüdischen Motiven inspiriert ist. Komplexität erhält die Geschichte durch die Figuren. Ach, diese Figuren! Sie sind so echt, so lebendig, so nahbar, so realistisch! Sie sind mehr als bloße Konstruktionen aus Fantasie und Worten. Meiner Meinung nach handelt es sich bei der Gestaltung der Charaktere um den stärksten Aspekt der Reihe, durch den Gwynne wirklich zeigt, was er kann. Trotz einer Vielzahl an Perspektiven und einer wahren Armee an Nebenfiguren bleibt keine einzige blass oder flach. Ich entwickelte für die meisten Verständnis und bis zu einem gewissen Grad Sympathie – bis auf diejenigen, die ich nicht mögen sollte, wie zum Beispiel Calidus. Irgendjemanden muss man ja hassen dürfen. Ich konnte mich nicht einmal für eine Lieblingsfigur entscheiden, denn auf ihre Art sind sie alle liebenswert und ihr Zusammenhalt untereinander holte mich mühelos ab. Die Loyalität innerhalb der Gruppe um Corban empfand ich als außergewöhnlich überzeugend. Ich habe Gwynne abgekauft, dass sie füreinander sterben würden. Gänsehaut-Momente verursachten aber ebenfalls Figuren, die etwas weniger im Fokus stehen: Veradis‘ Fürsorge für die ihm unterstellten Soldaten imponierte mir sehr und die im Kampf gestählte Freundschaft zwischen Maquin und Ogull, die ich ohne zu zögern als Bruderschaft bezeichnen würde, rührte mich zu Tränen. Durch alle in „Valour“ beschriebenen Beziehungen zieht sich das Thema Familie wie ein roter Faden, mit dem ich mich hervorragend identifizieren konnte und das erfreulicherweise neben Menschen auch Tiere einschließt, die als vollwertige Persönlichkeiten etabliert sind. Corbans Wölfin Storm ist eine bepelzte, grimmige Kriegerin, der sich niemand entgegenstellen möchte und die ihm in vielen Schlachten das Leben rettet, denn Kampfszenen gibt es in „Valour“ in Hülle und Fülle. Mein High Fantasy – Herz frohlockte. Epische Schlachten und fiese Zweikämpfe treiben das Actionlevel nach oben, wirken jedoch niemals unnatürlich oder erzwungen. Die Verbannten Lande steuern auf einen Scheidepunkt zu, es ist naheliegend, dass die Situation eskaliert, weil Könige und Königinnen versuchen, einen kleinlichen Vorteil zu ergaunern. Unter den Mächtigen scheint Nathair die tragischste Figur zu sein, weil er noch immer glaubt, das Beste für sein Land zu tun. Ein Teil der Spannung in „Valour“ geht von der Frage aus, wann er endlich erkennt, dass er die Schwarze Sonne ist. Ich hoffe sehr darauf, dass Gwynne Nathairs Perspektive im nächsten Band involviert, denn ich wüsste zu gern, wie er seine Entscheidungen rechtfertigt. Irgendwann muss doch ihm auffallen, dass er nicht der Held, sondern der Bösewicht ist.

 

Was dem ersten Band nicht gelang, war für den zweiten ein Kinderspiel. „Valour“ konnte mich voll für „The Faithful and the Fallen“ gewinnen. Ich bin begeistert. Die Lektüre bot mir alles, was ich von einem guten Buch erwarte und wenige langatmige Stellen störten mich überhaupt nicht. Die unwiderstehliche Dramatik dieses Epos geht einerseits vom fundamentalen Konflikt zwischen Gut und Böse aus; andererseits von der brillanten Konstruktion der Figuren, die überwältigend lebensecht sind. Sie erobern und brechen mein Herz, als wären sie reale Personen. In den Verbannten Landen liegen Glück und Leid sehr nah beieinander – John Gwynne konfrontierte mich mit einer emotionalen Bandbreite, die kaum in Worte zu fassen ist. Ich gratuliere Ihnen, Mr. Gwynne. Sie haben die Durchschnittlichkeit hinter sich gelassen und ein Epos begonnen, das High Fantasy – Fans entzücken dürfte.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/11/14/john-gwynne-valour
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review 2018-06-15 06:35
Moan: Anonymous Essays on Female Orgasm
Moan: Anonymous Essays on Female Orgasm - Emma Koenig

Was this book occasionally repetitive? Sure. Did I find it fascinating anyway? Absolutely.

 

As with any essay collection there are going to be some pieces that are better than others (and this is no exception), but what makes this collection so interesting to me is the sheer volume and the way the voices both echo and contradict one another. With each essay around two to three pages in length (a few are longer, but this was pretty consistent average) there are a lot of perspectives in here. I find it interesting getting to hear women speak anonymously, and thus totally honestly, about their sexual experiences. There are plenty of pieces in here that are basically just women relating what works for them in the bedroom, but there are plenty more about what *doesn't* work, first experiences, ruminations on femininity, how things have changed for them, how they feel different, or just how they feel in general. These aren't stories you often get to hear, and even when I couldn't relate (although there were a few where I very much could) I was interested.

 

My biggest critique would be the apparent lack of variety in the essayists. Its hard to be sure, since it is anonymous, but the contributors did seem to come from fairly uniform backgrounds, which could have been improved. I'd have liked to have read more essays from queer women, assault survivors, and various age groups. There are essays from all of those groups, but not nearly as many as there are from 20-something college educated women. I suspect this is because many essays were collected online.

 

The foreword talks about how sexuality is part of what makes us human, and by denying women their sexuality we deny them the ability to be fully human. I truly believe this, and this book put a very human voice to the varied world of women's sexual experiences. A great book for anyone interested in sexuality, regardless of gender.

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