Normalerweise lese bzw. höre ich bewusst keine (Hör-)Bücher, zu denen ich nur die Verfilmung kenne. Dem Film zu schauen, nachdem ich das Buch gelesen habe, mag ja noch gehen, aber andersrum schränkt es meine Fantasie zu sehr ein. Denn ich übernehme fast immer automatisch die Filmsettings und –figuren, statt mir auf Grund der Beschreibungen im (Hör-) Buch ein eigenes Bild zu machen. Für Lieblingsfilme mache ich dann aber doch gerne einmal eine Ausnahme. So kam es, dass ich am letzten Samstag während des Wohnungsputzes „Charlie und die Schokoladenfabrik“ von Roald Dahl hörte und dabei fast so viel Spaß hatte wie mit dem Film. Einzig Sprecher Ulrich Noethen gefiel mir nicht ganz so gut.
Worum geht es?
Charlie lebt mit seinen Eltern und Großeltern in sehr armen Verhältnissen. Süßigkeiten wie Schokolade sind ein Luxus, den sich die Familie nur zu Charlies Geburtstag leisten kann. Als die Schokoladenfabrik von Willy Wonka in der Nachbarschaft nach langer Zeit wieder mit der Produktion anfängt, ist die Aufregung groß, denn nie sieht man Arbeiter. Fünf Kinder aber sollen die Möglichkeit zu einer Fabrikbesichtigung bekommen. Es grenzt an ein Wunder, dass es Charlie gelingt, eine der goldenen Eintrittskarten zu finden, die hierzu in den Schokoladenpackungen versteckt sind. Zusammen mit seinem Großvater und 4 weiteren Kindern und deren Eltern darf er Willy Wonkas verrücktes Schokoladenreich betreten.
Warum habe ich es gelesen?
Die Verfilmung dieses Kinderbuchklassikers von Tim Burton mit Johnny Depp als Willy Wonka ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Zu meiner großen Schande muss ich aber gestehen, dass ich die Buchvorlage bislang nicht kannte. (Ich wusste lange Zeit nicht einmal, dass es eine gibt.) Diesen beinahe schon skandalösen Zustand wollte ich unbedingt ändern.
Wie gefiel mir das Hörbuch?
Ich finde es ja immer schwierig, ein Buch erst dann zu lesen, nachdem ich bereits den Film gesehen habe. Dann gelingt es mir meist nicht, mir ein eigenes Bild von den Figuren und Handlungsorten zu machen. Stattdessen sehe ich immer die Filmsettings und Schauspieler vor meinem geistigen Auge agieren. Das war zwar auch diesmal der Fall; bei einem Lieblingsfilm stört mich das aber nicht.
Tatsächlich ist der Film erstaunlich nah an der Buchvorlage. Burton änderte nur einige unwesentliche Details. So findet Charlie die goldene Eintrittskarte im Buch z.B. erst bei der vierten Tafel Schokolade, während es im Film die zweite ist. Die wesentlichste Veränderung ist wohl, dass Mickey Schießer in Burtons Version ein Computerspiele-Fan ist, während er im Buch ein Fernsehnarr mit einer Vorliebe für Spielzeugwaffen ist. Allerdings schrieb Roald Dahl „Charlie und die Schokoladenfabrik“ auch schon 1969, als Computerspiele noch kein Thema unter Kindern und Jugendlichen war.
„Charlie und die Schokoladenfabrik“ ist ein Kinderbuchklassiker, dessen Botschaft sich auch an Erwachsene richtet. Die fünf Kinder sind stereotypisch aufgebaut und haben jeweils nur einen hervorstechenden Charakterzug: Augustus Glupsch ist gierig und maßlos, Veruschka Salz verwöhnt, Violetta Beauregarde ehrgeizig und stur und Mickey Schießer fernsehsüchtig und fasziniert von Gewalt. Allesamt werden als sehr unangenehm dargestellt. Im Laufe der Fabrikbesichtigung passieren ihnen Unfälle. Damit wird im Nachhinein immer deutlich gemacht, dass diese auf ihre negativen Verhaltensweisen zurückzuführen sind, so dass eine eindeutige Botschaft vermittelt wird. Aber Roald Dahl lässt auch die Eltern nicht aus der Verantwortung. So wird nach jedem Unfall auch erklärt, dass es die nachgiebige, inkonsequente, mangelnde Erziehung der Eltern ist, die ihre Kinder zu dem macht, was sie sind. Dies ist es, was mir an dieser Geschichte am besten gefällt. Sie zeigt Kindern auch, dass Erwachsene auch nicht immer alles richtig machen, und erinnert gleichzeitig die Eltern an ihre Verantwortung.
Einziger Wermutstropfen dieses Hörbuchs ist der Sprecher. Ulrich Noethen ist hier für meinen Geschmack keine besonders glückliche Wahl. Er liest sehr nüchtern und mit nur wenig Intonation. Noethens Vortrag wirkt dadurch schnell langweilig und nur wenig abwechslungsreich. Er schafft es nicht, den einzelnen Figuren eine jeweils individuelle Stimme zu verleihen. Gerade für ein Kinderbuch hätte ich mir einen lebendigeren, fröhlicheren Vortrag gewünscht.