40 Jahre lang ist er durch die Welt gereist, um Brücken und Überführungen zu bauen. Nun ist der Ingenieur 67 Jahre alt und verwitwet. Und in seiner Turiner Wohnung ist es still um ihn geworden. Dann, an einem Sonntag, durchkreuzt der Zufall sein Leben. Weil ihn seine Tochter und deren Familie versetzen, lädt er kurzerhand stattdessen die Mittdreißigerin Elena und ihren 13-jährigen Sohn Gaston zum Essen ein. Es wird eine Begegnung, die mehrere Menschen verändern wird.
„Ein Sonntag mit Elena“ ist ein Roman von Fabio Geda.
Meine Meinung:
Der Roman besteht aus angenehm kurzen Kapiteln, die weder nummeriert noch überschrieben sind. Neben dem gegenwärtigen Geschehen sind zwischendurch Rückblenden, in Form von Erinnerungen, eingefügt. Erzählt wird in der Ich-Perspektive, allerdings aus Sicht der Tochter Giulia. Das hat mich zunächst ziemlich irritiert und kommt immer wieder ein wenig unglaubwürdig rüber, weil auch Szenen, bei denen die Tochter selbst gar nicht anwesend war und die sie nur aus Erzählungen kennt, detailliert beschrieben werden.
Sprachlich ist der Roman insgesamt dennoch gelungen. Der ruhige, aber anschauliche und einfühlsame Schreibstil mit seinen ansprechenden Beschreibungen und passenden Metaphern gefällt mir gut.
Die drei Protagonisten sind alles andere als Heldenfiguren. Mit ihren Ecken und
Kanten wirken sie authentisch und durchaus fehlerbehaftet. So wird schnell klar, dass „Papa“ nie der perfekte Vater war und nun im fortgeschrittenen Lebensabschnitt ein wenig wie ein alter Kauz dargestellt wird. Trotzdem schafft es der Autor, Sympathie für seine Charaktere zu wecken, sodass man gerne ihre Geschichte verfolgt und Verständnis für sie entwickelt.
Thematisch ist der Roman erstaunlich vielfältig und tiefgründig. Die Familie spielt dabei eine wichtige Rolle. Es geht auch um Reue, Einsamkeit, Verlust und zwischenmenschlichen Problemen, was der Lektüre mitunter eine melancholische und teilweise traurige Atmosphäre verleiht. Andererseits ändert sich die Stimmung mit dem Auftauchen von Elena und ihrem Sohn zum Positiven. Beim Lesen wird bald deutlich, dass im Leben nicht nur die Brücken im wörtlichen Sinn bedeutsam sind, sondern auch die zwischen den Menschen. In der Geschichte stecken somit einige Denkimpulse und viele Emotionen, die mich durchaus erreichen konnten.
Die Handlung nimmt nur sehr langsam Schwung auf und bleibt überwiegend in einem ruhigen Fahrwasser. Durch die Rückblenden wird zusätzlich Tempo aus der Geschichte genommen. Langeweile kommt beim Lesen allerdings nicht auf.
Das Cover mit seinem Stillleben passt insofern zum Inhalt des Buches. Der deutsche Titel ist etwas ausführlicher als das italienische Original („Una domenica“) und sagt mir sogar noch etwas mehr zu.
Mein Fazit:
Für seinen Roman „Ein Sonntag mit Elena“ wählt Fabio Geda eine ungewöhnliche Erzählperspektive, deren Umsetzung ich problematisch finde. Wer jedoch über dieses Manko hinwegsieht, den erwartet eine gleichsam berührende wie unterhaltsame Lektüre.