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review 2016-07-05 10:47
Ein Klassiker, der diese Bezeichnung wirklich verdient
To Kill a Mockingbird - Harper Lee

„To Kill a Mockingbird“ von Harper Lee ist vermutlich eines der Bücher, die am häufigsten in anderen Büchern erwähnt und zitiert werden. Besonders in der Young Adult – Literatur stolperte ich immer wieder über diesen Titel. Es kam, wie es kommen musste: ich wurde neugierig. Ich wusste, dass es sich dabei um einen modernen amerikanischen Klassiker handelt, der oft in Schulen besprochen wird. Ich wusste jedoch nicht, worum es darin überhaupt geht. Ich kaufte das Buch blind. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete und das gefiel mir. Ich fand es spannend, mich kopfüber in einen Klassiker zu stürzen, ohne durch äußere Einflüsse vorbelastet zu sein. Ich wagte das Abenteuer und nahm einfach an, dass ein Buch, das 1961 den Pulitzer-Preis gewann und niemals aus dem Druck verschwand, nicht allzu enttäuschend sein konnte.

 

Fragte man Scout Finch heute, wie es dazu kam, dass sich ihr vier Jahre älterer Bruder Jem kurz vor seinem 13. Geburtstag den Arm brach, würde sie ohne zu zögern antworten, dass die Ewells dafür verantwortlich waren. Jem hingegen ist überzeugt, dass es viel eher begann. Es begann mit ihrem Freund Dill und der fixen Idee, ihren zurückgezogen lebenden Nachbarn Boo Radley aus seinem Haus zu locken. Es begann mit den Stunden bei der sterbenden Mrs. Dubose, den Schlägereien auf dem Schulhof und dem tollwütigen Hund. Es begann mit den an ihren Vater Atticus gerichteten Beleidigungen, weil er Tom Robinson vor Gericht vertrat. Es begann, als die Einwohner_innen der Südstaatenkleinstadt Maycomb die Unschuld der Geschwister auf dem Altar der Tradition opferten. Es begann harmlos – und doch zwangen die Ereignisse Scout und Jem, erwachsen zu werden. Manchmal treffen auch gute Menschen schlechte Entscheidungen.

 

Wusstet ihr, dass „To Kill a Mockingbird“ erstaunlich selten Gegenstand literarischer Analysen seitens der Fachwelt ist? Wenn ich ehrlich bin, überrascht mich das nicht. Diesem Buch ist einfach nichts hinzuzufügen. Es ist alles gesagt. Die Geschichte steht für sich selbst, sie bedarf keiner Erklärungen. Ich verstehe voll und ganz, warum dieser Klassiker, der diese Bezeichnung übrigens wirklich verdient, regelmäßig als Schullektüre ausgewählt wird. Harper Lee verarbeitet anspruchsvolle Themen behutsam und nachvollziehbar, sodass sie auch von Kindern und Jugendlichen verstanden werden können. Sie schlüpft in Scouts Perspektive, schildert die Ereignisse als erwachsene Frau, die sich an ihre Kindheit in einem verschlafenen Südstaatennest Mitte der 1930er Jahre erinnert. Die Erzählweise ist durch eine großartige Mischung kindlicher Emotionalität und erwachsener, reflektierter Distanz geprägt. Diese Herangehensweise nimmt den dargestellten Rassen-, Klassen- und Geschlechterkonflikten die beklemmende Schwere.  Es ist leicht, sich in die 8-jährige Scout hineinzuversetzen und nachzuempfinden, wie sich der Horror einer Gerichtsverhandlung, die sie kaum versteht, langsam in ihr Leben schleicht, wächst, mutiert und alles vereinnahmt. Sie hat eine unnachahmliche Sicht auf die Dinge, die zwar kindlich, aber überraschend scharfsinnig ist und viel Raum für zwanglosen Witz und Ironie zulässt. Ihr Vater Atticus verleiht ihren Beobachtungen und Erkenntnissen über das Wesen der Menschen in Maycomb Gewicht und positioniert sie. Er ist der unumstrittene moralische Anker der Geschichte, der das rassistische, engstirnige Verhalten seiner Nachbarn ins richtige Verhältnis setzt. Als Humanist ist er stets bemüht, das Gesamtbild zu betrachten und sich nicht von der aufgepeitschten Stimmung in der Stadt beeinflussen zu lassen. Indem er seine Kinder auffordert, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und ein paar Schritte in ihren metaphorischen Schuhen zu gehen, bevor sie urteilen, erzieht er sie zu Toleranz, Verständnis und Mitgefühl. Er setzt keine unrealistischen Erwartungen in sie; er stört sich nicht daran, dass Scout nicht dem Frauenideal der Südstaaten entspricht und begleitet Jem aktiv auf seiner Reise vom Jungen zum Teenager. Ihm ist wichtig, dass sie zu anständigen Menschen heranreifen. Es ist unmöglich, keinen Respekt für Atticus zu empfinden, denn er beweist, dass man immer eine Wahl hat, sich nicht von einschnürenden Traditionen definieren lassen muss und primär dem eigenen Gewissen verpflichtet ist. Ich bewundere den selbstverständlichen Mut, mit dem er für seine Überzeugungen eintritt, obwohl er weiß, dass er nicht gewinnen kann und auf diese Weise (fast) die ganze Stadt gegen sich aufbringt. Er ist ein beeindruckendes Vorbild, weil er nicht den einfachen, sondern den richtigen Weg geht. Auf diesem Weg nimmt er Tochter und Sohn an die Hand, führt sie, leitet sie und versucht, so gut er kann, sie vor Schaden zu bewahren. Unglücklicherweise kann jedoch auch Atticus nicht verhindern, dass Tom Robinsons Fall Spuren auf ihren Seelen hinterlässt. Der Titel des Buches „To Kill a Mockingbird“ ist meiner Ansicht nach eine Metapher: sie steht für den Tod der Unschuld.

 

„To Kill a Mockingbird“ ist ein gut verständlicher Klassiker, der sich leicht liest und trotzdem eine deutliche Botschaft vermittelt. Mir gefiel das Buch sehr gut, weil es unaufdringlich und nicht zu bedeutungsschwer ernsthafte Themen anspricht, die bedauerlicherweise bis heute aktuell sind. Ich glaube nicht, dass man es unbedingt gelesen haben muss, doch ich finde durchaus, dass es sich um eine lohnens- und empfehlenswerte Leseerfahrung handelt und Harper Lee den Pulitzer-Preis zurecht gewann. Als Schullektüre ist es sicherlich hervorragend geeignet, denn es enthält einige außerordentlich starke Szenen und bringt Kindern bzw. Jugendlichen gesellschaftliche Problematiken wie Rassismus und Diskriminierung sorgsam näher. Ich bedauere ein wenig, dass es nicht auf dem Lehrplan meiner Schule stand. Der Mut der Finchs ist wahrhaft inspirierend und hätte mich bereits in jungen Jahren tief berührt.

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