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review 2019-05-01 11:08
Grimdark hoch 10
Beyond Redemption - Michael R. Fletcher

Michael R. Fletcher schreibt nicht hauptberuflich. Es war ihm zwar eine Weile möglich, als Vollzeit-Autor zu leben, nachdem er die Vorauszahlung von Harper Voyager für seinen Grimdark-Trilogieauftakt „Beyond Redemption“ erhalten hatte, aber leider hatte der Verlag aufgrund niedriger Verkaufszahlen kein Interesse an einer Fortsetzung und Fletcher musste erneut regulär arbeiten. Das war sicher eine niederschmetternde Erfahrung, doch sie hinderte ihn nicht daran, seinen Traum weiterzuverfolgen. Er veröffentlichte den zweiten Band der „Manifest Delusions“ im Selfpublishing. Das Finale fand beim kleinen Imprint Talos eine Heimat. In dieser Geschichte steckt eine wichtige Moral: nicht jede schriftstellerische Karriere ist ein Märchen und für jemanden, der so spezielle Bücher schreibt wie Michael R. Fletcher kann es schwer sein, sich dauerhaft zu etablieren.

 

Eine Welt, in der sich die Wahnvorstellungen der Menschen real manifestieren, kann nur von geistesgestörten Göttern erschaffen worden sein. Konig Furimmer, Oberhaupt der Geborene Damonen, glaubt das nicht. Er ist überzeugt, dass die Götter manifestierte Wahnvorstellungen der Menschen sind. Ist es möglich, einen neuen Gott zu formen? Kostbare Jahre seines Lebens widmete er der Ausbildung potenzieller Kandidat_innen. Ein letzter ist übrig: ein Junge namens Morgen. Sein Aufstieg steht kurz bevor. Die Zeit drängt, denn Konig droht, die Kontrolle über seine Halluzinationen zu verlieren. Fatalerweise bekommt eine dreiköpfige Räuberbande Wind von seinen Plänen. Konig schickt seine gefährlichste Agentin aus, um die drei festzunehmen: Gehirn Schlechtes. Doch Gehirn kann sie nicht aufhalten und schon bald versuchen auch andere Geisteskranke, Morgen in ihre Gewalt zu bringen. Das Schicksal der Welt ruht auf den Schultern des Jungen – aber verdient eine vom Wahnsinn regierte Welt überhaupt Erlösung?

 

Habt ihr euch in der Inhaltsangabe über die seltsamen, dem Deutschen entlehnten Namen gewundert? Vor der Lektüre von „Beyond Redemption“ schenkte ich der eigenwilligen Namensgebung keine Beachtung. Erst als ich das Vorwort des Autors Michael R. Fletcher las, beschlichen mich üble Vorahnungen, denn er entschuldigt sich darin bei allen Leser_innen, die tatsächlich Deutsch sprechen. Nach den ersten Kapiteln des Trilogieauftakts wurde mir klar, dass diese prophylaktische Entschuldigung definitiv angebracht ist. Was Fletcher mit der deutschen Sprache anstellt, schmerzte mich bis in die Haarspitzen. Alle Eigennamen sind konsequent deutsch, doch es handelt sich nicht um deutsche Namen. Es sind deutsche Begriffe, die häufig negativ konnotiert sind und die er wild kombiniert, um das Wesen seiner Figuren auszudrücken, abzüglich der Umlaute, die es im Englischen nicht gibt. Ich fand das unglaublich irritierend und brauchte sehr lange, um mich damit abzufinden. Ich stolperte immer wieder darüber, was meinen Lesespaß entscheidend schmälerte. Wäre die Namensgebung jedoch mein einziges Problem mit „Beyond Redemption“, hätte ich das Buch garantiert besser bewertet. Leider hatte ich grundsätzlich Schwierigkeiten mit diesem merkwürdigen Roman und fühle mich zwiegespalten. Die Idee, ein Grimdark-Universum rund um manifestierte Wahnvorstellungen bzw. seltene psychische Erkrankungen aufzubauen, ist faszinierend und ja, „Beyond Redemption“ ist Grimdark hoch 10. Nicht aufgrund der Brutalität der Geschichte, sondern aufgrund ihrer bedrückenden, trostlosen Atmosphäre, in der sich ein interessanter, fundamentaler religiöser Konflikt verbirgt, der an die Frage nach Henne oder Ei erinnert: erschufen verrückte Götter die Welt der Menschen oder erschufen verrückte Menschen die Götter, um an irgendetwas zu glauben? Dieser interpretative Widerstreit ist der Auslöser der Handlung, denn der Hohepriester des Ordens der Geborene Damonen, Konig Furimmer (ich zucke schon wieder zusammen), will einen Gott nach seinen Vorstellungen erschaffen, um seine theologische Theorie zu beweisen und der Welt ein wenig Hoffnung zu schenken. Kein Wunder, schließt kriecht die Verzweiflung aus jeder Pore dieses Buches. Die Geisteskranken, die das Universum dominieren, leiden schrecklich unter ihren Wahnvorstellungen und den emotionalen Traumata, die sie auslösten. Nachvollziehbar, dass sie sich einen Gott wünschen, der alles in Ordnung bringt und ihnen zumindest Erlösung in Aussicht stellt. So überzeugend und originell diese Ausgangssituation auch ist, ich fühlte mich von Fletcher vollkommen alleingelassen. Ich konnte keine Bindung zu den Figuren entwickeln, denn sie sind alle völlig gestört und werden von abstoßender Verderbtheit angetrieben. Ich scheiterte an den Mauern ihrer Manien. Der Autor schubste mich in dieses Irrenhaus hinein, ohne mir zu helfen, mich zu orientieren. Daher fand ich nie richtig in die Geschichte und empfand die Lektüre als zäh, obwohl mich die Glaubwürdigkeit der Charakterisierungen beeindruckte und mich besonders das brillante Profil der Agentin Gehirn Schlechtes bewegte. Es war einfach zu viel Wahnsinn.

 

Ich kann nicht behaupten, dass ich an „Beyond Redemption“ viel Freude hatte. Ich bin mir nicht mal sicher, ob Spaß überhaupt das Ziel des Autors Michael R. Fletcher war. Seine Geschichte strotzt vor Negativität, wie soll man da Genuss empfinden? Dennoch ist der erste Band der „Manifest Delusions“ als Vertreter des Grimdark-Subgenres bemerkenswert, weil er gänzlich ohne fremde Völker, Magie im traditionellen Sinne oder eine weltumspannende Bedrohung auskommt. Jeder Aspekt der Geschichte fußt auf den Wahnvorstellungen der Figuren. Diese Konzeption ist zweifellos außergewöhnlich und einzigartig. Vermutlich habe ich deshalb beschlossen, dem zweiten Band „The Mirror’s Truth“ trotz meiner mäßigen Bewertung eine Chance zu geben. Ich bin neugierig, ich will wissen, wie es weiter geht. Hoffentlich ist der Wahnsinn dieses Universums nicht ansteckend.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/05/01/michael-r-fletcher-beyond-redemption
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review 2019-02-26 10:49
Banditen, Knarren und Macht über Metalle
Jäger der Macht - Brandon Sanderson

Die „Mistborn“-Reihe von Brandon Sanderson ist ein Mammutprojekt, das den Autor noch viele Jahre begleiten wird. Ursprünglich war es als Trilogie-Dreifaltigkeit geplant: es sollten drei Trilogien in unterschiedlichen Epochen erscheinen. Nach der ersten Trilogie entschied Sanderson allerdings, seinen Leser_innen den großen Zeitsprung mit einem Übergangsband zu erleichtern. Eine gute Idee, die sich verselbstständigte. Aus dem Einzelband „Jäger der Macht“ wurde die vierteilige Spin-Off-Reihe „Wax und Wayne“. Sie wird die zweite Trilogie jedoch nicht ersetzen. Es ist unklar, wann mit den nachfolgenden Dreiteilern zu rechnen ist. Ich empfinde „Wax und Wayne“ trotzdem als vollwertigen Bestandteil der „Mistborn“-Reihe und war neugierig, in „Jäger der Macht“ herauszufinden, wie sich die Welt der Nebelgeborenen nach 300 Jahren veränderte.

 

20 Jahre jagte Waxillium Ladrian Verbrecher im Rauland. Er war gut in dem, was er tat. Möglicherweise sogar der Beste, dank der seltenen Kombination seines ferrochemischen und allomantischen Talents. Doch nachdem seine Partnerin ermordet wurde, schwor Wax der Jagd nach Kriminellen ab und flüchtete vor seinen Erinnerungen nach Elantel, um dort die Geschäfte seiner Familie zu leiten. Nur wenige Monate nach seiner Ankunft regen sich erneut seine Ermittlerinstinkte. Die Stadt wird von einer spektakulären Verbrechenswelle in Angst und Schrecken versetzt. Könnte eine Verbindung zwischen den tollkühnen Zugüberfällen und den Entführungen reicher Töchter bestehen? Welchen Plan verfolgt die Allomanten-Räuberbande? Wax hatte gelobt, sich zur Ruhe zu setzen. Aber als er Besuch von seinem alten Freund Wayne erhält, der ihn um Hilfe bei seinen Nachforschungen bittet und er Opfer eines brutalen Mordanschlags wird, kann er nicht länger untätig bleiben. Elantel braucht ihn. Ein neuer Sheriff ist in der Stadt.

 

Ich verstehe, wieso „Jäger der Macht“ Brandon Sanderson dazu verleitete, nicht nur einen Einzelband, sondern eine gesamte Reihe zu schreiben. Die Interaktion von Magie und Technik ist faszinierend. Die metallischen Künste und Schusswaffen sind für einander geschaffen. Das klingt hart, ich weiß. Als ausgesprochene Waffengegnerin und überzeugte Pazifistin würde ich so einen Satz in der Realität niemals äußern. Doch im Kontext des „Mistborn“-Universums entspricht er einfach der Wahrheit. Die nostalgische Wild West – Romantik eines altmodischen Revolvers, dessen Kugeln mit Allomantie manipuliert werden, versprüht einen einzigartigen Charme. Ob Sanderson dieses Zusammenspiel plante, als er die Nebelgeborenen erschuf? Der Übergang in eine neue Ära ist ihm jedenfalls gelungen. 300 Jahre sind seit dem Kampf gegen Ruin vergangen und die Welt hat sich gewandelt. Sazeds Utopie verwirklichte sich leider nicht. Stattdessen entstand in einer Senke das Becken von Elantel, Zentrum der Zivilisation und Standort der Metropole Elantel, in der die Häuserstruktur der ersten Trilogie erhalten blieb und die offensichtlich nach Elant selbst benannt ist. Aufgrund solcher Anspielungen rate ich von einem Quereinstieg mit „Jäger der Macht“ ab. Außerhalb des Beckens ist die Kultiviertheit der Städte noch ein schöner Traum: direkt hinter einer Bergkette beginnt das Rauland, eine gesetzlose, archaische Ebene, in der nur wenige versuchen, Recht und Ordnung durchzusetzen. Assoziationen mit einer Wild West – Szenerie sind demzufolge nicht von der Hand zu weisen und meiner Meinung nach genau, was Sanderson mit „Jäger der Macht“ erreichen wollte, obwohl mich die Atmosphäre nicht gänzlich überzeugte. Ich erlebte kein buntes Kopfkino, trotz anschaulicher Handlungselemente wie maskierten Banditen und einer Verfolgungsjagd auf einem Zug. Der Protagonist Wax verbrachte als Gesetzeshüter 20 Jahre im Rauland, bevor er nach Elantel zurückkehrte, um den Tod seiner Partnerin zu vergessen und die Leitung seines Hauses zu übernehmen. Wax ist ein Zwillingsgeborener; er verfügt über ein allomantisches und ein ferrochemisches Talent. Wahre Nebelgeborene gibt es nicht mehr. Ich fand diese verwässerte Vermischung der Gaben realistisch und plausibel, denn sie erklärt, wieso Vin und Kelsier als Götter verehrt werden und sich um sie religiöse Konfessionen entwickelten, was mich zum Schmunzeln brachte. Das hätten die beiden wohl niemals erwartet. Wax ist ein typischer Held. Die Rechtschaffenheit kommt ihm quasi zu den Ohren raus, wodurch sein Verhalten vorhersehbar ist: komme, was wolle, Wax wird immer das Richtige tun und niemals fragwürdige Entscheidungen treffen. Er ist eine solide Hauptfigur und führt verlässlich durch die Geschichte, erschien mir aber zu langweilig. Ich mochte seinen Kumpel Wayne deutlich lieber, der herrlich unvernünftig und verrückt ist, ohne einen Hauch Bösartigkeit im Leib zu tragen. Gemeinsam ermitteln sie bezüglich einer Verbrechenswelle in Elantel, weshalb ich die Handlung von „Jäger der Macht“ als Krimi einstufe. Resultierend daraus ist der Spin-Off-Auftakt zügiger getaktet als die originale Trilogie. Das kam mir entgegen, doch der Funke ist noch nicht übergesprungen. Mit „Kinder des Nebels“ erging es mir allerdings ebenso. Erst die Folgebände holten mich ab. Also hoffe ich, dass dies wieder der Fall sein wird.

 

Ich glaube, dass ich mit Brandon Sanderson immer etwas Anlaufzeit brauchen werde. Seine einfach gestrickte, klassische Fantasy mit ihren unzweifelhaften Figurentypen ist für mich einfach etwas zu gradlinig und zu einseitig ausschattiert. Deshalb fand ich „Jäger der Macht“ zwar unterhaltsam, aber nicht überwältigend. Das heißt nicht, dass die Handlung keine Überraschungen bereithielte, doch von einer gerissenen Konstruktion kann nicht die Rede sein. Trotzdem mochte ich die an den Wilden Westen erinnernde Epoche dieses Bandes, weil sie hervorragend mit Allomantie und Ferrochemie harmoniert. Banditen, Knarren und Macht über Metalle – diese Kombination macht definitiv Spaß.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/02/26/brandon-sanderson-jaeger-der-macht
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review 2016-12-01 10:28
Ein Schatten bemächtigte sich meiner
Prince of Thorns - Mark Lawrence

Auf die Frage hin, welche Autor_innen Mark Lawrence inspirierten, seinen Debütroman „Prince of Thorns“ zu schreiben, antwortete er „A Clockwork Orange“ von Anthony Burgess. Hätte ich das gewusst, hätte ich vielleicht eher zu diesem Roman gegriffen, denn ich liebe die Geschichte des zum Gutmenschen konditionierten Alex. Hätte ich es gewusst, wären meine Erwartungen allerdings enttäuscht worden, weil die beiden Bücher letztendlich kaum etwas gemeinsam haben. Lediglich ihre Protagonisten sind sich sehr ähnlich: sowohl Alex als auch Jorg sind ultragewaltbereite, intelligente, einnehmende Figuren. Demzufolge war es vermutlich von Vorteil, dass ich erst im Nachhinein erfuhr, dass „Prince of Thorns“ ursprünglich als Hommage an Burgess‘ großen Roman gedacht war. So konnte ich mich der Lektüre unbelastet widmen.

 

Der Tod seiner Mutter und seines Bruders veränderten Jorg. Das Attentat, das eigentlich auch ihn beseitigen sollte, machte aus einem unschuldigen Kind den skrupellosen Kopf einer Räuberbande, die plündernd und mordend durch die Lande zieht. Aus Gier und Opportunismus halten sie ihm, einem 14-jährigen Burschen, die Treue. Vier Jahre ist es her, dass Jorg davonlief. Nun ist es Zeit, heimzukehren, an den Hof des Königs von Ancrath. Denn unter den Schichten aus Grausamkeit, Dreck und bitteren Erinnerungen ist Jorg niemand geringes als der Kronprinz des Reiches. Er ist fest entschlossen, seinen Anspruch auf den Thron durchzusetzen und seinen Vater dafür bluten zu lassen, dass er das Leben seiner Frau und seines Sohnes verscherbelte. Ebenso, wie er ihren Mörder für seine Tat bezahlen lassen wird. Von Rachedurst getrieben führt Jorg seine Bruderschaft Ausgestoßener in das Herz der Macht. Ein tödliches Netz aus Magie und Intrigen erwartet ihn. Doch Jorg weiß, wie das Spiel gespielt wird. Er weiß, wie man gewinnt. Und er will verdammt sein, wenn er mit 15 nicht bereits König ist!

 

„Prince of Thorns“ hat mir die Sprache verschlagen. Dieser Trilogieauftakt ist beklemmend düster, viel düsterer, als ich erwartet hatte. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, ein Schatten würde über den Seiten liegen, der mit Fortschreiten der Handlung immer dichter wurde und sich meiner bemächtigte. Sowas habe ich noch nie erlebt. Ich habe allerdings auch noch nie einen Protagonisten wie Jorg erlebt. Schon oft bekam ich es mit finsteren Antihelden zu tun, die es kaum auf eine nennenswerte positive Eigenschaft brachten (ja, ich schaue dich an, Ringil Eskiath), aber Jorg ist so… jung. 14 Jahre. Ich weiß, es klingt banal, doch seine Jugend bereitete mir wirklich Probleme, weil ich einfach nicht fassen konnte, dass jemand in diesem Alter so grausam, eiskalt und kompromisslos sein kann. Er ist doch fast noch ein Kind. Oder er sollte es sein. Da das Buch aus Jorgs Ich-Perspektive geschrieben ist, befand ich mich während der Lektüre unmittelbar in der Gedankenwelt des Prinzen – ich kann euch versichern, da ist nichts Kindliches. Gar nichts. Ich verstehe selbstverständlich, wie und warum Jorg so wurde wie er ist, denn Mark Lawrence erklärt seine Entwicklung nachvollziehbar durch eine hervorragende Mischung aus aktuellen Ereignissen und Rückblenden. Umso tragischer erscheint mir jedoch seine Figur. Der Tod seiner Mutter und seines Bruders zerfetzten alles Unschuldige in ihm innerhalb eines Wimpernschlags. Er wurde sehr schnell sehr radikal erwachsen und glaubt, alle zärtlichen Gefühle im Keim ersticken zu müssen, um nie wieder angreifbar und verletzlich zu sein. Jorgs Seele ist eine verbrannte, von Asche bedeckte Ödnis und das verheerende Feuer, das sie zerstörte, legte er selbst. Nichtsdestotrotz wird er von Schuld zerfressen. Tief in seinem Inneren glaubt Jorg noch immer, dass er seine Mutter und seinen Bruder hätte retten können. Er fühlt sich ohnmächtig und hilflos – um dieses Gefühl zu kompensieren, schlägt er um sich und versucht zu beweisen, dass er es an Brutalität und Skrupellosigkeit mit Männern aufnehmen kann, die doppelt so alt sind wie er. Ich denke, sein Plan, König zu werden, ist ebenfalls Ausdruck seines Bedürfnisses, als vollwertiger Erwachsener wahrgenommen zu werden. Er behauptet zwar, das zersplitterte Reich einen zu wollen, das der Trilogie ihren Namen gibt, aber so ganz nehme ich ihm das nicht ab. Trotz dessen zweifle ich nicht daran, dass es durchaus im Rahmen des Möglichen liegt, dass er dieses Ziel erreicht, denn was Jorg an Erfahrung und Weitblick fehlt, macht er durch pure Willensstärke, Intelligenz und unkonventionelles Denken wett. Ich habe gelernt, ihn niemals zu unterschätzen, weil er mich ein ums andere Mal überraschte.

 

Beim Lesen von „Prince of Thorns“ fesselte mich die Figur des Protagonisten dermaßen, dass ich kaum Zeit und Gelegenheit hatte, mich auf etwas Anderes als ihn zu konzentrieren. In den beiden Folgebänden werde ich hoffentlich die Möglichkeit haben, mich mit Mark Lawrences Universum vertraut zu machen. Ebenso hoffe ich, das vielfältige Magiesystem besser zu verstehen. Da liegt eine Menge Arbeit vor mir. Das schreckt mich jedoch nicht, im Gegenteil, ich freue mich darauf, all die Details der Trilogie „The Broken Empire“ zu erforschen und in einen größeren Zusammenhang zu bringen.
Ich fand „Prince of Thorns“ unbequem und faszinierend. Es ist ein düsteres, blutiges Buch, das eine giftige Atmosphäre von Zerstörung und Unsicherheit verströmt und einen zwielichtigen, grenzwertigen Protagonisten fokussiert. Ich weiß zwar noch nicht so recht, wie ich diesen Low Fantasy – Roman einordnen soll, weil ich mir nicht im Mindesten vorstellen kann, wohin Mark Lawrence eigentlich mit mir möchte, aber ich bin gewillt, es herauszufinden. Die Dunkelheit in Jorgs Seele übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf mich aus. Ich will ihn seine Schatten reiten sehen, diesen Prinzen der Dornen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/12/01/mark-lawrence-prince-of-thorns
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review 2016-11-17 10:47
Goldrausch im "First Law" - Universum
Blutklingen - Joe Abercrombie

Joe Abercrombie ist in sein „First Law“ – Universum zurückgekehrt. Im Januar 2017 wird die Anthologie „Schattenklingen“ bei uns veröffentlicht. Obwohl ich sonst kein Fan von Kurzgeschichten bin, kann ich es kaum erwarten. 13 neue Geschichten mit Glokta, Logen und all den anderen! Da es bis Januar ja nicht mehr allzu lang hin ist, wurde es höchste Zeit, dass ich mir den letzten der drei Einzelbände aus der „First Law“ – Welt vornehme. „Blutklingen“ stand auf der Speisekarte.

 

Scheu Süd war nicht immer ein guter Mensch. In ihrer Jugend lief sie von zu Hause fort und schloss sich einer Räuberbande an. Sie stahl. Sie tötete. Dankbar, dass diese dunklen Jahre der Gewalt weit zurückliegen, sorgt sie heute so gut sie kann für ihre kleinen Geschwister Ro und Pit und versucht, den Hof ihrer verstorbenen Mutter am Laufen zu halten. Keine einfache Aufgabe in Naheland. Unterstützt wird sie von dem alten Gully und Lamm, einem sensiblen Nordmann, der wohl so etwas wie ihr Stiefvater ist. Scheu kennt die Berichte über Goldfunde in Fernland. Idiotisch, wer glaubt, dort das Glück zu finden. Niemals würde sie ihre Verpflichtungen einfach hinschmeißen, um einem Traum nachzujagen. Doch als sie eines Tages gemeinsam mit Lamm aus der Stadt zurückkehrt, findet sie nichts als Asche vor. Ihr Hof wurde niedergebrannt, Gully ermordet und die Kinder verschleppt. Die Spuren deuten nach Fernland. Entschlossen, Ro und Pit zu finden, machen sich Scheu und Lamm auf die lange und gefährliche Reise. Bald muss Scheu einsehen, dass sie ihren Stiefvater weniger gut kennt, als sie dachte. Vielleicht ist sie nicht die einzige mit einer blutigen Vergangenheit.

 

Joe Abercrombie hat zu seiner alten Form zurückgefunden. „Blutklingen“ ist definitiv der beste der drei Einzelbände und knüpft qualitativ an die „First Law“ – Trilogie an. Während „Racheklingen“ und „Heldenklingen“ räumlich und inhaltlich begrenzte Geschichten erzählen, werden die Tore zu Abercrombies detailliertem Universum in „Blutklingen“ erneut weit aufgestoßen. Die Handlung setzt etwa 10 Jahre nach den Ereignissen in „Racheklingen“ an und beleuchtet einen Winkel der Welt, den die Leser_innen bisher nicht besuchen durften: die ungastlichen, gesetzlosen Regionen Naheland und Fernland. Seit in Fernland Gold gefunden wurde, setzte ein stetiger Zustrom von Glücksrittern und Verzweifelten ein, die hoffen, sich in der kargen Landschaft mithilfe einiger Nuggets ein neues Leben aufbauen zu können. Demzufolge ist „Blutklingen“ die High Fantasy – Version der Goldräusche in Nordamerika, eine Idee, die mich bereits grundsätzlich begeistert. Ich finde es großartig, dass Abercrombie reale Ereignisse der Geschichte in diesen Kontext überträgt und auf diese Weise spannende neue Perspektiven erkundet. Er arbeitet Naheland und Fernland überzeugend in die prekäre politische Situation zwischen der Union und dem Kaiserreich ein und verdeutlicht das Interesse beider Nationen an diesen Grenzlanden. Die Aura von Veränderung ist auf jeder Seite spürbar und unterstützt die bombastische, greifbare Atmosphäre. Er spielt mit der Frage, was Zivilisation eigentlich ausmacht: definiert sich Zivilisation über materielle Errungenschaften oder eher über das Verhalten der Menschen? Unwissenheit, Missverständnisse und Vorurteile schüren den Konflikt zwischen Siedlern und der indigenen Bevölkerung, führen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Ebenen und können den Fortschritt doch nicht aufhalten. Bedauerlicherweise ist das Kielwasser der Zivilisation stets blutig.
Die Protagonistin Scheu Süd kümmert sich wenig um Fortschritt und Zivilisation, ihr einziges Interesse gilt der Rettung ihrer Geschwister. Mir gefiel Scheu aufgrund ihrer Bodenständigkeit unglaublich gut. Sie ist eine harte junge Frau, deren Herz am rechten Fleck sitzt und die eine ansteckende Energie ausstrahlt. Ihre Vergangenheit desillusionierte sie, ließ sie misstrauisch und zynisch werden, aber sie bewahrte sich sowohl ihre Fähigkeit, zu lieben, als auch ihre Fähigkeit, Glück zu empfinden. Jede_r hat sein/ihr Päckchen zu tragen, eine Weisheit, die ebenso auf den Rechtsgelehrten Tempel und Scheus Stiefvater Lamm zutrifft. Während Tempel sein Wesen komplett umkrempelt, obwohl er viele Jahre für den berüchtigten Söldner Nicomo Cosca (ja, DER Cosca) arbeitete, wird Lamm im Verlauf ihrer Reise von seiner Vergangenheit eingeholt. Drei lebendige, realistische Figuren, die ganz verschiedene Antworten auf die Frage liefern, ob sich ein Mensch wirklich ändern kann. Mich faszinierte die Subtilität, mit der Joe Abercrombie dieses philosophische Thema in seine Geschichte integrierte. Ohne die Handlung zu beherrschen begleitet es die Leser_innen ununterbrochen, wie eine Unterströmung, die nur in entscheidenden Momenten zu Tage tritt. Abercrombie ist eben mehr als ein Chronist brutaler Gewalt und heftiger Kraftausdrücke, er verfügt über eine nachdenkliche, einfühlsame Seite. Dieser Facettenreichtum spiegelt sich in seinen Romanen wider und dafür liebe ich ihn.

 

„Blutklingen“ steigerte meine Vorfreude auf die Anthologie „Schattenklingen“ massiv. Es ist ein fantastischer High Fantasy – Roman voller Anspielungen auf die Realität und tiefen, abwechslungsreichen Charakteren. Das Setting erinnert an den Wilden Westen, die Handlung an die großen Goldräusche des 19. Jahrhunderts. Es vereint Härte, Action und Emotionalität auf unnachahmliche Weise. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen und bin überzeugt, dass Joe Abercrombie mit seinem „First Law“ – Universum noch längst nicht fertig ist. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass nach der Anthologie weitere Bücher aus dieser Welt folgen werden. Meine Intuition sagt mir, dass dort noch viele Geschichten schlummern, die erzählt werden wollen und ich bin sicher, Joe Abercrombie weiß das. Mr. Abercrombie, ich warte. Bitte strapazieren sie meine Geduld nicht übermäßig.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/11/17/joe-abercrombie-blutklingen
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