Die Soireen im Haus des millionenschweren jüdischen Mathematik-Professors und Kunstfreundes Alfred Pringsheim und seiner ätherisch-schönen Gattin Hedwig waren Stadtgespräch. Künstler wie Richard Strauß und Franz Lenbach gaben sich im Palais in der Münchener Arcisstraße die Klinke in die Hand. In...
show more
Die Soireen im Haus des millionenschweren jüdischen Mathematik-Professors und Kunstfreundes Alfred Pringsheim und seiner ätherisch-schönen Gattin Hedwig waren Stadtgespräch. Künstler wie Richard Strauß und Franz Lenbach gaben sich im Palais in der Münchener Arcisstraße die Klinke in die Hand. In solch großbürgerlich liberalem Ambiente wuchs Katharina Pringsheim heran. Als spätere Gattin des Großdichters Thomas Mann und Stützpfeiler einer Großfamilie jedem Literaturfreund ein Begriff, blieb Katia Manns Leben merkwürdigerweise bislang biografisch weit gehend ausgeblendet. Nun beleuchten gleich zwei Biografien das Schattendasein von "Frau Thomas Mann", wie sie in ihrem Briefkopf firmierte. Während Jüngling/Roßbeck in Katia Mann. Die Frau des Zauberers forsch tiefenpsychologisch schürfen, wartet das Ehepaar Jens mit unveröffentlichen Briefen und Dokumenten auf, darunter einer echten Rarität, dem wieder entdeckten "Kinderbüchlein" von Hedwig Pringsheim. In diesem aufschlussreichen "Entwicklungsbericht" ihrer fünf Sprösslinge, teils liebevoll mütterliche Kinderbetrachtung, teils kühl konstatierendes Zuchtprotokoll, finden sich bereits die Muster, die Katia später in der Erziehung ihrer eigenen Kinder wiederholen sollte. "Die Sache steht zur Zeit so gut, dass sie vielleicht nicht besser stehen könnte." Erfolgsbericht Thomas Manns im März 1904 an Bruder Heinrich. Der Schriftsteller, seit dem Erfolg seiner Buddenbrooks Münchens Society-Liebling, hatte mit taktischem Kalkül Zugang zur gesellschaftlichen Hochetage gesucht -- und im Pringsheim'schen Palais gefunden. Inge und Walter Jens bewegt die Frage, warum ausgerechnet die hoch begabte Katia, immerhin eine der ersten Abiturientinnen Bayerns, ihr Studium zu Gunsten der Ehe mit dem (ungeliebten?) spröden Lübecker opferte. Hatte der nicht schon beim Antrittsbesuch eine mehr als eindeutige Visitenkarte hinterlassen, als er ihren Zwillingsbruder Klaus ungeniert anhimmelte? Behutsam, leider zu oft ehrerbietige Distanz wahrend, begibt sich das Ehepaar Jens auf seine Entdeckungsreise in ein unter Pflicht und Neigung, Aufopferung und Geltungssucht verschüttetes Dasein. "Mein Leben lang habe ich nie das getan, was ich gern wollte", klagte Katia ihrem Zwillingsbruder Klaus spät im Jahr 1961. Frau Thomas Mann eben, eine Lebensaufgabe. --Ravi Unger
show less