Simon ist ein Adrenalinjunkie. Er sucht die Gefahr, um seine Website am Laufen zu halten. Dazu begibt er sich an riskante Orte und die Kamera ist immer dabei. Als er in einem unterirdischen Höhlensystem fast um’s Leben kommt, wird die Website ein voller Erfolg. Und es ist Zeit sich der nächsten höchstmöglichen Gefahr auszusetzen: dem Mount Everest.
Ich mag Sarah Lotz' Bücher, weil sie abseits vom Üblichen schreibt. Dazu bin ich von Horror fasziniert und lese besonders gern Geschichten vom Mount Everest. Damit war für mich auf den ersten Blick klar, dass ich dieses Buch lesen muss!
Wie gesagt, Simon Newman sucht den Kick. Er setzt sich gefährlichen Situationen aus, um die Website am Laufen zu halten. Diese Website betreibt er mit seinem Freund Thierry, wobei dieser für die technische und inhaltliche Umsetzung zuständig ist. Simon liefert das Material.
Zu Beginn der Story hält man sich im Jahr 2006 auf, und geht gemeinsam mit Simon ein unterirdisches Höhlensystem an. Darin sind Studenten um’s Leben gekommen, deren Leichen noch immer in der Höhle sind. Die Bergung ist aufgrund der engen Winkel unmöglich. Neben der gefährlichen Kletterpartie ist Simon und Thierry an den Leichen gelegen. Denn mit einem Video von ihnen heizen sie der Website mächtig ein. Deshalb hat Simon stets die Kamera gezückt.
Bei diesem Part unter der Erde habe ich allein beim Lesen klaustrophobische Schübe bekommen. Simon verschwindet in der völligen Dunkelheit, schiebt sich durch enge Passagen, wo er gerade mal Zehen und Finger bewegen kann, und findet sich einer Naturgewalt gegenüber, die ihm um’s Leben trachtet. Die Situation wird brenzlig und zunehmend mysteriös, und man hält mehr als einmal den Atem an.
Einige Zeit später ertönt der Ruf nach dem Mount Everest. Thierry und Simon beschließen, dass der Berg und seine grausam-bekannte Todeszone der ideale Inhalt für die Website sind. Daher macht sich Simon auf einen Weg, der ihn psychisch und physisch alles abverlangen wird.
Das Mount-Everest-Setting wird in zwei Perspektiven behandelt. Einerseits von Simon selbst, der sich der kalten Angst vor dem Berg beugen muss. Andrerseits liest man das Tagebuch einer Bergsteigerin, die sich ebenfalls auf zum höchsten Punkt der Erde macht.
Der Mount Everest für sich allein sorgt schon für Gänsehaut. Die Kälte, der Sauerstoffmangel, die Anstrengungen, die Appetitlosigkeit und zahlreiche Leichen, die den Pfad nach oben pflastern. Zusätzlich fühlt sich Simon von einem dritten Mann verfolgt, von dem er nicht weiß, ob der ihm Böses will. Diese unterschwellige Furcht, die zu dem realen Horror des Berges hinzukommt, hat das Buch für mich zum Pageturner gemacht. Ich konnte nicht anders als weiterlesen, weil mir Simons Angstrausch keine Ruhe gelassen hat.
Im abschließenden Teil wird es ruhiger, aber nicht weniger gruselig. Hier schlägt Sarah Lotz’ Hang zum Bizarren durch. Obwohl ich das Ende passend und schaurig finde, lässt es mich unbefriedigt zurück. Ich hätte hier lieber einen handfesten Abschluss in der Hand, als diese festgefrorenen Fäden, die dennoch absolut Furcht einflößend sind.
Insgesamt ist „Angstrausch“ ein packender Mystery-Thriller, bei dem der Titel hält, was er verspricht. Sarah Lotz schreibt nicht so bizarr, wie man es von ihren anderen Werken kennt. Sie zwängt den Leser unter der Erde ein, lässt ihn über den Wolken nach Luft hecheln, und setzt einem die Angst in den Nacken - wobei der Atem zu gefrieren beginnt.