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review 2018-08-22 10:48
Auster mit Rasierklingen
No Dominion - Charlie Huston

Charlie Huston, Autor der „Joe Pitt“-Romane, wusste früh, dass er seinen vampyrischen Detektiv nicht auf ewig begleiten würde. Obwohl er mit dem Gedanken spielte, die Reihe ohne festgelegten Abschluss zu konzipieren, langweilte ihn die Idee bereits, bevor er mit dem Schreiben begonnen hatte. Nach dem zweiten Band „No Dominion“ beschloss er, dass „Joe Pitt“ überschaubare fünf Bände umfassen sollte. Dadurch musste er harte Entscheidungen für seinen Protagonisten treffen, intensivierte aber auch seine Schreiberfahrung. Mich motiviert die Aussicht auf einen Abschluss, die Reihe konsequenter als bisher zu verfolgen.

 

Eigentlich möchte Joe Pitt nur in Ruhe gelassen werden. Leider ist er als unabhängiger Vampyr in Manhattan gezwungen, Aufträge der konkurrierenden Clans anzunehmen, um seinen Geldbeutel und Blutvorrat aufzustocken. Seit dieser schmutzigen Geschichte mit der Kleinen erlebt Joe allerdings eine Durststrecke. Ihm gehen die Ideen aus, also wendet er sich an seinen alten Freund Terry, Anführer der Society. Terry bietet ihm einen dubiosen Job an. Es kursiert eine neue Droge. Dass es überhaupt einen Stoff gibt, der nicht sofort vom Vyrus aus dem System gespült wird, ist überraschend genug, doch dieses Zeug hat es in sich. Falsch dosiert verwandelt es Vampyre in rasende Berserker. Joe soll herausfinden, wer die Droge herstellt. Bemüht, schnell Antworten zu finden, stößt er bald auf eine Spur. Diese führt tief in die Hood, in das Territorium von DJ Grave Digga. Sieht so aus, als wäre diese Sache deutlich größer, als er angenommen hatte. Aber Joe wäre nicht Joe, würde ihn das davon abhalten, einigen Leuten kräftig auf die Füße zu treten…

 

Joe Pitt ist eine der krassesten Romanfiguren, die ich kenne. Obwohl es über vier Jahre her ist, dass ich den ersten Band „Stadt aus Blut“ (damals noch auf Deutsch) gelesen habe, rangiert er noch immer unter den Top 10. Man muss kein Genie sein, um zu begreifen, dass sich Joe als Antiheld qualifiziert, meiner Ansicht nach ist er jedoch ein ungewöhnlich extremes Exemplar. Charlie Huston versucht gar nicht erst, ihn als Sympathieträger zu verkaufen. Er poträtiert ihn als durchschnittlichen Typen, der von seinem gewalttätigen Umfeld geprägt ist und Konflikte diesem entsprechend löst. Mein Verhältnis zu Joe ist schwierig. Zwar habe ich eine Schwäche für ihn, weil er in meinen Augen der Inbegriff eines verlorenen Jungen ist, den ich gern retten würde, aber er ist auch schroff, destruktiv, abweisend und gibt trotz seiner Rolle als Ich-Erzähler wenig von sich preis. Er ist verschlossen wie eine Auster und mit Rasierklingen gespickt. Ich kam kaum an ihn heran. Er verströmt eine greifbare, einschüchternde Aura der Gewaltbereitschaft, die sich in einigen sehr brutalen Szenen in „No Dominion“ Bahn bricht und die die gesamte Handlung begleitet. Das Gewaltpotential der Geschichte brodelt permanent knapp unter der Oberfläche, was allerdings nicht ausschließlich Joe geschuldet ist. Die angespannte Situation der Clans dominiert das Buch. Im zweiten Band verdeutlicht Charlie Huston, wie sensibel das Patt zwischen ihnen ist; bereits eine Kleinigkeit reicht aus, um das prekäre Gleichgewicht zu stören. Das Auftauchen einer neuen Droge ist nun wahrlich keine Lappalie. Die Droge dient Charlie Huston als Gelegenheit, die Wirkungsweise des Vyrus näher zu beleuchten. Es handelt sich dabei um eine bemerkenswert ausgefuchste parasitäre Lebensform mit sehr spezifischem Verhalten. Es gefiel mir, dass Huston sich nicht auf der etablierten Faktenlage ausruht und seinen wissenschaftlich-pragmatischen Ansatz des Vampyrismus in „No Dominion“ weiterentwickelt, weshalb ich mich gezwungen sah, meine Genre-Zuordnung zu überdenken und die Reihe als Science-Fiction einzustufen. Auf der Suche nach den Verantwortlichen gerät Joe zwischen die Fronten der Clans, wird manipuliert, getäuscht, belogen und muss einsehen, dass er ihrem Netz nicht entkommen kann. Egal, wie sehr er sich anstrengt, als Vampyr in Manhattan kann er nicht unabhängig existieren. Die Clans lassen das nicht zu. Seine Nachforschungen führen ihn erneut in das Revier der Enklave, deren Anführer Daniel ein gesondertes Interesse an Joe hat. Es ist offensichtlich, dass sie eine spezielle Beziehung und eine gemeinsame Vergangenheit haben, aber natürlich offenbart Joe keine Details. Ich verstehe nicht, was zwischen ihnen läuft. Daniel glaubt, es sei Joes Bestimmung, als Teil der Enklave zu leben, zu fasten, das Vyrus nahezu auszuhungern und dadurch eine neue Bewusstseinsebene zu erreichen. Ich finde Daniels spirituelle Herangehensweise an das Vyrus faszinierend, weil sie Hustons rationalem Ansatz einen Hauch übernatürlicher Mystik verleiht. Ist das Vyrus vielleicht doch mehr als ein Parasit? Ist es ein Weg zur Erleuchtung?

 

„No Dominion“ ist kein typischer Vampirroman. Wer auf melancholische Romantik mit spitzen Zähnen, alabasterfarbener Haut und diesem unwiderstehlichen Kitzel der Gefahr hofft: Finger weg von diesem Buch. In der „Joe Pitt“-Reihe spielt Vampyrismus lediglich eine untergeordnete Rolle. Primär handelt sie von blutigen, hässlichen Gangrivalitäten, die das Leben des Protagonisten ungewollt verkomplizieren. Joe definiert sich nicht über seine Existenz als Vampyr. Dieser Typ, der er jetzt ist – der war er schon, bevor er sich infizierte. Durch das Vyrus wurden lediglich die Karten neu gemischt.
Ich mochte die kompromisslose Härte in „No Dominion“ und das komplexe Verhältnis der Clans, das jeder Zeit eskalieren könnte. Meiner Meinung nach muss sich Charlie Huston in den Folgebänden allerdings vorsehen, dass er seinen Protagonisten nicht allzu unnahbar präsentiert. Ich hatte während der Lektüre oft das Gefühl, dass Joe meine Anwesenheit nur widerwillig akzeptierte und deshalb kaum Persönliches preisgab. Diese Ablehnung darf nicht zu weit führen. Von mir aus kann Joe ein gewalttätiger Mistkerl bleiben – aber er darf Hustons Leser_innen nicht ausschließen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2018/08/22/charlie-huston-no-dominion
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review 2012-06-25 03:20
Die Enklave: Roman
Die Enklave - Ann Aguirre,Michael Pfingstl *Worum geht's?* Endlich ist es soweit. Da Mädchen15 lang genug überlebt hat und nicht wie viele andere Kinder vor ihrem großen Tag gestorben ist, darf sie am Ritual teilnehmen und einen Namen bekommen. Fortan ist Zwei, so ihr Name, eine Jägerin, die mit ihrem neu zugeteilten Partner Bleich außerhalb der sicheren Enklave in den U-Bahn-Tunneln New Yorks nach Nahrung suchen soll - und nebenbei ein paar Zombies erledigen muss! Durch ihre neue Position kommt Zwei jedoch Geheimnissen auf die Spur, die sie niemals hätte erfahren dürfen. Die Konsequenz: Sie wird aus der Enklave verbannt und muss an die Oberfläche, jenen Ort, der seit den apokalyptischen Ereignissen unbewohnbar geworden ist... Oder? Wider Erwarten entscheidet Bleich, Zwei zu begleiten, und zusammen machen sich die beiden auf zu einer Reise ohne Wiederkehr... *Kaufgrund:* "Die Enklave" von Ann Aguirre hat mich schon seit einiger Zeit immer wieder auf sich aufmerksam gemacht, aber erst jetzt habe ich mich dazu entschlossen, es tatsächlich zu lesen. Die apokalyptische Endzeitgeschichte klang einfach zu vielversprechend! *Meine Meinung:* Kaum hat man mit dem Lesen begonnen, breitet sich bereits ein mulmiges Gefühl in der eigenen Magengrube aus. Denn die Welt, die Ann Aguirre ihren Lesern bietet, hat nichts mit den perfekten, hoch modernisierten Großstädten zu tun, die man aus so manch anderer Dystopie kennt. "Die Enklave" beschäftigt sich mit einer postapokalyptischen Zukunft, in der das Leben an der Oberfläche der Erde angeblich nicht mehr möglich ist. Die Menschen sind in die Untergrundtunnel New Yorks geflohen und haben sich dort in Enklaven verschanzt, um ein halbwegs sicheres Leben zu führen. Jeder dort hat einen festen Platz in der Gemeinschaft und sorgt mit seiner Arbeit dafür, dass das Leben sicher und geregelt bleibt: Zeuger sorgen für den Nachwuchs, Schaffer fertigen verschiedene Güter an und Jäger suchen außerhalb der Enklave in den Tunneln nach Nahrung - und Freaks! So nennen die Bewohner der Enklave jene abscheuliche Wesen, die wie Zombies durch den Untergrund ziehen und ohne Erbarmen jeden töten, der ihnen über den Weg läuft. Bloß die Jäger verfügen über die nötigen Kenntnisse und Waffen, um die Freaks zu erlegen und von der Enklave fern zu halten. Zwei, die Protagonistin, ist eine von ihnen. Nach jahrelanger Ausbildung ist aus "Mädchen15" - aus "Kostengründen" werden Kinder nur mit Nummern gerufen - eine kämpferische junge Frau herangewachsen, die sich endlich einen eigenen Namen verdient hat. Ihr Ehrgeiz und ihr starker Wille haben sie durchs Leben gebracht, sie angespornt und angetrieben und schließlich ihr Ziel erreichen lassen: eine Jägerin zu werden, die in der Enklave angesehen wird und deren Wort ein Gewicht hat. Schon während ihrer ersten Aufträge als Jägerin muss sich Zwei jedoch bald eingestehen, dass ihre Vorstellungen nicht der Wahrheit entsprechen. Ausgerechnet ihr Partner, der befremdliche Bleich, ist es, der Zwei die Augen öffnet und das loyale Mädchen zum Nachdenken bewegt. Zwei ist knallhart, eigenständig und gibt niemals auf; sie ist eben eine echte Kämpfernatur, die trotz allem auch eine weiche, sensible Seite hat. Während des Abenteuers lässt sie ihr Enklaven-Ich hinter sich und findet immer mehr zu sich selbst - und man begleitet die sympathische Protagonistin gern dabei! Die Geschichte bleibt durchweg spannend und schafft es mit vielen "Spannungshighlights" die Leser an die Seiten des Romans zu fesseln. Im ersten Teil sind es vor allem die brutalen, blutigen Kämpfe mit den Freaks - ja, hier wird aufgeschlitzt und verstümmelt - und die Geheimnisse der Enklave, die für aufregende Lesestunden sorgen. Das dunkle, unbekannte Setting der U-Bahn-Tunnel unterstützt die mitreißende Atmosphäre enorm! Obwohl man sich nach einiger Zeit selbst dabei ertappt, dass man gerne auf der Suche nach Nervenkitzel durch den Untergrund streift, ist der Ortswechsel im zweiten Teil des Romans eine gelungene Abwechslung. Plötzlich befindet man sich im Licht, auf der Oberfläche der Erde. Man sollte meinen, dass uns diese Welt bekannter vorkommt, aber Ann Aguirre hat auch aus ihr eine pure Gefahrenquelle geschaffen, die Spannung bis zum Schluss verspricht. Zwei ist ein runder Charakter mitsamt Stärken und Schwächen und kann damit bei uns Lesern auf ganzer Linie punkten. Wer will schon einen Endzeitroman mit einer perfekten Prinzessin lesen? Aber nicht nur Zwei wächst einem in rasantem Tempo ans Herz, auch die übrigen Figuren können mit ihren sowohl guten, als auch bösen Persönlichkeiten überzeugen. In "Die Enklave" ist nicht immer ganz klar, wer Freund und wer Feind ist. Eine deutliche Abgrenzung ist überhaupt nicht möglich! Wer noch ein paar Kapitel zuvor ein tödlicher Feind gewesen war, wird überraschend zum engen Verbündeten. Besonders beeindruckt hat mich die Figur um Bleich, Zweis Partner in der Enklave. Durch seine verschlossene Art macht er bereits zu Beginn des Romans schnell auf sich aufmerksam, doch es vergeht viel Zeit, bis man ihn und seine Geschichte wirklich kennenlernen darf. Fluch und Segen zugleich: Ann Aguirre schreibt in "Die Enklave" leicht verständlich, simpel und unkompliziert. Da das Buch die Geschichte aus Zweis Sicht der Dinge erzählt, ist dieser monotone Schreibstil genau die richtige Wahl, um die Geschehnisse authentisch zu schildern. Zwei genoss schließlich keine Bildung, kann kaum lesen und kennt nicht einmal alle Wörter - woher auch? In der ohnehin rückständigen Enklave ist Wissen ein wertvolles Gut, das nur wenigen zur Verfügung steht, und Zwei ist bloß zum Kämpfen ausgebildet worden! Obwohl er die Geschichte lebensechter erscheinen lässt, ist der außergewöhnliche Schreibstil für die Leser nicht immer ein Grund zur Freude: ab und zu kommt es vor, dass man einen ganzen Absatz noch einmal lesen muss, um zu verstehen, was Zwei sagen wollte. Dies kann leider dafür sorgen, dass man aus dem sonst so angenehmen Lesefluss herausgeworfen wird. Eine große Frage bleibt während der Geschichte leider unbeantwortet: Wie ist die Welt zu dem geworden, was sie in "Die Enklave" ist? Welche fürchterlichen Ereignisse sind geschehen, die die Städte zerstört und die Menschen in den Untergrund getrieben haben? Wie sind die schrecklichen Wesen entstanden, die Zwei und Bleich als "Freaks" bezeichnen? Während des Romans liefert Aguirre bloß vage Antworten, mit denen nur recht wenig anfangen kann. Dafür beschreibt sie in ihrem Nachwort ausführlich, wie sie sich die Hintergründe ihres Romans vorgestellt hat. Ann Aguirre belegt ihre Ideen sogar mit wissenschaftlichen Artikeln, um zu beweisen, dass ihre apokalyptische Vorstellung nicht gänzlich aus der Luft gegriffen ist. Erschreckend und beeindruckend zugleich, macht das Nachwort "Die Enklave" zu einem Buch, das im Gedächtnis bleibt. *Cover:* Schlicht, und doch passend. Das Cover ist düster und stellt eine Szene dar, die im Buch tatsächlich vorkommt. Für meinen Geschmack ist das Cover jedoch nicht dunkel genug für dieses schaurige Buch - die erschreckende Atmosphäre des Romans kann es nicht widerspiegeln! *Fazit:* "Die Enklave" von Ann Aguirre ist ein grandioser Endzeitroman, der in jeglicher Hinsicht überzeugt! Sowohl die Geschichte als auch die einzelnen Charaktere wurden von der Autorin so hervorragend beschrieben, dass man sich nach dem ersten Kapitel nicht mehr von den Seiten des Romans lösen konnte. Für den grausigen Start einer vielversprechenden Reihe gibt es sehr gute 4 Sterne.
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