Was schreibt dieser Mensch nur für großartige Kriminalromane! Der walisische Autor Bill James beweist auch mit Tote schreien nicht, dass er in der Champions League des Genres spielt. Undercover ermittelt Polizist Colin Harpur in der Drogenszene, aber die Rivalität ortsansässiger und auswärtiger Banden bringt ihn in eine prekäre Lage. Drogenbaron Kenward Knapp ist tot. Das auszufüllende Vakuum beunruhigt Harpur derart, dass er dem beständigen Werben des örtlichen Bandenchefs Keith Vine nachgibt und den Bestechlichen mimt. Selbstverständlich ohne seine Vorgesetzten Iles und Lane davon in Kenntnis zu setzen. Doch bereits als Vine seine beste Dealerin ermordet, weil er sich betrogen glaubt, kommt der zynische Iles hinter die Undercover-Aktivitäten seines Mitarbeiters. Die Ereignisse überstürzen sich. Auswärtige Gangs und die Tochter der Hingeschiedenen mischen sich ein. Morde geschehen, um wertvolles Terrain zu verteidigen oder zu erobern und allmählich dämmert es Harpur, dass er wohl kaum ungeschoren aus diesem Verteilungskampf herauskommen wird. Außerdem hat er noch alle Hände voll zu tun, um seine minderjährige Tochter Hazel vor dem geifernden Iles zu schützen und sein Verhältnis mit der jungen Studentin Denise in Ordnung zu bringen. Ein bisschen viel auf einmal. So zynisch und weit gehend sadistisch, wie seine Hauptfiguren miteinander umgehen, springt Bill James auch mit seinen Lesern um. Kaum zu glauben, wie viel Spaß dieses Panoptikum von moralisierenden Ganoven und skrupellosen Polizisten macht. James' unbeschreiblicher Humor, seine Intelligenz und Detailgenauigkeit, was die Befindlichkeiten seiner Figuren betrifft, macht die Lektüre zu einem wahren Genuss. Der Plot rückt bei ihm weit gehend in den Hintergrund, handelnde und denkende Menschen prägen das beeindruckende Niveau seiner Romane. Und die Dialoge seiner Helden auf der guten oder fiesen Seite (welche Seite war es gleich noch?) gehören wirklich zum Allerfeinsten. Das Engagement des Rotbuch Verlags in Sachen Bill James ist aller Ehren wert. Dennoch: einen deutschen Titel wie Tote schreien nicht hat der Autor ganz einfach nicht verdient, auch wenn der Originaltitel Lovely Mover sicher nicht adäquat zu übersetzen ist. --Ulrich Deurer