Eilish Stack, Mikrobiologin und vierfache Mutter, ist verzweifelt: Ihr Mann Larry, ein ranghoher Lehrergewerkschafter, ist im Umfeld einer Demonstration verhaftet worden und seither verschwunden. Sie muss sich nun alleine um ihre Kinder Mark, Molly, Bailey und Ben kümmern - und um ihren dementen Vater Simon. Derweil wird das autoritäre, nationalistische Regime in Irland immer radikaler und tyrannischer, was Eilish den Alltag zusätzlich erschwert…
„Das Lied des Propheten“ ist ein Roman von Paul Lynch. Er wurde mit dem Booker Prize 2023 ausgezeichnet.
Der Roman umfasst neun Kapitel. Erzählt wird im Präsens in chronologischer Reihenfolge aus der Perspektive von Eilish. Die Handlung ereignet sich über einen Zeitraum von etlichen Monaten.
Vor allem seine poetische Sprache macht den Roman ungewöhnlich und besonders. Neologismen und Metaphern schaffen viel Atmosphäre und einen unverwechselbaren Stil, der sich nur schwer ins Deutsche übertragen lässt. Angesichts dieser großen Herausforderung ist die Arbeit von Übersetzer Eike Schönfeld dennoch an den meisten Stellen gelungen.
Die Geschichte bleibt sehr nahe bei Protagonistin Eilish, deren Gedanken und Gefühlswelt zwar einerseits deutlich wird, deren langes Zaudern für mich andererseits aber nur schwer zu ertragen war. Ihr teils etwas widersprüchliches, teils inkonsequentes und wenig heldenhaftes Verhalten wirkt auf mich dennoch zutiefst menschlich und realistisch. Auch die übrigen Figuren erscheinen lebensnah.
Inhaltlich beleuchtet der Roman, wie eine autoritäre und faschistische Regierung mehr und mehr Freiheiten und Rechte einschränkt, wie sie manipuliert, lügt und kontrolliert, wie die Unterdrückung immer engere Kreise zieht und zunehmend Leib und Leben der Menschen bedroht. Die Geschichte fasst die Methoden solcher Regime zusammen, verdichtet deren Vorgehensweise auf eine kurze Zeitspanne und zeigt die äußersten Konsequenzen auf. Damit rüttelt die Lektüre auf und bietet reichlich Stoff zum Nachdenken.
Auf den rund 300 Seiten ist die Geschichte spannend und beklemmend zugleich. Sie schont die Leserschaft nicht und hält mehrere Grausamkeiten bereit. Dem Sog der Story konnte ich mich nicht entziehen.
Der deutsche Titel ist nahe am englischsprachigen Original („Prophet Song“). Das künstlerisch anmutende Cover, das ebenfalls übertragen wurde, passt nach meiner Ansicht ebenfalls hervorragend.
Mein Fazit:
Sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht ist „Das Lied des Propheten“ eine Lektüre, die einiges abverlangt und nicht leicht verdaulich ist. Mit seinem preisgekrönten und empfehlenswerten Roman hat mich Paul Lynch dennoch überzeugt.