Die Grundidee kennt man aus zahlreichen Actionfilmen: die Familie des Helden wird bestialisch ausgelöscht und er beginnt einen Rachefeldzug, bei dem er sich durch Horden von Feinden schießt und prügelt. Allerdings haben wir hier keinen hartgesottenen Helden sondern eine zwiespältige Heldin, und die Action vermischt sich mit Romantik und Erotik... Insofern wird aus einer altbekannten Grundidee doch noch etwas Neues, das man so wirklich nicht oft liest.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Luna, eine junge Frau voller Widersprüche. Einerseits lebt und atmet sie Rache, liebt schnelle Autos und durchschlagkräftige Waffen (die sie als ihre "Babys" bezeichnet) und hat sich von den Besten der Besten zur Killermaschine ausbilden lassen. Morgens schießt sie ihren Wecker des Öfteren über den Haufen, wenn er sie zu sehr nervt. Sie flucht und trinkt, kämpft und tötet, sie ist aggressiv und unhöflich, wenig sozial und schnell dabei, Menschen abzulehnen oder gar zu hassen... Sie kann selbstsüchtig sein und patzig wie ein kleines Kind.
Andererseits ist sie ein verletzliches Mädchen, das nie über das Trauma hinweggekommen ist, die Ermordnung ihrer Eltern mitansehen zu müssen. Sie hat Angst vor Menschenmassen und verfällt bei zuviel Nähe in Panikattacken. Sie hat Schwierigkeiten damit, Menschen an sich heranzulassen, und wünscht sich doch Liebe und Geborgenheit.
Diese Widersprüchlichkeit machte Luna für mich zwar faszinierend und vielschichtig, aber ich hatte oft Schwierigkeiten, wirklich mit ihr mitzufühlen. Ich wurde einfach nicht warm mit ihr! Sie wird an einer Stelle als reife, tiefgründige Frau beschrieben, für die nur die inneren Werte zählen, aber das vertrug sich für mich nicht damit, wie oft sie von Äußerlichkeiten spricht und Menschen auf den ersten Blick in Schubladen steckt. Die zwei Seiten ihrer Persönlichkeit waren mir dann doch zu drastisch unterschiedlich, um für mich stimmig zu sein. Von der Femme Fatale zum verstörten Kind, das ging mir gelegentlich einfach zu schnell! So hat sie ja eigentlich Angst vor Menschen, legt in einem gutbesuchten Club aber ohne Probleme einen heißen Tabledance hin.
Auch mit Leo, dem sexy Killer, konnte ich mich nicht richtig anfreunden, weil ich kein Gefühl dafür bekam, wer er wirklich ist. Mal ist er der aggressive Macho, der eifersüchtig knurrt, mal ist er der sensible Romantiker... Aber den Menschen dahinter, den bekam ich einfach nicht zu fassen.
Die Romanze zwischen den beiden geht unglaublich schnell. Luna wird als starke, unabhängige Frau porträtiert, die Fremden misstraut - und tatsächlich stempelt sie Leo erstmal als gutaussehendes A...loch ab und hasst ihn abgrundtief (ohne ersichtlichen Grund). Das hält sie aber nicht davon ab, bei der ersten Begegnung (innerhalb von wenigen Minuten!) "überwältigt von seiner Dominanz" haltsuchend gegen seine "breite und warme Brust" zu sinken und sich küssen zu lassen.
Im Laufe der Geschichte hatte ich durchaus den Eindruck, dass zwischen den beiden die erotischen Funken fliegen, aber ich konnte nur schwer nachvollziehen, warum sich da echte, tiefergehende Gefühle entwickelten. Die Erotik war für mich sozusagen schlüssiger als die Romantik - wobei ich an beidem so meine Kritikpunkte hatte. In den erotischen Szenen gab es einige Formulierungen, die auf mich etwas seltsam wirkten und die mich komplett aus der Stimmung herausgeworfen haben. Die romantischen Szenen waren mir wiederum oft ein klein wenig zuuuu kitschig...
Die ersten ~65% des Buches sind getrieben von Lunas Rachefeldzug, und das ist spannend, actiongeladen und voller rasanter Szenen. Da hatte ich beim Lesen manchmal einen richtigen Action-Blockbuster vor Augen - zum Beispiel, als Luna in High Heels und schwarzer Lederkluft über ein fahrendes Auto sprang! Und in einer zweiten Handlungsebene verfolgen wir Lunas Kampf um Normalität, indem sie versucht, ein Studium zu beginnen, und dabei schmerzhaft feststellt, wie wenig sie in diese Normalität passt. Auch das ist auf andere Art spannend.
Dann macht die Handlung allerdings eine Vollbremsung, und danach konzentriert sich das Buch deutlich mehr auf die Liebesgeschichte, wobei mir das, wie gesagt, oft einfach zu kitschig war. Aber das ist ja Geschmacksache, und viele LeserInnen werden genau diese Romantik bestimmt wunderbar finden! Das Ende hat mich dann allerdings wieder kalt erwischt - damit hatte ich nicht gerechnet. Eine große, unerwartete Wendung, die alles verändert, alles in Frage stellt... Auf einmal ging alles sehr schnell, und bevor ich mich versah, fand ich mich verwirrt und mit tausend Fragen im Epilog wieder.
Die Autorin nennt auf jeden Fall ein großes Talent ihr eigen, und ich bin mir sicher, dass wir von ihr noch tolle Bücher zu erwarten haben. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass dieser Debütroman eher ein Rohdiamant ist, der noch ein bisschen Schliff vertragen könnte.
Manchmal fühlten sich die Sätze für mich sperrig und holprig an, manchmal fand ich sie etwas zu einfach gestrickt... Da häufen sich die Adjektive und Sprecherverben, Wörter und Formulierungen wiederholen sich immer wieder - so ist zum Beispiel ständig die Rede von Leos engelsgleichem Gesicht, seinen langen Wimpern, seinem knackigen Hintern oder davon, dass er Luna mit seinen Berührungen oder Blicken verbrennt.
Und trotz Lektorat und Korrektorat enthällt das Buch leider noch zahlreiche Fehler. Mich hat das immer wieder aus dem Lesefluss rausgerissen - ich bin da allerdings zugegebenermaßen ein extrem kritischer Leser, mir springt sowas direkt ins Auge!
Den schwarzen Humor fand ich meist richtig gut. Luna kommentiert trocken, böse und schonungslos ihr schräges Leben!
Fazit:
Ein actiongeladener Debütroman mit einer ungewöhnlichen Heldin, der meiner Meinung nach leider nicht sein volles Potential entfaltet. Action und Romantik ergeben für mich hier einfach keine stimmige Mischung - es geht rasant und spannend los, im letzten Drittel flacht die Spannung dann aber deutlich ab, und das Ende hat mich eher ratlos zurückgelassen. Mit den Protagonisten konnte ich auch nicht richtig warm werden.