Mit grandiosem Einfallsreichtum erzählt Cervantes von den Abenteuern des verarmten Adligen, der in einer Traumwelt vergangener Ritterzeiten lebt, und seines treuen Waffenträgers Sancho Pansa. Ähnlich wie Goethes Faust für die Deutschen ist Don Quijote für die Spanier zum Sinnbild eines nationalen Genius geworden. Die Sympathie des Erzählers für seine Figuren und sein liebevoll-ironischer Ton machen Don Quijote zum wunderbarsten Antihelden der Weltliteratur. (Anaconda)
An was denkt ihr, wenn ihr den Namen Don Quijote hört? Vielleicht erinnert ihr euch an Sancho Pansa, seinen Schildknappen, vielleicht auch an ein gewisses Abenteuer mit Windmühlen. Aber sonst? Ich jedenfalls hatte keine Ahnung von der eigentlichen Geschichte und war zunächst etwas überrascht, als ich herausfand, dass der nächste Gegenstand meines Klassiker-Projekts über 1200 Seiten umfasste.
Bevor ich nun meine EIndrücke zur Geschichte selbst zum Besten gebe, möchte ich ein paar Anmerkungen zum Autor Miguel de Cervantes loswerden, die - wie ich finde - durchaus zum Verständnis des Romans beitragen. Denn ähnlich wie Quijotes vermeintliche 'Abenteuer' liest sich auch Cervantes' Lebenslauf wie eine Chronologie des Scheiterns: Er verliert als Soldat im Krieg seine linke Hand, fällt Piraten in die Hände und landet für fünf Jahre im Gefängnis. Der Versuch, sich nach seiner Rückkehr nach Spanien als Schriftsteller durchzusetzen, scheitert, sodass er erneut Staatsdiener wird. Auf Grund von Schulden und Fehlbeträgen landet er jedoch abermals im Gefängnis - und hier beginnt die Geschichte des Don Quijote.
Gedacht war das Werk ursprünglich, um der Bevölkerung bewusst zu machen, dass der übermäßige Konsum von Ritterbüchern (damals sehr beliebt; wir sprechen vom 16. Jahrhundert) dem Verstand abträglich sei. Aus diesem Grund verfasste Cervantes den Don Quijote, gewissermaßen als Parodie auf die Abenteuer der fahrenden Ritter.
Über fünf Wochen ist es nun her, dass ich anfing dieses Buch zu lesen. Natürlich musste ich mich zunächst einmal in den Schreibstil hineinfuchsen, der oft von langen, ausufernden Sätzen geprägt ist. Allerdings wirkte der Roman in der Übersetzung von Ludwig Braunfels dadurch auch sehr authentisch. Auf diese Weise fühlte ich mich wirklich in eine andere Zeit versetzt und konnte mir die Erlebnisse von Don Quijote und Sancho Pansa sehr gut vorstellen. Überrascht war ich zu Beginn, dass das berühmte Abenteuer mit den Windmühlen im Buch nur etwa zwei Seiten einnimmt und im Großen und Ganzen eher von untergeordneter Wichitgkeit ist. Dafür eröffnete sich mir aber eine ganze Welt voll anderer Kuriositäten und Geschehnisse, die mich immer wieder zum Schmunzeln brachten. Aufgelockert wird die Geschichte der beiden Reisenden durch Erzählungen von Menschen, die sie unterwegs treffen. Einziges Manko war für mich hierbei die Tatsache, dass Leute, von denen in diesen Erzählungen die Rede ist, ganz 'zufällig' in der Schenke auftauchen, in der sich Quijote und Sancho gerade aufhalten - auch wenn sie zuvor als jahrelang nicht gesehen galten. Abgesehen davon hat man aber durchaus seinen Spaß.
Don Quijote ist ein Roman in zwei Teilen, wobei der zweite etwa zehn Jahre nach dem ersten erschien. Interessant fand ich beim Lesen des zweiten Teils, dass der Autor direkt Bezug auf den ersten Teil nimmt und auch auf eine nicht von ihm autorisierte Version des zweiten Teils. So begegnen die beiden Abenteurer auf ihrem Weg Leuten, die ihre Geschichte bereits gelesen haben und sie wiedererkennen, und sie versuchen den Ruf abzuschütteln, den ihnen der zweite (falsche) Teil verschafft hat. Diese Art, die Realität in das Buch einzuflechten finde ich grandios und macht das Werk vielschichtiger. Aber auch darüber hinaus bietet die Geschichte viel Potenzial zum Nachdenken, wie das Leben im ausgehenden Mittelalter wohl war und wie so ein verrückter Narr wie Don Quijote in der damaligen Gesellschaft aufgenommen wurde.
Warum aber 'nur' drei Sterne? Nun, ich war mir sehr unschlüssig, wie ich das Buch bewerten sollte. Aus heutiger Sicht ist es ein ganz schöner Brocken, sprachlich (klar) irgendwie veraltet und man fragt sich hier und da, ob denn irgendwann noch ein 'richtiges' Abenteuer kommen möge. Bedenkt man allerdings, wann dieses Werk verfasst wurde - und das war vor über 400 Jahren - kann ich mir kaum etwas Besseres vorstellen. Denn die Art, wie Cervantes seine Geschichte und ihre Figuren mit Witz und Charme zum Leben erweckt, erscheint mir etwas ganz Besonderes zu sein.