Am Jahrestag seiner Krebsdiagnose feierte Lance Armstrong ein großes Fest. Auf die Torte ließ er "Carpe Diem" schreiben. Weil Jede Sekunde zählt, wenn man erfahren hat, wie endlich das Leben ist, wie schnell es passieren kann, dass man dem eigenen Tod gegenübersteht. Aus medizinischer Sicht gilt...
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Am Jahrestag seiner Krebsdiagnose feierte Lance Armstrong ein großes Fest. Auf die Torte ließ er "Carpe Diem" schreiben. Weil Jede Sekunde zählt, wenn man erfahren hat, wie endlich das Leben ist, wie schnell es passieren kann, dass man dem eigenen Tod gegenübersteht. Aus medizinischer Sicht gilt Armstrong als geheilt, aber der Krebs lässt ihn nicht los. Er ist das Hauptthema auch dieses zweiten Teils seiner Autobiografie -- aber nicht in der Rolle eines Feindes, den man unter großen Qualen besiegt hat, sondern eher als Geschenk. So paradox es klingt, rückblickend sagt Armstrong, der Krebs sei das Beste, was ihm im Leben passiert sei, und dass er ohne ihn auch niemals die Tour de France gewonnen hätte. Von den allermeisten Promi-Biografien unterscheidet sich diese hier eindeutig: Zum einen ist sie sehr gut geschrieben (sicher das Verdienst von Journalistin und Koautorin Sally Jenkins). Andererseits hat dieser Mann wirklich etwas zu erzählen. Und zwar zusätzlich zu seinen Tour de France-Berichten, deren intime Details jeden Radsportfan interessieren werden. Eine Botschaft, eine Lebensphilosophie wird uns hier näher gebracht. Aber in keiner Zeile möchte Armstrong sie dem Leser aufdrängen. Er sagt nur immer wieder: Schaut her, das ist mir widerfahren und so hat es mich verändert. Als Helden sieht er sich nicht, auch wenn aus solchem Stoff natürlich unsere medialen Heroen gemacht werden: todkrank und ein paar Jahre später Dominator des Profiradsports. Das Sportidol präsentiert sich in Jede Sekunde zählt auch als "ganz gewöhnlicher Bursche", dem im Schatten des Erfolges fast seine Ehe kaputt geht, der gar nicht so cool und kontrolliert ist, wie er in der Öffentlichkeit und vor allem im Fahrradsattel wirkt. Der Leser hat tatsächlich den Eindruck, einiges über den Menschen Lance Armstrong zu erfahren -- und das ist schließlich neben dem Unterhaltungsaspekt, was man sich von einer Autobiografie erhofft. --Christian Stahl
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