Ein gewagtes, ein gewaltiges Unterfangen. Sich die Haut von Marilyn Monroe überzustreifen und diesen literarischen Gewaltmarsch mit dem provokanten Titel Blond -- der dämlichsten aller menschlichen Reduzierungsschubladen -- zu versehen, dazu braucht es Mumm und Klugheit. Joyce Carol Oates,...
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Ein gewagtes, ein gewaltiges Unterfangen. Sich die Haut von Marilyn Monroe überzustreifen und diesen literarischen Gewaltmarsch mit dem provokanten Titel Blond -- der dämlichsten aller menschlichen Reduzierungsschubladen -- zu versehen, dazu braucht es Mumm und Klugheit. Joyce Carol Oates, Schwergewichtlerin im US-Literaturbetrieb und bekannt für seismographisch genaue Lageberichte aus dem Herzen Amerikas, besitzt beides -- und sie hat gewonnen. Nur eine winzige Szene am Anfang, symbolhaft aber womöglich für Norma Jeans gesamtes Leben. Ihr erster Ehemann Bucky Glazer, ein tumber aber gutmütiger Charakter, klärt sie in demütig herablassender Weise auf, dass nicht H. G. Wells der Autor des Buches Krieg der Welten ist, wie sie behauptet, sondern Orson Welles natürlich. Dummchen! Kluger Bucky. Solch auftrumpfender Ignoranz konnte sie ein Leben lang nur stotternd begegnen. Ihre Zeit würde noch kommen. Sie kam -- in Gestalt eines Hollywood-(Alb)traums, bevölkert von verständnislos-geilen Hinterwäldlern und tätschelnden Filmmogulen; Figuren, die sich parasitär an ihr gütlich taten, während sie an ihnen zerbrach. Merkwürdig genug -- die wenigen, die Norma Jean wirklich liebten und erkennen wollten, stieß sie regelmäßig ab wie Fremdgewebe. Gnadenlos und in drastischster Sprache präsentiert Oates unter ihrem Mikroskop eine dumpfig-schwitzende Verehrerschar, die sich bis hoch zum Präsidenten schraubte. Am Ende von fast tausend Seiten werden wir dem Geheimnis, was diese Lichtgestalt zum Leuchten brachte, ein Stück näher gekommen sein. Es ist schier unglaublich, welch atemberaubende und haarsträubende Innenansichten die Autorin aus dem Leben dieser uramerikanischen Mythengestalt herausmeißelt. Durch ständige literarische Verdichtung der Ereignisse kommt sie der Wahrheit schließlich so nahe, dass am Ende die reinste Essenz aus den Seiten tropft. Biografie kann man das nicht mehr nennen -- aber einen Schöpfungsakt ganz eigener Art. Hier ist neues Leben entstanden. --Ravi Unger
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