Die blaue Wolke ist ein Einzelgänger. Sie zieht fröhlich, frech, ja aufmüpfig, aber auch neugierig und mit offenen Augen um die Welt -- und sie wird dabei größer und größer. Die Wolke bewegt sich permanent gegen den Strom und ist ihren Artgenossen deshalb ein Dorn im Auge. Zudem hat sie eine...
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Die blaue Wolke ist ein Einzelgänger. Sie zieht fröhlich, frech, ja aufmüpfig, aber auch neugierig und mit offenen Augen um die Welt -- und sie wird dabei größer und größer. Die Wolke bewegt sich permanent gegen den Strom und ist ihren Artgenossen deshalb ein Dorn im Auge. Zudem hat sie eine erstaunliche Eigenschaft, denn sie färbt auf ihren Reisen alles blau ein: egal, ob es Bergspitzen, Vögel oder Flugzeuge sind, die mit ihr in Berührung kommen. Eines Tages fliegt sie über einen Ort, an dem sich Menschen wegen ihrer Hautfarbe gegenseitig bekriegen. Daraufhin fasst die blaue Wolke den Entschluss, "Farbe zu bekennen" und so lange zu regnen, bis sie sich aufgelöst und den ganzen Ort mitsamt seinen Einwohnern blau eingefärbt hat. Plötzlich hat das Hauen und Stechen ein Ende. Tomi Ungerer sagte einmal: "Was ich den Kindern mit meinen Büchern beibringen will, ist, die erwachsene Welt auszulachen". Dies gelingt ihm mit dem vorliegenden, autobiographisch gefärbten Werk auf das Trefflichste. Er lässt in sein Bilderbuch Die blaue Wolke den leider in unserer heutigen Zeit nach wie vor gegenwärtigen Rassismus Einzug halten. Durch einfachen Bildaufbau, kräftige und deutliche Farben und Formen sowie durch eine klare Textbotschaft macht er das Thema für Kinder ab fünf Jahren verständlich und zugleich die Absurdität des Rassendenkens deutlich. Ungerer bleibt sich treu: Er schreckt nicht vor der Darstellung von Gewalt im Bilderbuch zurück. Und er zeigt wieder einmal seine Vorliebe für Randgestalten. Auch Seitenhiebe auf unsere heutige hohle Konsumgesellschaft fehlen in seinem Werk nicht. Die in Ungerers Bilderbuch vorgeführte Wolke ist ein Traum, der hoffentlich einmal Wirklichkeit wird, denn dann gibt es nur noch eine einzige Nation auf dem blauen Planeten: die Menschheit, die einen Grund weniger hätte, sich gegenseitig abzuschlachten. Tomi Ungerer (geboren 1931), der mit Crictor die gute Schlange einen Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur schuf, erhielt 1998 für sein Gesamtwerk den begehrten und renommierten Hans-Christian-Andersen-Preis, der als "Kinderbuch-Nobelpreis" gilt. --Fedor Bochow
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