Imogene Hale hat das brave Landleben satt und heuert im neuen Stammsitz der Londoner Vampire als Hausmädchen an. Eine skandalöse Entscheidung für ihre Familie, weiß doch jeder wie sittenwidrig es bei den Vampiren zugeht. Genau das Richtige also für Imogene, die ein ebenso skandalöses Geheimnis verbirgt und danach lächzt ein wenig unanständiges Verhalten in ihr Leben zu integrieren. Als Imogene auf Woolsey Castle eintrifft begegnet sie der genialen Erfinderin Genevieve Lefoux und plötzlich steht ihre Welt mehr als Kopf. Doch Madame Lefoux ist keineswegs leicht zu erobern und die Vampire sind nicht Imogenes einzige Feinde im Schloss.
Trousers were a powerful weapon of chaos, if Madame Lefoux was anything to go by.
In Romancing the Inventor entführt uns Autorin Gail Carriger in eine kleine Episode ihres Parasol Protectorate Universums. Wie auch in der Buchreihe treffen hier scharfzüngige Protagonisten auf eine Romanze mit Hindernissen. Anfangs braucht die Handlung eine Weile um Fahrt aufzunehmen, doch der vertraute Humor lässt nicht lange auf sich warten. Diese Kurzgeschichte ist eine locker leichte Romanze die Lacher, aber hin und wieder auch einen Kloß im Hals garantiert.
Gail Carriger hat in all ihren Büchern immer wieder Figuren vorgebracht, die nicht der klassischen Norm entsprechen. In ihrer jüngsten Geschichte rückt sie eine ihrer Nebenfiguren in den Fokus: Genevieve Lefoux, geniale, ein bisschen verrückte und eindeutig lesbische Erfinderin. In den Romanen bekamen wir bisher immer nur einen etwas oberflächlichen Blick auf diese Figur, die wir nun ein ganzes Stück besser kennenlernen dürfen. Und es zeigt sich schnell, dass Madame Lefoux ein recht tragischer Charakter ist. Ihre letzte große Liebe hat sie emotional aushungern lassen und sich dann auch noch erdreistet auf dumme Weise zu sterben. Seither ist Lefouxs Herz ein trockener Tümpel und die Erfinderin weigert sich beharrlich noch einmal jemanden so nah an sich heranzulassen. Sie fürchtet sich regelrecht davor sich noch einmal zu verlieben, stürzt sich stattdessen in ihre Kalkulationen und schraubt an ihren quietschenden und dampfenden Maschinen. Sie konzentriert sich so sehr auf ihre Arbeit, dass sie sich darüber selbst vernachlässigt.
Erzählt wird Romancing the Inventor allerdings aus der Perspektive von Imogene Hale, die nicht nur mit einem Wedel umgehen kann, sondern auch ein unentdecktes Mathe-Genie ist. Die Dorfbewohner inklusive ihrer Mutter bezeichnen sie als arrogant, weil sie die Angebote ihrer Verehrer ausnahmslos ablehnt. Offenbar hält sie sich wohl für etwas Besseres, doch weit gefehlt. Denn in Wahrheit hütet Imogene ein Geheimnis für das man sie ächten würde, käme die Wahrheit ans Licht. Ihr einziger Ausweg aus der Misere scheinen daher die Vampire zu sein. Dort hofft Imogene ihre Phantasien endlich Wirklichkeit werden lassen zu können ohne dass die konservativen Dörfler Verdacht schöpfen. Imogene ist gezwungenermaßen in jedem Sinne unschuldig und unberührt, aber sie weiß, was sie will und ist bereit dafür Risiken einzugehen. Sie konnte ihre Bedürfnisse bisher nie an einer besonderen Person festmachen. Das ändert sich, als sie Genevieve begegnet und sich in sie verliebt.
Das Verhältnis zwischen den beiden Frauen ist zunächst nicht ganz einfach, kämpfen doch beide gegen ihre eigenen Geister. Genevieve ist so verhärmt, dass sie ihre Chancen nicht erkennen will und sich einredet Imogene könne unmöglich aufrichtiges Interesse an ihr haben. Imogene im Gegensatz ist so unerfahren, dass sie nicht weiß, wie sie ihre Angebetete umwerben und überzeugen soll. Was Imogene an Erfahrung fehlt, macht sie dafür durch Beharrlichkeit und Geduld wieder wett. Ein Großteil der Handlung dreht sich darum Missverständnisse zu erschaffen und aufzulösen und Ängste zu überwinden.
Genevieve und Imogene haben aber nicht nur Probleme miteinander. Insbesondere Imogene wird als leckerer Appetithappen auf dem Teller der Vampire erwünscht und wenn nicht Blutsauger nach ihr dürsten, dann bedrängt sie einer der Butler.
Das Büchlein bietet gute Unterhaltung, erwachsene Romantik (und Probleme), berittene Werwölfe und den vermutlich effizientesten Wohnwagen, den das 19. Jhrd. je gesehen hat. Kleine Schwachpunkte waren für mich die etwas ausschweifenden Selbstzweifel von Imogene und Lady Alexia Maccons spontane Auftritte, wenn es darum ging eine knifflige Situation schnell zu lösen.
Hinweis:
Romancing the Inventor spielt etwa zwei Jahre nach Timeless (dt.: Sengendes Zwielicht), dem letzten Buch aus dem Parasol Protectorate. Man kann die Geschichte aber völlig ohne Vorkenntnisse der Buchreihe lesen. Für Carriger-Fans natürlich ein Muss!