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review 2022-07-29 20:06
Ein Wiedersehen nach 30 Jahren
Freundin bleibst du immer - Tomi Obaro

Funmi, Enitan und Zainab kennen sich seit Studienzeiten in Nigeria. Sie wurden trotz ihrer Verschiedenartigkeit Freundinnen. Nach der Universität verliefen sich ihre Lebenswege. Doch jetzt, 30 Jahre später, treffen die drei Frauen erstmals in Lagos wieder aufeinander. Der Anlass: Funmis Tochter Destiny heiratet… 



„Freundin bleibst du immer“ ist der Debütroman von Tomi Obaro.

 

Meine Meinung:
Der Roman beginnt mit einem kurzen Epilog. Danach gliedert sich die Geschichte in drei Teile und 31 Kapitel. Der erste und der letzte Teil spielen im Dezember 2015, der Mittelteil in den 1980er-Jahren. Die Orientierung innerhalb der Geschichte fällt leicht. Dieser Aufbau gefällt mir gut.

 

Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, aus der Sicht von Funmi, Enitan und Zainab. Der Schreibstil ist schnörkellos, aber anschaulich und eindringlich. Authentisch wirkt der Roman in sprachlicher Hinsicht durch die nigerianischen Einstreuungen. Beim Verständnis hilft das angefügte Glossar.

 

Die drei Protagonistinnen sind interessante Charaktere. Ich mochte ihre unterschiedlichen Eigenschaften und habe ihre Schicksale gerne verfolgt.

 

Erhofft hatte ich mir Einblicke in das kulturelle und gesellschaftliche Leben Nigerias. Dieser Erwartung wird der Roman mehr als gerecht. Auch politische, historische und religiöse Aspekte machen die Lektüre facettenreich und sorgen für Tiefgang. Leider wird das Thema Freundschaft nicht ausreichend herausgearbeitet.

 

Auf den rund 300 Seiten entfaltet sich eine gleichsam bewegende wie überraschende Geschichte. Der Roman hat nur wenig Längen und bietet einen hohen Unterhaltungswert.

 

Der amerikanische Originaltitel („Dele Weds Destiny“) ist durchaus kreativer und konkreter als die sehr freie, beliebig klingende deutsche Übersetzung. Das hübsche Cover der Erstausgabe wurde erfreulicherweise übernommen.

 

Mein Fazit:
Mit „Freundin bleibst du immer“ ist Tomi Obaro ein lesenswertes Debüt gelungen. Ein Roman mit vielen Stärken und nur kleineren Schwächen.

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review 2019-05-22 09:48
Schönheit als Allheilmittel
Uglies - Scott Westerfeld

Ich habe einen interessanten Zeitpunkt gewählt, um „Uglies“ von Scott Westerfeld zu lesen. Das Buch ist mittlerweile 14 Jahre alt und Auftakt der gleichnamigen „Uglies“-Tetralogie. Es lag recht lange auf meinem SuB, etwa dreieinhalb Jahre, weil meine Begeisterung für Young Adult – Dystopien seit dem Kauf deutlich abflaute. Als ich es im Februar 2019 aus dem Regal holte, folgte ich einer spontanen Eingebung meines Bauches. Das Timing hätte nicht besser sein können, denn während meiner Recherchen zum Autor fand ich heraus, dass Westerfeld im September 2018 begann, eine neue Tetralogie namens „Impostors“ im „Uglies“-Universum zu veröffentlichen, die bis 2021 vollständig erscheinen soll. Wir werden sehen, ob er mich so lange bei der Stange halten kann. Mit „Uglies“ erlebte ich auf jeden Fall einen vielversprechenden Start.

 

Alle Menschen wollen schön sein. Die beinahe 16-jährige Tally ist da keine Ausnahme. Nur noch ein paar Wochen trennen sie von ihrem neuen Gesicht und ihrem neuen Ich. Schluss mit ihrem Dasein als Ugly! Sie wird eine Pretty sein, in New Pretty Town leben und nur noch Spaß haben. Es ist so großzügig von der Regierung, allen Einwohner_innen zu ihrem 16. Geburtstag eine umfangreiche Schönheitsoperation zu schenken! Ist es doch – oder nicht? Tallys Freundin Shay hat Bedenken, denn der Eingriff ist keineswegs freiwillig. Kurz vor ihrer OP läuft sie davon, um in der Wildnis zu leben und bringt Tally damit in ernste Schwierigkeiten. Die Regierung stellt sie vor die Wahl: entweder, sie findet Shay und verrät ihre Freundin oder sie wird niemals operiert werden. Tally muss sich entscheiden. Wird sie Shay opfern, um pretty zu sein?

 

Ich hatte vor der Lektüre zurückhaltende Erwartungen an „Uglies“. Nur eine weitere Young Adult – Dystopie, nichts Besonderes, glaubte ich. Ich rechnete nicht damit, das Buch zu genießen und war darauf vorbereitet, häufig die Augen zu verdrehen. Deshalb freue ich mich, berichten zu können, dass mich „Uglies“ überraschend gut unterhielt und ich die Botschaft, die Scott Westerfeld vermittelt, sehr wichtig finde. Wie ihr euch sicher anhand der Inhaltsangabe denken könnt, behandelt die Tetralogie das Konzept von Schönheit. Die Geschichte spielt in einer undefinierten Zukunft, vermutlich mehrere Jahrhunderte nach unserer Gegenwart, nachdem eine fatale Katastrophe die Menschheit beinahe auslöschte. Was genau geschehen ist, lässt Westerfeld offen, er deutet allerdings an, dass umweltschädliches, ressourcenverschwendendes Verhalten verantwortlich war, wodurch „Uglies“ gerade jetzt hochaktuell ist. Einige Vertreter_innen der menschlichen Spezies überlebten und gründeten eine Gesellschaft, die die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden versucht und nach Regeln funktioniert, die auf mich skurril und repressiv wirkten. Alle Menschen müssen sich anlässlich ihres 16. Geburtstags einer drastischen Operation unterziehen, die ihr Äußeres perfektioniert. Wir sprechen hier nicht über eine kleine Nasenkorrektur, nein, es handelt sich um weitreichende Anpassungen, die den kompletten Körper betreffen. Alle Makel werden beseitigt – was als Makel gilt, obliegt der Regierung. Die Operation dient nicht nur als physische Optimierung, sie ist ebenso ein Initiationsritus, der den Übergang vom Kind zum Erwachsenen markiert. Aus heranwachsenden, durchschnittlichen Uglies werden bildschöne Pretties, die als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft nach New Pretty Town umziehen. Der gesamte Prozess wird als erstrebenswert propagiert und auch die Protagonistin Tally sehnt sich danach, eine Pretty zu werden. Wozu das Ganze? Offiziell liegt die Annahme zugrunde, dass staatlich verordnete äußerliche Perfektion ein friedliches Zusammenleben garantiert, weil Intoleranz, Diskriminierung und Neid beseitigt werden, wenn alle gleich schön sind. Ein bisschen wie der Effekt, den man Schuluniformen zurechnet. Somit gilt Schönheit als Allheilmittel gegen die Konflikte der Menschheit. Ich sehe darin eine sehr interessante Theorie, die sich zu diskutieren lohnt. Könnte da etwas dran sein? In der Realität von „Uglies“ ist dieses Gedankenspiel natürlich nicht mehr als eine Illusion, die die wahren, perfiden Absichten der Regierung verschleiern soll, was die burschikose, unkomplizierte und sympathische Hauptfigur Tally im Verlauf der Handlung unsanft herausfindet. Obwohl diese einige Logiklöcher aufweist, fühlte ich mich in meinem Lesespaß nicht gestört. Das Buch las sich leicht und angenehm; ich stolperte nicht über Aspekte, die nicht völlig plausibel waren, weil ich die Aussagen, die Scott Westerfeld über Schönheit, Oberflächlichkeit und Individualität trifft, als wesentlich relevanter empfand als die inhaltlichen Entwicklungen. Er geht dabei nicht subtil vor. Im Grunde könnte seine Intention auch in roten Leuchtlettern auf dem Cover stehen, so offensichtlich ist sie. Da wir jedoch über einen Roman für Jugendliche sprechen, finde ich seine Direktheit nicht zu aufdringlich und sogar angemessen. Geht es um Body Positivity, kann man gar nicht explizit genug werden.

 

„Uglies“ treibt unsere gesellschaftliche Obsession bezüglich Schönheit auf die Spitze und überraschte mich mit der äußerst konkreten, eindeutigen Botschaft, die der Autor Scott Westerfeld präsentiert. Der Tetralogieauftakt lässt wenig Interpretationsspielraum, den es in diesem Kontext meiner Ansicht nach allerdings auch nicht braucht, weil Westerfeld die Handlung und das Design seiner Dystopie seinem thematischen Schwerpunkt unterordnet. Jede Facette der Geschichte dient dazu, Kritik an übertriebenem Schönheitskult zu üben und dessen Gefahren zu betonen. Das Buch ist aufgrund seiner Unzweideutigkeit lesenswert. Die zielgerichtete Gradlinigkeit von Westerfelds Herangehensweise imponierte mir und überzeugte mich, den Folgebänden eine Chance zu geben. Manchmal ist die Absicht einer Geschichte eben doch essenzieller als ihr Inhalt.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/05/22/scott-westerfeld-uglies
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review 2019-04-02 10:23
Lebe in vollen Zügen - als bestmögliche Version deiner selbst
Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie - Lauren Oliver,Katharina Diestelmeier

„Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ von Lauren Oliver begründete meine Liebe zu Young Adult – Literatur. Ich stolperte über diesen Roman, als ich gerade begann, meine Bibliothek zu organisieren, zu strukturieren und hemmungslos zu erweitern. Bücher spielten in meinem Leben immer eine Rolle, doch erst in dieser Phase fing ich an, mich wirklich für Literatur zu interessieren und mir eigenständig – ohne den Einfluss meiner Eltern – eine Sammlung aufzubauen. „Wenn du stirbst“ hatte erheblichen Anteil daran, dass ich Lesen als ernstzunehmendes Hobby begriff und war ein Meilenstein auf der niemals endenden Erforschung meines Literaturgeschmacks. Als ich im November 2018 für eine Challenge ein Buch lesen sollte, in der eine Figur denselben Tag wieder und wieder erlebt, beschloss ich daher, diese Aufgabe mit einem Reread dieses für mich sehr wichtigen Buches zu erfüllen.

 

Samantha Kingston starb am Abend des 12. Februars in einem Autounfall, der auch ihre drei besten Freundinnen Lindsay, Elody und Ally das Leben kostete. Deshalb ist Sam mehr als überrascht, als sie am nächsten Morgen einfach wieder in ihrem Bett aufwacht, als wäre nichts geschehen. War der Unfall ein Traum? Sam ist erleichtert und dankbar, am Leben zu sein, doch schon bald fallen ihr beunruhigend viele Parallelen auf. Es ist nicht morgen. Es ist exakt derselbe Tag, der 12. Februar. Wieder und wieder durchlebt Sam den Tag, an dem sie starb. Nichts ändert sich – nur sie selbst. Tief in ihrem Inneren weiß Sam, dass sie noch nicht bereit ist, zu gehen. Sie hat noch etwas zu erledigen. Ein Unrecht zu begleichen. Erst dann wird sie weiterziehen und Frieden finden können.

 

„Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ ist meiner Meinung nach noch immer ein absolut perfekter Young Adult – Roman. Es freut mich sehr, dieses Urteil fällen zu können, da ein Reread ja stets ein gewisses Risiko birgt. Einige Jahre nach der ersten atemberaubenden Lektüre nahm ich das Buch nun natürlich anders wahr – schließlich bin ich selbst gealtert und hoffentlich etwas gereift – doch ich empfand meine persönliche Weiterentwicklung nicht als hinderlich, sondern als Gewinn, obwohl ich jetzt noch weniger zur Zielgruppe zähle. Damals fand ich „Wenn du stirbst“ einfach nur großartig, bewegend und fesselnd. Heute bin ich in der Lage, zu analysieren, warum es ein hervorragendes Mysterydrama der Jugendliteratur ist. Das Buch bietet eine unglaubliche Bandbreite an Identifikationsmöglichkeiten, Emotionen und Themen, die vor allem für eine junge Leserschaft relevant sind, aber auch Erwachsene berühren können. Die intensive Mischung aus Mystik, Philosophie und selbstironischer Melancholie transportiert die Botschaft mühelos: jede Tat hat Konsequenzen und zieht Kreise, die nicht immer vorhersehbar oder überschaubar sind. Die Protagonistin Samantha und ihre drei besten Freundinnen Lindsay, Elody und Ally bilden eine Clique beliebter Mädchen, die vermutlich in jeder US-amerikanischen High-School zu finden ist. Sie genießen ihre Popularität, nutzen sie aus und finden es völlig normal, ihren Mitschüler_innen grausame Streiche zu spielen. Ihnen ist nicht klar, wie verletzend sie sich verhalten. Sie sind sich der fatalen Auswirkungen ihres Benehmens nicht bewusst. Das heißt jedoch nicht, dass in ihren eigenen Leben permanent eitel Sonnenschein herrschen würde. Sie alle haben ihr Päckchen zu tragen, was ich aus Sams Ich-Perspektive unmittelbar erfuhr. Obwohl sie nicht immer die besten Entscheidungen trifft, empfand ich eine intime Bindung zu ihr und verstand sie in jeder Sekunde. Darin besteht die Stärke der Autorin Lauren Oliver: es gelingt ihr, jugendliche Persönlichkeiten realistisch und facettenreich abzubilden, wodurch jede ihrer Handlungen nachvollziehbar ist. Das mehrmalige Erleben desselben Tages erlaubt Sam, hinter die Fassade der Menschen in ihrem Umfeld zu blicken, die sie bisher lediglich durch ihren persönlichen Filter sah. Sie lernt, wie begrenzt ihr Wahrnehmungsspektrum war und wie sehr unsere Leben miteinander verknüpft sind. Lauren Oliver holt aus der speziellen Struktur ihrer Geschichte das Maximum heraus. Die Ausgangssituation des 12. Februars ist immer gleich; Sam verändert lediglich Details und provoziert somit eine Vielfalt unterschiedlicher Reaktionen. Dadurch lernte ich alle Charaktere sehr umfassend kennen. Für mich ist Sam eine Heldin, die über sich hinauswächst und ihren Horizont im Alleingang erweitert, weil außer ihr niemand weiß, was los ist. Ihr Mut, sich dem Unangenehmen zu stellen und sich selbst zu reflektieren, ihr Wille, zu kämpfen und ihre Situation in die eigene Hand zu nehmen, beeindruckte mich zutiefst. Sie hätte ebenso gut weglaufen oder gar nichts verändern können – stattdessen versucht sie wirklich alles, um die Lage zu bessern. Erst für sich, dann für andere. Ich bewundere sie. Ihr Tod lässt Sam begreifen, wie wertvoll das Leben ist. Jedes Leben.

 

Meiner Ansicht nach ist „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ der schriftgewordene Beweis, dass Young Adult – Literatur nicht schal oder oberflächlich sein muss. Ich gebe zu, dass die Lektion, die Lauren Oliver ihre Protagonistin Sam lehrt, etwas vorhersehbar ist. Dennoch finde ich, dass die Autorin Sams Reise zur Erkenntnis originell, ergreifend und inspirierend gestaltete. Es ist eine wahrhaft ungewöhnliche Coming-of-Age-Geschichte, die die Probleme von Teenagern ernstnimmt und diese ohne idealistische Verklärung schildert. Der Tod ändert einfach alles. Er verschiebt Prioritäten, Wahrnehmung und stellt das Gewissen auf eine harte Probe. Möchtest du, dass auf deiner Beerdigung über dich als egoistische, gewissenlose Person gesprochen wird? Nein. Natürlich nicht. Deshalb finde ich die Botschaft, die Lauren Oliver vermittelt, so wichtig: lebe in vollen Zügen – als bestmögliche Version deiner selbst.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/04/02/lauren-oliver-wenn-du-stirbst-zieht-dein-ganzes-leben-an-dir-vorbei-sagen-sie
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review 2019-03-03 07:55
Mittelmäßig genialer Roman kaum mit genialen Freundinnen sondern eher mit dummen Teenager-Gänsen
Meine geniale Freundin: Band 1 der Neapolitanischen Saga (Kindheit und Jugend) - Elena Ferrante,Karin Krieger

Tja ich muss Euch gestehen, dass ich von Band 1 dieser Neapolitanischen Saga nicht ganz so begeistert war wie die meisten von Euch.

 

Versteht mich nicht falsch, ich erkenne die positive Richtung und weiß (zumindest glaube ich zu wissen) wohin der Roman tendieren soll, aber ich finde eben der erste Teil dieser Lebensgeschichte weist erhebliche Schwächen auf. Ich frage mich gerade, ob er meiner Meinung nach überhaupt so viel hergibt, um als eigenständiger Band der Biografie eine Existenzberechtigung zu haben, oder einfach als Vorgeschichte in den anderen Teilen hätte aufgehen sollen.

 

Dabei geht es mir nicht um die vermeintliche Handlungsarmut des Plots prinzipiell. In einer Lebensbiografie darf meiner Meinung auch auch mal eine Weile nichts Außergewöhnliches passieren und ich mochte diese gemächliche Beschreibung der geistigen Entwicklung und der Konkurrenz unter den Mädchen sehr. Mir geht es aber um die Tiefe der angesprochenen Emotionen und Themen. Anstatt als übergeordnete Autoreninstanz auch mal über Familien, Gewalt und das Armenghetto in Neapel ein bisschen intensiver zu reflektieren, wenn auch aus kindlicher Sicht (indirekte Andeutungen gab es ja genug) drehen sich zwei Drittel der Gedanken der Mädchen um die Frage, wer in wen verliebt ist, wer manipuliert werden kann etc. Dieser Ringelpietz mit Anfassen aller weiblichen Figuren ist so oberflächlich und widerlich. Fast könnte man meinen, der Roman hieße die Bachelorettes, gleich einem Gäseblümchen werden die Blüten ausgerissen "X liebt Y, Z liebt Y nicht, oder doch? Mir ist schon klar, dass es auch solche amurösen Gedanken in der Jugend gibt, aber wenn man dem Ghetto entkommen möchte, und auch noch begabt bis hochbegabt sein soll, macht man sich auf jeden Fall in seinem Leben nicht hauptsächlich und vorwiegend Gedanken darüber, pubertierende testosteronabsondernde Burschen möglichst effizient zu manipulieren. Das wäre eine derartig unnütze Zeitverschwendung, deren ich intelligente Menschen, auch wenn sie sehr jung sind, für nicht würdig erachte.

 

Vor allem ist man zudem auch in ganz jungen Jahren schon durchaus im Stande, die vorherrschende Gewalt zu reflektieren und darunter zu leiden. Was sollen diese in Mikrodosen eingeworfenen lapidaren Anspielungen im Vergleicht zum raumgreifenden lebensgreifenden verliebten nutzlosen Geschwätz? Sehr unrealistisch! Ich weiß wirklich wovon ich spreche, bin ich doch in noch viel prekäreren familiären Verhältnissen aufgewachsen als die Protagonisten und habe es aus dem Glasscherbenviertel bis auf die Universität geschafft. Wobei möglicherweise hatte ich Glück und wurde auf Grund meiner Begabung, in eine streng katholische sehr leistungsorientierte Mädchenschule gesteckt. Für uns waren Gespäche über Burschen zwar auch wichtig, aber sie bestimmten nicht derart unser Leben, unser Denken und unsere Entwicklung.

 

 

Einzig und allein die so grausam und bösartig skizzierte schielende, hinkende, peinliche, dumme, böse Mutter von Linu (Elena Greco) hat einen Funken von Realismus und Verstand in ihrem Schädel und versucht die richtigen Dinge in für ihre Tochter in die Wege zu leiten. Auch wenn sie anfangs ob der Armut und weil sie nicht weiß, wie sie das Geld zusammenkratzen soll, gegen die weiterführende Schule ist, unterstützt sie ihre Tochter dann immer wieder sehr verbissen in ihrem Weg, oft gegen die Meinung ihres Mannes und auch oft selbst gegen die Unvernunft ihrer Tochter, ihr Leben einfach aus lauter Dummheit und Übermut gegen die Wand zu fahren. Denn Elena hat nicht 1000 Chancen wie viele andere reiche Kids sondern wahrscheinlich immer nur eine, um sich Schritt für Schritt weiterzuentwickeln.

 

Einen weiteren gravierenden Kritikpunkt muss ich auf der stilistischen Seite anbringen. Die Autorin schmeißt in dem ganzen Ringelspiel der Verliebtheit zusätzlich bei der Beschreibung des neapolitanischen Stadtteils Rione auch inflationär, verwirrend und sehr unstrukturiert für die Geschichte zum Erwähnungszeitpunkt unzählige unnötige Verwandte und noch irrelevante Kinder der Hauptfamilien in den Plot. Das ist wie bei einem Wimmelbild aus Rione oder wie bei Gabriel Garcias Amazonasgewimmel 100 Jahre Einsamkeit. Einige der Figuren haben auch noch Spitznamen, die dann auch noch abwechselnd eingestreut werden und zusätzlich für Chaos sorgen. Das muss nicht sein! Können die Figuren bitte eingeführt werden, wenn sie gebraucht werden - das geht handwerklich besser und viel übersichtlicher ohne ein Jota am Plot zu verändern.

 

Warum ich mir aber sicher bin, dass die Geschichte im zweiten und dritten Teil besser wird, dafür sorgt der geniale Einstieg in den Roman. Die 66-jährige Lila, die im Buchtitel angesprochene geniale Freundin, haut aus ihrem Leben ab, verschwindet und tilgt sich selbst zuvor und alle Erinnerungen an sich. Kein Schnipsel, kein Ding bleibt in ihrer Wohnung, aus den Fotos hat sie sich herausgeschnitten. Der längst erwachsene, mehr als 30jährige Versagerstubenhocker, genannt Sohn, ist fassungslos. Das ist eine Bombenidee seinen Roman so zu beginnen und macht dem Leser Lust auf das Ende der Geschichte in Band 3.

 

Weiters habe ich nun hoffentlich jede auch noch so irrelevante Person des Stadtteils kennengelernt, hab eine ungefähre Ahnung der verwandtschaftlichen, freundschaftlichen und feindschaftlichen Struktur des Viertels und es bleibt zu wünschen, dass ich in einem weiteren Entwicklungschritt im Gymnasium nicht nochmals 1000 neue, für die Geschichte total unwesentliche Leute kennenlernen muss.

 

Fazit: Ganz Ok, aber nicht sehr gut sondern mit einigen gravierenden Schwächen behaftet. Ich hoffe und erwarte, dass die Saga irgendwann einmal auch wirklich so gut wird, wie es von vielen begeistert angekündigt wurde. Da ist also noch VIIIEEEL Luft nach oben.

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review 2017-11-29 10:20
Die Zukunft ist eine Sardinenbüchse
Future - Dmitry Glukhovsky

Dmitry Glukhovsky ist für mich kein Unbekannter. Der Lieblingsmensch ist ein enthusiastischer Fan der „Metro“-Reihe, bisher steckte mich seine Begeisterung jedoch nicht an. Ich schleiche schon lange um „Metro“ herum, konnte mich aber noch nicht zur Lektüre überreden. Als meine Mutter mir mitteilte, dass Glukhovsky einen dystopischen Einzelband veröffentlicht hatte, ergriff ich meine Chance. Ich beschloss, den russischen Autor durch „Futu.Re“ erst einmal kennenzulernen, bevor ich es mit „Metro“ versuchte. Ein sanfter Einstieg erschien mir erfolgsversprechender.

 

In der Zukunft wurde das Altern bezwungen, abgeschafft, aus der Gesellschaft getilgt. In der megalomanen Metropole Europa wird jeder Mensch mit dem Recht auf Unsterblichkeit geboren. Um die Überbevölkerung unter Kontrolle zu halten, unterliegt die Fortpflanzung strenger Richtlinien. Das Gesetz über die Wahl fordert für das Leben des Kindes das Leben eines Elternteils. Illegale Schwangerschaften und Geburten sind keine Seltenheit. Jan Nachtigalls Aufgabe besteht darin, diese Verbrecher aufzuspüren und das Gesetz zu vollstrecken. Er ist stolz auf seinen Beruf. Wenn diese Systemgefährder keine Verantwortung für ihre Zügellosigkeit übernehmen wollen, muss er es eben tun. Eines Tages wird ihm von einem einflussreichen Senator ein Spezialauftrag übertragen, der seine Karriere entscheidend vorantreiben könnte. Er soll einen bekannten Terroristen und dessen schwangere Freundin ausschalten. Doch während des Einsatzes kommt alles anders als geplant und plötzlich findet sich Jan in der Gesellschaft der jungen Frau wieder, die er umbringen sollte. Sie stürzt sein Leben ins Chaos, stellt alles infrage, wofür er steht und weckt in ihm tiefe Zweifel: ist die Menschheit für die Unsterblichkeit geschaffen?

 

Okay, das lief nicht wie erwartet. Ich möchte nicht behaupten, dass mein Versuch einer Annäherung an Dmitry Glukhovsky durch „Futu.Re“ vollkommen in die Hose ging, aber als erfolgreich kann ich dieses Experiment ebenfalls nicht bezeichnen. Ich fühle mich genauso schlau wie vorher. Meine Motivation, die „Metro“-Trilogie zu lesen, ist noch immer überschaubar. Tatsächlich verunsicherte mich „Futu.Re“ zusätzlich. Wäre das Buch einfach schlecht, hätte ich keinerlei Hemmungen, Dmitry Glukhovsky in das Nirvana der enttäuschenden Autor_innen zu verbannen. Dummerweise sind lediglich einige Aspekte fragwürdig – andere dafür jedoch hervorragend. Ich bin zwiegespalten.
Das Design der Dystopie beeindruckte mich nachhaltig. Glukhovskys beängstigend vorstellbare Zukunftsvision stützt sich auf zwei korrelative Säulen: der Sieg der Wissenschaft über das Altern und die daraus resultierende Überbevölkerung der Erde, die ihrerseits verschiedene Modelle zur Populationskontrolle (z.B. das Gesetz über die Wahl) erzwang und eine unermesslich erweiterte und verdichtete Besiedlung des Planeten zur Folge hatte. Die Weite der Welt ist passé. Die Zukunft ist eine Sardinenbüchse, die Menschen stapeln sich buchstäblich. Die klaustrophobische Atmosphäre übertrug sich intensiv auf mich. Ich fühlte mich körperlich unwohl, erdrückt, eine Empfindung, die durch die dargestellte Sinn- und Ziellosigkeit der menschlichen Existenz verstärkt wurde. Niemand wird mehr von der eigenen Sterblichkeit gejagt; es fehlt die Triebfeder, die heute fieberhafte Forschung und den Wunsch, die Welt für die nächste Generation zu verbessern, befeuert. Wer denkt an die nächste Generation, wenn man ewig leben kann? Die einzige Ausnahme in diesem Sumpf der völligen Abgestumpftheit sind die wenigen Menschen, die das Funktionieren des Systems gewährleisten, obwohl der Protagonist Jan Nachtigall belegt, dass auch diese berufliche Befriedigung oberflächlich ist und keinen wahren Lebenssinn stiftet. Für mich ist Jan der Übeltäter, der eine durchgehend positive Leseerfahrung mit „Futu.Re“ verhinderte. Dmitry Glukhovsky entschied sich für die Ich-Perspektive, ergo befand ich mich während der gesamten Lektüre in Jans Kopf – ein Ort, an dem ich keinesfalls sein wollte. Während der ersten Hälfte des Buches konnte ich mich überhaupt nicht mit ihm arrangieren, fand ihn aggressiv, hasserfüllt und gewaltbereit; ein von Komplexen gequälter Junge im Körper eines Mannes mit minimaler Frustrationsgrenze. Rückblenden in Form von unrealistisch strukturierten Träumen sollten seine Persönlichkeit erklären und rechtfertigen, doch ich konnte trotzdem nur wenig Verständnis für ihn aufbringen. In der zweiten Hälfte ertrug ich ihn besser, da Jan eine berechenbare und durch die gekünstelte Handlung unausweichliche Wandlung durchlebt, aber beste Freunde konnten wir nicht mehr werden. Glukhovsky nahm mir die Möglichkeit, mich von Jan zu distanzieren und mich an anderen Figuren zu orientieren, weil es neben ihm keine nennenswerten Handlungsträger_innen gibt. Eingesperrt in den Gedanken eines misogynen Schlägers hatte ich kaum Freude an der Lektüre und musste mich voll auf die Dystopie konzentrieren, um durchzuhalten.

 

Ohne die logische, realitätsnahe und atmosphärische Dystopie würde „Futu.Re“ auf meinem Stapel der durchgefallenen Bücher landen. Die Handlung wirkte allzu konstruiert, der Protagonist war eine Zumutung. Hoffentlich begegnet mir nie wieder eine Figur wie Jan Nachtigall. Wie konnte Dmitry Glukhovsky ein Buch schreiben, das sich völlig auf einen permanent unsympathischen Hauptcharakter verlässt? Meiner Meinung nach war ich nicht die einzige, die sich auf die pervertierte Version einer globalisierten Welt fokussierte. Ich glaube, dass sich Glukhovskys Augenmerk ebenfalls auf seine Zukunftsvision richtete, weshalb ihm offenbar nicht auffiel, dass sich der unausstehliche Jan durch eine unnatürliche Handlung hangelt. Ich zögere daher, ihm genug Vertrauen zu schenken, um die „Metro“-Trilogie zu lesen. Angeblich soll diese frei der hier benannten Mängel sein – aber was, wenn nicht?

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/11/29/dmitry-glukhovsky-futu-re
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