Hans kann sich glücklich schätzen, und das tut er auch. So glücklich schätzt er sich, dass er, gerade ins Berufsleben eingetaucht und frisch vermählt, in Abwesenheit seiner bezaubernden Gattin Ina eine etwas schäbige Wohnung im Frankfurter Bahnhofsviertel mietet. Dann findet die entsetzte Ina im...
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Hans kann sich glücklich schätzen, und das tut er auch. So glücklich schätzt er sich, dass er, gerade ins Berufsleben eingetaucht und frisch vermählt, in Abwesenheit seiner bezaubernden Gattin Ina eine etwas schäbige Wohnung im Frankfurter Bahnhofsviertel mietet. Dann findet die entsetzte Ina im Schlafzimmer eine tote Taube. Ein Ehering geht verloren, die Mitbewohner entpuppen sich als Zauberwesen, ein Besäufnis gerät zum Hexentanz. Und auch die Wirrungen der Verführungskunst stellen das junge Glück auf eine harte Probe … Es gibt einen recht unscheinbaren, aber entlarvenden Satz in Der Mond und das Mädchen des Büchner-Preisträgers von 2007, Martin Mosebach. Er kommt recht unauffällig daher, ist aber symptomatisch für des Autors Schreibkonzept. Er lautet: "Ich heiße Despina Mahmoudi", sagte sie, als sei das der erste Satz aus einem bedeutenden Roman des neunzehnten Jahrhunderts, und das war er vielleicht auch. In diesen Worten steckt das ganze Dilemma des Romans -- und sein eigentümlicher Reiz. Denn Der Mond und das Mädchen versucht tatsächlich, ein bedeutender Roman aus längst vergangenen Zeiten zu sein, auch wenn er in der Jetztzeit spielt: Ein Buch, das schon im Erscheinungsjahr die etwas angestaubte Aura des Klassikers verströmen soll. Längst verklungene und auf der Liste der bedrohten Wörter stehende Wendungen bringt uns Mosebach dabei ans Ohr. "Angelegentlich" schreibt er im Buch, und "blümerant". Das Telefon heißt "Telephon", als wäre die Entwicklung der Rechtschreibung am Apparat vorbeigegangen, das Handy "Telephon in seiner Brusttasche". Fast scheint es, als habe der Autor vorm 21. Jahrhundert, seinen Befindlich- und Begrifflichkeiten Angst. Trotzdem: Mosebachs Stil verklärt die Gegenwart auf zauberische Weise. Und der Umstand, dass sich das Buch auch als Hommage an Shakespeares Sommernachtstraum verstehen lässt -- eine Hommage zudem, deren Bezüge zu entschlüsseln Freude macht --, gibt der Geschichte einen sonderbaren Charme. Der Mond und das Mädchen ist wohl kein großer, bedeutender Roman, der es zum Klassiker bringen wird. Aber er gibt seinem Leser Seite für Seite die Illusion, einer zu sein. Und das ist mehr, als die meisten anderen Bücher der neueren Literatur versprechen könnten. -- Thomas Köster, Literaturanzeiger.de
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