Es ist 25 Jahre her, dass Dracula vernichtet wurde. Die Welt hat sich seither verändert und die Beteiligten sind ihren Weg gegangen. Doch plötzlich wird Jonathan Harker mitten am Picadilly Circus gepfählt aufgefunden und es scheint, dass sich keiner der damaligen Truppe in Sicherheit wähnen darf.
Dieser Roman ist als Fortsetzung des Klassikers „Dracula“ von Bram Stoker gedacht. Schön ist, dass sich sein Nachfahre Dacre Stoker gemeinsam mit Ian Holt zu diesem Buch entschieden hat und eine interessante Weiterentwicklung der Erzählung gesponnen hat.
Vor 25 Jahren haben Mina und Jonathan Harker, Abraham van Helsing, Arthur Holmwood, Dr. Jack Seward und der damals verstorbene Quincey Morris den Vampir der Vampire, Dracula persönlich, zu Fall gebracht. All diesen Figuren - ausgenommen natürlich Quincey Morris - aus dem Klassiker wird Raum gegeben, sie treten erneut den Kampf gegen die dunkle Seite an. An vorderster Front kommt allerdings die nächste Generation zum Zug: Quincey Harker - Sohn von Mina und Jonathan - ahnt, dass Vampire nicht nur eine Legende sind, und merkt dabei, dass der Bekanntenkreis seiner Eltern in Bedrängnis gerät.
Es hat mir sehr gut gefallen, wie das Autorenduo die Charaktere weitergesponnen hat. Jeder von ihnen ist seinen Lebensweg gegangen, mit dem ich so nicht gerechnet hätte, der auf mich dennoch schlüssig wirkt und meiner Meinung nach Sinn ergibt. Es war sehr interessant zu erfahren, was aus ihnen geworden ist, und manches davon hat mich sehr traurig gestimmt.
Weniger gefallen hat mir Dracula himself. Aus dem schwarzen Prinzen wurde schon fast ein Kuschelvampir der Moderne gemacht. Dazu kann ich nicht allzu viel sagen, weil ich niemanden spoilern will, aber ich glaube, Bram Stoker dreht sich im Grab um, wenn er seine blutige Schöpfung so erleben würde. Draculas Erhabenheit ist wie weggefegt, die blutige Allmacht verschwunden und die treibende Kraft in ihm für mich persönlich sehr, sehr zweifelhaft.
Ansprechend gestaltet war die Einbettung des ursprünglichen Klassikers in historische Begebenheiten, die sich tatsächlich ereignet haben. Egal ob nun die Ripper-Morde oder die besonders blutrünstigen Adeligen der Vampirlegenden - manches davon wurde gut ineinander verflochten und zu einer interessanten Geschichte gewoben. Trotzdem konnte mich hier nicht alles überzeugen. Gerade den Zusammenhang mit Jack the Ripper fand ich ungeschickt eingefädelt, obwohl er dem Verlauf der Handlung einen schönen Spannungsbogen verliehen hat.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass sich die Autoren mit diesem Buch auf’s Glatteis wagten, weil es bestimmt nicht einfach ist, einen großen Klassiker weiterzuspinnen und eine mögliche weitere Entwicklung zu erzählen. Mir hat es trotz der aufgezählten Mängel wirklich gefallen. Die Geschichte nach der Geschichte ist zwar nicht ganz gelungen, aber sie hat dennoch großen Unterhaltungswert. Ich würde es allerdings nicht als Fortsetzung des Originals sondern eher als Beiwerk betrachten.
Leser, die den klassischen Vampir lieben, sollten sich mit Bedacht Draculas Wiederkehr widmen, eventuell über die eine oder andere Dürftigkeit drüber sehen und einfach Spaß daran haben, über den möglichen weiteren Weg der damaligen Figuren zu erfahren und sich mit ihnen der dunklen Bedrohung aus Transylvanien ein zweites Mal stellen.
© NiWa