Hells Angel. Mein Leben
Selbst heute noch springen die Fahndungscomputer der Polizei automatisch an, wenn größere Gruppen gesichtet werden und eine seltsame Mischung aus Angst und Bewunderung greift um sich beim Gedröhn ihrer Maschinen. Dass hier nicht die Rede ist von den musikalischen Busreisen der Fischer-Chöre rund...
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Selbst heute noch springen die Fahndungscomputer der Polizei automatisch an, wenn größere Gruppen gesichtet werden und eine seltsame Mischung aus Angst und Bewunderung greift um sich beim Gedröhn ihrer Maschinen. Dass hier nicht die Rede ist von den musikalischen Busreisen der Fischer-Chöre rund um den Bodensee, machen schon erste Fotos des Buches klar: Bärtige, muskelbepackte Gestalten, die Namen tragen wie Cisco, Clean Cut und Norton Bob. Zusammen mit ihren Accessoires -- Sonnenbrille, Stirnband, Lederkluft plus Totenschädelpatch -- ergeben diese Herrschaften eine beunruhigend martialische Kreuzung aus ZZ Top und Charlie Manson. Seit 40 Jahren eilt den Hell's Angels, diesen Neuzeitwikingern, der unrühmliche Ruf einer gnadenlosen Schlägertruppe auf zwei Rädern voraus. Die Lebenserinnerungen des Obererzengels Sonny Barger sind zart wie ein Schlag in die Fresse. Aber auch tarantinomäßig lustig. Im heimatlichen Oakland recht früh mit der Männerwelt und ihren Initiationsriten vertraut gemacht (in Gestalt von Sonnys Dad, einem genialen Sixpack-Vernichter), behielt der Sohn das vom Vater Ererbte ein Leben lang bei. Nach missglücktem Einstand in Schule und Militär (sowohl Mitschüler als auch Lehrpersonal überzeugte er gleichermaßen von der Philosophie einer guten Schlaghand), wurde er 1957 zum ersten Präsidenten des "Oakland-Charters" gekürt. Was folgt, ist ein einziger 40-jähriger Sauf- und Rauftrip über sämtliche US Highways. Blütezeit war natürlich die Hippie-Ära mit den legendären Grateful Dead-Konzerten, bis hin zum unrühmlichen Höhepunkt, dem von den Angels "betreuten" Stones-Konzert in Altamont 1969, bei dem Meredith Hunter erstochen wurde. Vorsicht, dies ist kein Lebensbericht eines Regenwaldschützers oder Sozialarbeiters. Der Mann hat etwas zu erzählen. Ein Großteil des Barger Poesiealbums besteht aus Knastaufnahmen oder Fahndungsfotos. Nicht uneitel präsentiert er am Ende des Buches gar eine solide Knasthitparade. Aber man kann nicht umhin, diesem Officer und seinen Members zu einem solch aufregenden, gänzlich unangepassten Outlaw-Leben herzlich zu gratulieren. --Ravi Unger
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