Früher haben sich Cloé und ihr Mann so vorsichtig wie möglich geliebt. Denn das Bettgestell hatte entsetzlich geknarrt, und morgens am Frühstückstisch wusste jeder Bescheid. Danach legte das Paar die Matratze vom Bett auf den Boden. "Wir hatten unsere Lektion gelernt", heißt es im ebenso schmalen...
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Früher haben sich Cloé und ihr Mann so vorsichtig wie möglich geliebt. Denn das Bettgestell hatte entsetzlich geknarrt, und morgens am Frühstückstisch wusste jeder Bescheid. Danach legte das Paar die Matratze vom Bett auf den Boden. "Wir hatten unsere Lektion gelernt", heißt es im ebenso schmalen wie gelungenen Roman der französischen Autorin Anna Gavalda: "Und liebten uns so diskret wie möglich." Etwas zu diskret vielleicht, denn nachdem die zwei Töchter Lucie und Marion geboren wurden, kommt die Liebe der beiden plötzlich abhanden. Eines Tages steht Cloé allein da mit den Kindern, und ausgerechnet der mürrische Schwiegervater Pierre nimmt sich der verlassenen Gruppe an. Gemeinsam fahren die vier in ein Landhaus, und hier offenbart der schweigsame Pierre, unter dessen Tyrannei sein Sohn Zeit seines Lebens litt und der der Icherzählerin Cloé immer wie ein einsiedlerischer "Marsmensch" erschienen war, der jungen Frau die Geschichte seiner großen Liebe, die mit Schuld, Versagen und verpasstem Glück zu tun hat: "Mein Leben ist wie eine geschlossene Faust", gesteht ihr Pierre. Und in ihrem Beisein gelingt es ihm, diese Faust -- wenn auch nur für einen kleinen Augenblick, erzählend -- zu öffnen. Leise und fast in der Form knapper Prosagedichte entfaltet Gavalda ihre unspektakuläre Geschichte -- wie ein kleines Kammerspiel, in dem die Liebe immer wieder auch als eine existenzielle Krankheit erscheint. Ich habe sie geliebt ist ein präzises, lakonisches, überzeugendes und anrührendes schmales Bändchen geworden, dem man möglichst viele Leser wünscht. ---Stefan Kellerer
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