Nicht erst seit seinem Bestseller über Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (1984) erfüllen die Bücher Milan Kunderas einen Doppelzweck. Zum Einen befriedigen sie das Leserinteresse nach guter, meisterhaft komponierter Belletristik, zum Anderen vermitteln sie nach der Lektüre das Gefühl, auch...
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Nicht erst seit seinem Bestseller über Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins (1984) erfüllen die Bücher Milan Kunderas einen Doppelzweck. Zum Einen befriedigen sie das Leserinteresse nach guter, meisterhaft komponierter Belletristik, zum Anderen vermitteln sie nach der Lektüre das Gefühl, auch etwas über das Leben (und natürlich die Liebe) gelernt zu haben. Bei Die Unwissenheit ist das nicht anders: Erzählt wird die schicksalhafte Geschichte der tschechischen Emigranten Irena und Josef, die nach "dem Verschwinden des Kommunismus" und persönlichen Odysseen aufgrund ihrer zufälligen Wiederbegegnung in Paris in den neunziger Jahren versuchen, an ihre während des Prager Frühlings und dessen Niederschlagung untergegangene Beziehung anzuknüpfen. Dabei müssen beide erkennen, dass ihr Leben bisher ohne jegliche Gewissheit vonstatten ging -- und ohne Gewissheit, ohne alte oder neue Heimat weitergehen muss. Hinterlegt wird das erzählerische Gesellschafts- und Beziehungspanorama in der für Kundera typischen Art mit allerlei essayistischen Einschüben, die -- nicht ohne autobiografischen Hintergrund -- von der Schwierigkeit des Lebens in der (Pariser) Fremde und einer -- vielleicht doch noch möglichen -- "großen Rückkehr" in die (Prager) Heimat handeln. Ein bezaubernder Roman über Heimweh und Sehnsucht, Emigration und Neuanfang, Sprachverlust und -neufindung, Vergessenwerden und Wiedererinnern, aber auch über die Unwägbarkeiten der Liebe und die (immer auch erotisch-flüchtige) Leichtigkeit des Seins. Die Unwissenheit ist ein kleines Meisterwerk, das derjenige nicht ohne Gewinn aus den Händen legen wird, der philosophisch angehauchte und gut geschriebene Romane zu schätzen weiß. Und etwas über das Leben und die Liebe in der Fremde lernen kann man auch. --Thomas Köster
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