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review 2015-07-15 10:55
Das schmutzige, unbarmherzige Antlitz des Krieges
Heldenklingen - Joe Abercrombie,Kirsten Borchardt

Dass ich eine Lesung von Joe Abercrombie besucht habe, hat meine Begeisterung für diesen Autor neu entfacht. Nach fast einem Jahr Pause wurde es für mich mal wieder Zeit, in seine düstere, ehrliche High Fantasy abzutauchen. Aus seinem First Law – Universum fehlten mir noch zwei Romane: „Heldenklingen“ und „Blutklingen“, die beide in sich geschlossene Einzelbände sind, allerdings in lockerer Verbindung mit seiner hoch gelobten First Law – Trilogie stehen. Ich hatte das Glück, beide Bücher günstig bei Medimops erstehen zu können. Als diese hier eintrafen, wollte ich nicht mehr länger warten, beendete meine angefangene Lektüre und widmete mich danach sofort und voller Vorfreude „Heldenklingen“.

 

Seit der Schwarze Dow den Blutigen Neuner tötete und sich selbst zum Bewahrer des Nordens berief, herrscht Krieg zwischen der Union und den Nordlanden. Der König der Union will den Mord an seinem alten Weggefährten nicht einfach hinnehmen. Doch ein Krieg ist teuer und verschlingt Ressourcen, die an anderer Stelle dringender gebraucht werden. Besonders jetzt, da Monza Murcatto, die Schlange von Talins, in Styrien auf dem Thron sitzt, kann es sich die Union nicht leisten, an mehreren Fronten zu kämpfen. Der Geschlossene Rat strebt daher eine schnelle Beendigung des Konflikts im Norden an. Auf einem unbedeutenden Stück Land nahe eines alten Steinkreises, den man Die Helden nennt, soll eine finale Schlacht die Entscheidung über das Schicksal des Nordens erzwingen. Drei Tage des Kämpfens tränken das Schlachtfeld in Blut und am Ende gibt es nur einen Sieger: den Tod.

 

„Heldenklingen“ ist für Fans großer High Fantasy – Schlachten die Erfüllung eines Traums. Es geht um nichts anderes als blutigen, brutalen Kampf – ehrlich, spannend und brillant konstruiert. Es mag eindimensional klingen, doch wer Joe Abercrombie kennt, weiß, dass er selbst den scheinbar banalsten Ansatz in eine vielschichtige, hintergründige Handlung verwandeln kann. Die dreitägige Schlacht, die er auf fast 900 Seiten beschreibt, ist nur Ausdruck und Gipfel einer vertrackten, politischen Situation. Die Nordlande und die Union haben sich in eine Lage gebracht, aus der es kein Zurück mehr gibt und die sie zwingt, eine Stärke und Entschlossenheit zu demonstrieren, die keine der beiden Seiten noch empfindet. Ihr Krieg ist sinn- und aussichtslos, denn es geht um nichts. Es geht nicht um Ressourcen, es geht nicht um Religion oder Land. Zwar kann ich verstehen, dass Jezal dan Luthar, König der Union, nicht gerade erfreut darüber ist, dass der Schwarze Dow Logen Neunfinger ermordete, doch es ist kindisch und kleinlich, deswegen einen Krieg zu führen, der Logen nicht zurückbringen wird. Der Schwarze Dow und Jezal nehmen billigend in Kauf, dass tausende Soldaten für ihre Feindschaft mit dem Leben bezahlen. So erschütternd das ist, es ist auch realistisch, ebenso wie Abercrombies ungeschönte Darstellung des Krieges insgesamt. Krieg ist nicht heroisch oder romantisch. Er ist zerstörerisch und nährt das Elend. Für Heldentaten ist dort kein Platz; heldenhaftes Handeln ist oft nur ein Kind des Zufalls. Mir gefällt der englische Originaltitel des Romans („The Heroes“) daher wesentlich besser als die deutsche Version, denn dieser ist ein typisches Abercrombie-Wortspiel: er bezieht sich auf das Setting, nicht auf die Figuren, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Keine der Figuren, aus deren Perspektive Joe Abercrombie die Schlacht erzählt, ist ein Held. Der Unionssoldat Bremer dan Gorst beispielsweise wirkt nach außen vielleicht heldenmütig, doch innerlich verrottet er; er wird von Bitterkeit, Wut, Enttäuschung und Demütigung regelrecht zerfressen. Kropf, ein vergleichsweise ehrenwerter, anständiger Nordmann, ist ein Relikt einer anderen Zeit und hat seinen Zenit vermutlich längst überschritten. Er würde gern aus dem blutigen Geschäft aussteigen, hat jedoch keine Alternativen. Er hat außerhalb des Krieges kein Leben, keine Familie und keine Freunde. Der Kampf bestimmt sein Leben. Damit ist er das genaue Gegenteil des ehemaligen Prinzen Calder, der meiner Ansicht nach eine neue Generation Nordmänner repräsentiert. Er ist kein guter Kämpfer; feige, manipulativ und intrigant, allerdings auch erstaunlich intelligent. Er ist ein Denker, ein raffinierter Diplomat, dessen eigene Ziele für ihn stets an erster Stelle stehen. Jemand wie er kann kein Held sein und manchmal fragte ich mich, ob er sich als Edelmann in der Union nicht wesentlich wohler fühlen würde.
Diese drei sind zwar nicht die einzigen POV-Charaktere, doch sie nehmen eindeutig den meisten Raum in der Geschichte ein und sind auch diejenigen, zu denen ich die intensivste und stabilste Verbindung hatte. Es verblüfft mich immer wieder, wie lebendig Joe Abercrombies Charaktere sind.

 

Meines Erachtens nach ist „Heldenklingen“ eine epochale Geschichte über das schmutzige, unbarmherzige Antlitz des Krieges, geschildert aus den verschiedensten Perspektiven. Trotz des ernsten Themas wirkt sie niemals schwer oder verbissen, weil Joe Abercrombie es unnachahmlich versteht, seinen derben, unanständigen, makabren Galgenhumor einfließen zu lassen, der hervorragend in diese Welt des Kämpfens passt. Wenn man nicht heulen kann, muss man eben lachen. Abercrombie wedelt nicht mit dem moralischen Zeigefinger vor den Nasen seiner LeserInnen herum; er lässt sie selbst begreifen, was Krieg den Menschen antut, indem er ihnen die Wahrheit zeigt. Krieg bedeutet Tod. Krieg bedeutet Leiden. Krieg bedeutet Blut. Dazu passt sogar das für mich recht unbefriedigende Ende, das nicht wie ein Abschluss wirkte, sondern eher, als würde man die Handlung nur verlassen. Das Buch hört einfach auf – vielleicht fühlt sich so ein Friedensschluss für Soldaten an. Es gibt kein fulminantes Finale, weil es niemals wirklich vorbei ist. Poo-tee-weet?

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/07/15/joe-abercrombie-heldenklingen
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review 2014-09-16 09:18
Rache wird am besten kalt serviert
Racheklingen - Joe Abercrombie

Hach, der Herr Abercrombie. Seine „The First Law“ – Trilogie hat mich maßlos begeistert und überrascht. Nie hätte ich erwartet, eine Mischung aus Gossen-Kodder-Schnauze und überaus intelligenten politischen Intrigen vorzufinden – gewürzt mit einer ordentlichen Portion Blut und einzigartigen Charakteren. Joe Abercrombie hat sich bei mir ein hohes Maß an Achtung und Respekt verdient. Es kam für mich daher gar nicht in Frage, den Einzelband „Racheklingen“ nicht zu lesen. Ich begann diesen High Fantasy Roman mit sehr hohen Erwartungen. Innerlich tanzte meine kleine Joe-Abercrombie-Cheerleader-Version schon eine Choreografie, fest entschlossen, sich erneut hemmungslos begeistern zu lassen.

 

Monza Murcatto erlebte den tiefsten Fall, den man sich vorstellen kann – wortwörtlich. Weil die gefeierte Söldner-Königin ihrem Herrn, Großherzog Orso, zu einflussreich wurde, mussten sie und ihr Bruder Benna kurzerhand verschwinden. Er ließ Benna ermorden und stieß Monza einen Balkon hinunter. Nur… sie starb nicht. Schwer verletzt und für ihr Leben gezeichnet überlebte Monza den Sturz. Nun kennt sie nur ein Ziel: Rache. Rache für den Mord an ihrem geliebten Bruder und den Angriff auf sie selbst, denn ihr Schmerz verlangt ein Opfer. Sieben Männer müssen auf ihrem Weg sterben. Doch in ihrem geschwächten Zustand kann Monza diese Aufgabe nicht allein bewältigen. Sie braucht Hilfe. Gemeinsam mit dem Nordmann Espe, dem Mörder Freundlich, dem Giftmischer Morveer, der Folterexpertin Vitari und dem abgehalfterten Söldner Cosca begibt sie sich auf einen blutigen Pfad, der das Schicksal ganz Styriens verändern wird.

 

Anfangs war ich wieder völlig hingerissen von Abercrombies ehrlicher, direkter, schonungsloser Schreibweise. Gegenüber der lieben DarkFairy beschrieb ich es als „Gedicht aus Spucke, Blut und schlimmeren Körperflüssigkeiten“. Ich fand den Einstieg unheimlich schnell, der Cheerleader frohlockte glücklich. Abercrombie hat dieses unglaubliche Talent, die Dinge beim Namen zu nennen, egal wie abstoßend sie sein mögen. Er schont seine LeserInnen nicht, er fordert ihre Nerven und ihre Mägen heraus. Sicher können damit nicht alle umgehen, aber ich liebe es. Wie berauscht begleitete ich Monza und ihre seltsame Truppe zum ersten, zweiten und dritten Mord. Und dann – beschlich mich ein dumpfes Gefühl von Unzufriedenheit. Sollte das alles gewesen sein? Ein schlichter Rachefeldzug? Ich konnte es nicht glauben, denn eigentlich hielt ich diese Handlungslinie für zu banal, einem Joe Abercrombie nicht würdig. Doch genauso ist es. Insofern hat mich „Racheklingen“ ein bisschen enttäuscht. Die Story erschien mir etwas uninspiriert und weniger kreativ, als ich erwartet hatte. Für mich hätten fünf Morde völlig ausgereicht, hätte Abercrombie dem Ganzen stattdessen etwas mehr Würze verliehen.
Die Charaktere in „Racheklingen“ sind hingegen wieder sehr eigenständig und haben eine echte Identität, wobei allerdings keine Figur auftaucht, die an die Brillanz eines Sand dan Glokta heranreicht. Er ist und bleibt für mich Abercrombies Meisterstück. Nichtsdestotrotz überzeugten mich auch die ProtagonistInnen dieses Romans. Ich bringe ihnen unterschiedlich viel Sympathie entgegen und betrachte vor allem Monza mit gemischten Gefühlen. Sie ist einfach keine Frau, die man gern haben kann. Ich verstehe sie auf gewisse Weise, aber ich werde ihr wohl niemals verzeihen, was sie Espe antat. Ich kannte ihn schon aus den vorangegangenen Büchern und mochte ihn unheimlich gern. Monza jedoch löste in ihm eine Entwicklung aus, die mir fast das Herz brach.
Ein absolutes Highlight war der Mörder Freundlich. Mit dem Namen nicht genug, verpasste ihm Abercrombie allen Ernstes auch noch das Asperger-Syndrom, gepaart mit einer Inselbegabung für Zahlen. Wegen solcher Eskapaden würde ich jederzeit wieder zu einem seiner Bücher greifen: man weiß einfach nie, was er für seine LeserInnen an Überraschungen bereithält.

 

Obwohl mich „Racheklingen“ etwas enttäuscht hat, überwiegen letztendlich die positiven Aspekte. Abercrombie ist ein begnadeter Schriftsteller, der sowohl ein Händchen für runde, außergewöhnliche Charaktere als auch für eine extrem dichte Atmosphäre hat. Ich würde niemandem raten, mit diesem Abercrombie-Werk zu beginnen, denn es ist wirklich äußerst blutig und brutal; außerdem werden Bezüge zu Figuren hergestellt, die man ohne Kenntnis der „The First Law“ – Trilogie nicht versteht. Ich denke, man sollte bereits wissen, zu welchen kompromisslosen Beschreibungen dieser Autor fähig ist, bevor man sich mit Monza auf ihren Rachefeldzug begibt. Für bereits Infizierte ist es jedoch ein passender Ausflug, der zwar nicht an die „The First Law“ – Trilogie heranreicht, dafür aber Abercrombies Stärken noch einmal deutlich betont.
Macht euch auf was gefasst, denn Rache wird bekanntermaßen am besten kalt serviert.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2014/09/16/joe-abercrombie-racheklingen
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