1904 erschien M.R. James' erster Band mit Geistergeschichten, Ghost Stories of an Antiquary, und bis heute gehört er neben Howard Phillips Lovecraft und Edgar Allan Poe zu den einflussreichsten Autoren der unheimlichen Kurzgeschichte. Zwei seiner Erzählungen finden sich in Berührungen der Nacht,...
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1904 erschien M.R. James' erster Band mit Geistergeschichten, Ghost Stories of an Antiquary, und bis heute gehört er neben Howard Phillips Lovecraft und Edgar Allan Poe zu den einflussreichsten Autoren der unheimlichen Kurzgeschichte. Zwei seiner Erzählungen finden sich in Berührungen der Nacht, dazu je zwei Geschichten von elf Autoren, die alle mehr oder weniger deutlich von James beeinflusst sind. Und dieser Einfluss äußert sich in verschiedenen Elementen: Fast allen Geschichten ist gemein, dass die Hauptfiguren aus dem Milieu der gebildeten gehobenen Mittelschicht stammen, als Handlungsorte dienen meist altehrwürdige Kirchen oder englische Landhäuser. Bücher, (verborgenes) Wissen, seltsame Erbschaften und Flüche aus längst vergangenen Zeiten gehören zu den vorherrschenden Motiven, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. So erzählt Margaret Irwin von einem Buch, das langsam die Herrschaft über einen Anwalt gewinnt, ihm zu Reichtum und Ansehen verhilft, ihn aber zugleich zu scheinbar absurden Handlungen verleitet und seine Psyche verändert. Arthur Grays "Der Nekromant" verbindet geschickt übernatürliche Elemente mit der Charakterisierung eines paranoiden Hexenjägers des 17. Jahrhunderts. Eleanor Scotts "Die zwölf Apostel" schickt einen selbstbewussten Amerikaner auf Geister- und Schatzsuche in ein altes englisches Gemäuer. Ein scheinbar lebendiger Stein, eine schwarze Messe und eine Geliebte aus der Vergangenheit, umherirrende Seelen von Toten und andere unheimliche Wesen tummeln sich auf den weiteren Seiten und verbreiten eine angenehm unheimliche Atmosphäre. Berührungen der Nacht ist eine feine Sammlung englischer Geistergeschichten, die nicht nur durch die überlegte Auswahl der Erzählungen besticht, sondern auch durch die informativen Einführungen zu jedem Autor und das kenntnisreiche und differenzierte Vorwort von Frank Rainer Scheck, das mit Fotografien von James und anderen Autoren illustriert ist. Ein umfangreicher Anhang mit drei theoretischen Schriften von James und einer von L.T.C. Rolt sowie genaue Quellenangaben zu allen enthaltenen Texten runden das Buch ab. Eine beeindruckende Sammlung, die sich von vergleichbaren Projekten dank der sorgfältigen Arbeit der zwei Herausgeber wohltuend abhebt. --Boris Koch
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