Zur Psychologie und Pathologie sogenannter occulter Phänomene : eine psychiatrische Studie (German Edition)
Auf jenem grossen Gebiete der psychopathischen Minderwertigkeit, von welchem die Wissenschaft die Krankheitsbilder der Epilepsie, Hysterie und Neurasthenie abgrenzte, begegnen wir vereinzelten Beobachtungen, welche seltene Zustände des Bewusstseins betreffen, über deren Deutung die Autoren noch...
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Auf jenem grossen Gebiete der psychopathischen Minderwertigkeit, von welchem die Wissenschaft die Krankheitsbilder der Epilepsie, Hysterie und Neurasthenie abgrenzte, begegnen wir vereinzelten Beobachtungen, welche seltene Zustände des Bewusstseins betreffen, über deren Deutung die Autoren noch nicht einig sind. Es sind dies jene sporadisch in der Litteratur auftauchenden Beobachtungen über Narcolepsie, Lethargie, Automatisme ambulatoire, periodische Amnesie, Double conscience, Somnambulismus, pathologische Träumerei und pathologische Lüge etc.Die genannten Zustände werden teils der Epilepsie, teils der Hysterie, teils dem Erschöpfungszustande des Nervensystems, der Neurasthenie, zugeteilt, teils wird denselben auch die Dignität einer Krankheit sui generis zuerkannt. Die betreöenden Patienten selbst machen gelegentlich eine ganze Stufenleiter von Diagnosen durch, von Epilepsie aufwärts durch Hysterie bis zur Simulation.Tatsächlich lassen sich einerseits diese Zustände nur mit grösster Schwierigkeit, unter Umständen gar nicht von den genannten Neurosen abtrennen, andererseits aber weisen gewisse Züge über das Gebiet der pathologischen Minderwertigkeit hinaus auf eine mehr als bloss analogische Verwandtschaft mit Erscheinungender normalen Psychologie, ja sogar der Psychologie des Mehrwertigen, des Genies.So verschieden unter sich auch die einzelnen Erscheinungen dieses Gebietes sind, so ist doch gewiss kein Fall, der nicht durch die Brücke eines Zwischenfalles nahe mit dem andern typischen Falle verbunden wäre. Diese Verwandtschaft erstreckt sich tief in die Krankheitsbilder der Hysterie und der Epilepsie, Es haben sich sogar neuerdings Stimmen dafür erhoben, dass eine endgültige Grenze zwischen Epilepsie und Hysterie überhaupt nicht vorhanden sei, und ein Unterschied erst in den extremen Fällen deutlich werde. So sagt z. B. Steffens ^): „Wir kommen ungezwungen auf den Gedanken, dass das "Wesen der Hysterie und Epilepsie überhaupt nicht prinzipiell unter einander verschieden ist, sondern dieselbe Krankheitsursache hier nur in verschiedener Form und in verschiedener Intensität und Nachhaltigkeit in die Erscheinung tritt." Die Abgrenzung der Hysterie und gewisser Grenzformen der Epilepsie gegenüber angeborner und erworbener psychopathischer Minderwertigkeit begegnet ebenfalls den grössten Schwierigkeiten. Die Symptome des einen oder andern Krankheitsbildes greifen überall weit in das benachbarte Gebiet ein, sodass man den Tatsachen Gewalt antun muss, wenn man sie gesondert als zu diesem oder jenem Gebiet gehörig betrachten will. Die Abgrenzung der psychopathischen Minderwertigkeit vom Normalen ist vollends ein Ding der Unmöglichkeit. Der Unterschied ist überall nur das „Mehr" oder ,,Weniger". Auf dieselben Schwierigkeiten stösst die Gruppierung auf dem Gebiete der Minderwertigkeit selber. Man kann hier nur im Grossen und Ganzen gewisse Gruppen herausheben, die sich um einen durch besonders typische Charactere ausgezeichneten Kern krystallisieren. Sehen wir von den beiden grossen ...
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