Was mich immer wieder erschüttert, ist der Umstand, dass viele gestandene und sehr gute Journalisten ihre ungefähr zweihundert Seiten dicken Bücher so schreiben, als würden sie nur einen mehrseitigen Leitartikel vor sich haben. Dabei kommt dann ein sprunghaftes nicht professionelles Werkstück heraus, das in seiner Struktur total schwächelt, jeglichen Roten Faden vermissen lässt und im Plauderton wirrrr von einem Argrument zum anderen und zudem zwischen den Zeiten hin und her springt und zwischen den Personen herummäändert. So eine Leserverwirrung mag bei einem fiktionalen Werk eine grandiose Wirkung haben, in einem politischen Sachbuch, das Hintergründe und Netzwerke aufdecken sollte, ist das aber ein absolutes No-Go. Aus diesem Grund kann ich nur den Kopf schütteln, dass hier nicht ein ordentlicher Editor oder ein mutiger Lektor mit Durchgriffsrecht ein Machtwort gesprochen hat. Legts einfach Eure Eitelkeit ab, sehr viele von Euch KÖNNEN keine Sachbücher schreiben und lasst Euch endlich mal helfen. Der Herr Mitterlehner hat das mit seinem ersten Buch wesentlich besser gemacht!
Auch in diesem Werk ist es genau so, wobei ich Herrn Brandstätter nicht als einzigen Journalisten verorte, der keine Ahnung von Strukturierung hat, da befindet er sich in hervorragender Gesellschaft mit z.B. Scharsach. Zu Beginn wird wirr zwischen Kurz und Kickl zwischen 2017 und 2019 herumgesprungen. Irgendwann zeichnet sich dann eine lasche thematische Ausrichtung, vom politischen Programm, über die Burschenschafter der FPÖ, flankiert vom Wahlkampf und die Sicht der Parteien auf die Medien, zu den Nazi Rülpsern... (Reihenfolge ist im Buch so) ab. Aber wie ihr seht, sind auch die Kapitelabfolgen nicht in einer logischen Struktur, wodurch bei den Burschenschaftern schon wieder einiges vom Nazirülpser Kapitel vorweggenommen wird. Und so geht es munter weiter. Und nein, liebe Journalisten, wenn Ihr nur im Erzählton herumplaudert und vom Hundersten ins Tausendste springt, wird ein Buch nicht spannender und populärer, sondern nur wirr und unübersichtlich.
Um so ein Fehlen des Roten Fadens eindrucksvoll zu demonstrieren, werde ich diesmal ausnahmsweise auch in meiner Rezi denselben Fehler begehen und auf den Beginn des Buches, auf die Einleitung zurückschwenken. Ich schätze zwar Erhard Busek in vielen Bereichen, aber das Predigen hätte er sein lassen sollen. Schon im Vorwort kommt er nicht zum Thema und zum Punkt der Politik sondern schwadroniert so allgemein über christliche Religiosität - schon mal was von Laizismus gehört? In einer anständigen Politik sollte z.B. der Kircheneintritt von Van der Bellen nicht mal im Ansatz erwähnt werden, denn RELIGION IST PRIVATSACHE, wir leben eben nicht in einem Gottestaat, auch nicht in einem christlichen. Insofern war schon das Vorwort zu diesem Buch sehr ärgerlich, da es so gut wie nichts mit dem Thema zu tun hatte.
Auch sonst ist halt inhaltlich für den gemeinen politikinteressierten Leser nicht viel Neues drinnen. Die Mitterlehner Geschichte wird von Mitterlehner weit besser erzählt, alles andere ist ohnehin hinlänglich bekannt und wurde eben zudem schlecht und unstrukturiert zusammengefasst. Lediglich im Rahmen der Thematisierung der Parteien im Umgang mit den Medien gibt es ein paar neue Erkenntnisse bei der Einflussnahme, der strukturierten Pressesprecher-Netzwerke und wie die Message-Control im Detail auch hierarchisch in der österreichischen Medienlandschaft funktioniert und durchgesetzt wird.
In diesen spärlichen Kapiteln ist Brandstätter endlich der Profi, dessen Expertise, Neuigkeiten und Zusammenhänge ich mir erwartet habe. Leider gehen diese Themen im recht mittelmäßig aufgemachten allgemein bekannten Bla-Bla unter. Hier wäre zum Beispiel auch angesagt gewesen, mal eine Politikwissenschaftlerin wie Natascha Strobl zu zitieren, die jede Rede von Kurz bis ins letzte Detail analysiert hat. Diese kompetente Frau ist normal politikinteressierten Menschen, zumindest den Nicht-Twitterern eher weniger bekannt, sie zerlegt aber punktgenau, wie die Message kontrolliert an das Wahlpublikum gelangt. Da Brandstätter keine Scheu hatte, Mitterlehner und andere zu zitieren, frage ich mich, warum er genau bei diesem Thema, das sich nahezu als Nukleus aufdrängte, verabsäumte, Strobl zu zitieren.
Inhaltlich bin ich auch mit ein paar Sachen nicht einverstanden, zum Beispiel hat der Herr Forstklo (Waldhäusl) in Niederösterreich weit schlimmere Verfehlungen angerichtet, als die Leute beim Kauf von geschächtetem Fleisch registrieren zu wollen, wie Herr Brandstätter moniert. Er verstieß kriminell und massiv gegen Kinder und Jugendrechte, als er in einem Heim für minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen Stacheldraht anbringen ließ und quasi eine Ausgangssperre verhängte. https://www.derstandard.at/story/2000092783407/waldhaeusl-jeder-kann-sich-zwei-drei-fluechtlinge-mit-nach-hause . So ein Verbrechen nicht dementsprechend anzuprangern, ist zwar tragisch, aber entweder eine andere Wertung als ich sie vornehme, oder eben Unwissenheit, was sich in Niederösterreich tatsächlich Gravierendes abspielt.
Fazit: Für mich ein schnell und unfundiert hingeschlenztes sehr unterdurchschnittliches politisches Buch, das maximal auf 2,5 Sterne kommt. Die Zielgruppe, die dieses Buch lesen kann und will, weiß ohnehin fast alles, was drinnensteht, wird sich wahrscheinlich langweilen und hat kaum einen strukturierten Erkenntnisgewinn, die anderen sind ohnehin verblendet.