logo
Wrong email address or username
Wrong email address or username
Incorrect verification code
back to top
Search tags: 18-jahrhundert
Load new posts () and activity
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2020-01-22 15:21
Lebendige Geschichte
Commissaire Le Floch und Der Brunnen der Toten - Jean-François Parot

Jean-François Parot war ein weitgereister Mann. 1946 in Paris geboren, schloss er sein Studium als anerkannter Experte des 18. Jahrhunderts ab, absolvierte seinen Militärdienst und wurde dann Diplomat. Die Liste der Stationen seiner Karriere ist lang; als er 1999 begann, die historische Krimi-Reihe „Nicolas Le Floch“ zu schreiben, arbeitete er im bulgarischen Sofia. An den Wochenenden hatte er viel Freizeit, also setzte er sich eines Tages hin, zückte seinen neuen Stift, ein Weihnachtsgeschenk seiner Mutter und seines Sohnes, und dachte sich das erste Abenteuer seines Ermittlers aus. Seitdem sind über 20 Jahre vergangen und 13 Bände erschienen, die Blessing ins Deutsche übersetzt. Den zweiten Band „Commissaire Le Floch und der Brunnen der Toten“ erhielt ich vom Bloggerportal als Rezensionsexemplar.

 

Am Abend des 27. Oktober 1761 wird der Sohn des Grafen de Ruissec tot im Stadtpalais der Familie aufgefunden. Das Bild, das sich Commissaire Nicolas Le Floch am Tatort bietet, wirkt eindeutig: das Zimmer des jungen Vicomtes war von innen verschlossen, unweit seiner Leiche liegt eine Kavalleriepistole und auf dem Schreibtisch entdeckt Nicolas einen Abschiedsbrief. Alles deutet auf Selbstmord hin. Doch einige Details wecken Nicolas‘ Misstrauen. Als sich die Gräfin de Ruissec heimlich an ihn wendet und um ein geheimes Treffen bittet, ahnt der Commissaire, dass sie mehr über die Umstände des Todes ihres Sohnes wissen könnte. Unglücklicherweise erleidet sie einen schrecklichen Unfall, bevor das Treffen stattfinden kann. Nicolas ist alarmiert. Er glaubt nicht an einen Zufall und fürchtet, dass die Gräfin zum Schweigen gebracht werden sollte. Unerschrocken nimmt er die Ermittlungen auf, die ihn bis an den Hof von Versailles führen…

 

Mit einem Fakt muss ich mich im weiteren Verlauf der Reihe „Nicolas Le Floch“ wohl abfinden: ohne die Führung des Protagonisten bin ich hoffnungslos verloren. Der Kriminalfall, den „Der Brunnen der Toten“ schildert, ist höllisch verzwickt und kompliziert. Ich hatte keine Chance, ihn selbst zu lösen oder auch nur ansatzweise korrekte Vermutungen über die Hintergründe aufzustellen. Ich behaupte, das ist nicht möglich, verfügt man nicht über denselben Wissensschatz wie der Autor Jean-François Parot. Parot war Historiker und Anthropologe, sein Fachgebiet war das Paris des 18. Jahrhunderts. Nur diese spezielle Expertise befähigte ihn, einen Kriminalfall für Kommissar Le Floch zu konstruieren, der die heiklen, unübersichtlichen Dynamiken am französischen Hof unter Louis XV. einbezieht. Es ist vorstellbar, dass sich im Umfeld des Königs zahlreiche Verschwörungen und unerwartete Allianzen formierten, aber ohne Nicolas, der den Leser_innen stets weit voraus ist und geheimniskrämerisch viele Verdächtigungen und Schlussfolgerungen für sich behält, hätte ich die Schuldigen niemals enttarnen können. Selbst mit seiner Hilfe und der Auflösung am Ende von „Der Brunnen der Toten“, die ich tatsächlich mehrfach lesen musste, um sie zu verstehen, war ich völlig aufgeschmissen. Ich frage mich nun, ob diese bewusst lancierte Unkalkulierbarkeit des Falles ein Grund zur Kritik ist. Hätte Parot die Ermittlungen seines Protagonisten nicht verdaulicher gestalten können und müssen? Aus der Perspektive eines normalen Krimis lautet die Antwort Ja. Nun handelt es sich bei den Bänden der Reihe jedoch nicht um normale Krimis. Es handelt sich um historische Krimis. Parot schildert nicht nur eine Mordermittlung, er proträtiert auch das 18. Jahrhundert. Ich bin überzeugt, seine Geschichten zielen primär darauf ab, seinen Leser_innen etwas beizubringen, sein Wissen über und seine Faszination mit dieser Epoche zu teilen. Das gelang ihm hervorragend. Deshalb gefiel mir „Der Brunnen der Toten“ sogar besser als „Das Geheimnis der Weißmäntel“, obwohl ich lernen musste, meine andauernde Ahnungslosigkeit zu akzeptieren. Ich kam viel tiefer in die Geschichte hinein, war sehr schnell durch und genoss die Lektüre, vielleicht gerade weil ich mich in Nicolas‘ fähige Hände begeben musste. Auch hatte ich weniger Schwierigkeiten mit seiner latenten Profillosigkeit, weil ich mittlerweile vermute, dass diese seiner Rolle als Kommissar geschuldet ist. Er transportiert den Fall, nicht mehr und nicht weniger, sein Privatleben ist weitgehend irrelevant. Daher benötigt er keine minutiös ausgearbeitete Charakterisierung; seine Funktion besteht darin, eine Ermittlung zu organisieren, die wiederum die gesellschaftlichen Umstände der Zeit wiederspiegelt. Für den zweiten Band griff Parot die bereits im Volk schwärende Unzufriedenheit mit dem starren Ständesystem auf, was ich äußerst interessant fand. Er zeigt zahllose Kleinigkeiten, deren Summe 28 Jahre später zur Französischen Revolution führt. Soweit ich weiß, wird Nicolas die Unruhen der Revolution auch miterleben – eine spannende Zukunftsperspektive für die Reihe und ein Grund mehr, sie weiterhin zu begleiten.

 

Es überrascht mich immer noch, wie gut mir Jean-François Parots historische Krimis gefallen. Seine Beschreibungen der Pariser Gegenwart im 18. Jahrhundert sind vorzüglich; kleine, authentische und häufig kulinarische Details hauchen seinen fiktiven, fesselnden Kriminalfällen rund um reelle Persönlichkeiten Leben ein und lassen eine aufregende Epoche des politisch-gesellschaftlichen Umbruchs in Europa auferstehen. Seine Leidenschaft für sein Fachgebiet ist spürbar, denn er erging sich nicht in drögen akademischen Betrachtungen, sondern nutzte seine Begeisterung, um sein Wissen ganz nah zu seinen Leser_innen zu bringen. Diese Kombination knackt sogar meine Schale aus Skepsis hinsichtlich zwei Genres, die es normalerweise schwer haben, mich abzuholen. „Der Brunnen der Toten“ war eine mitreißende Lektüre und ich freue mich auf weitere Abenteuer mit Nicolas Le Floch – trotz der Erkenntnis, dass ich ohne ihn keinen einzigen Fall lösen könnte.

 

Vielen Dank an den Verlag Blessing und das Bloggerportal von Random House für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars im Austausch für eine ehrliche Rezension!

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2020/01/22/jean-francois-parot-commissaire-le-floch-und-der-brunnen-der-toten
Like Reblog Comment
text 2020-01-01 22:13
Retrospective 2019
Kallocain: Roman aus dem 21. Jahrhundert - Karin Boye,Helga Clemens
Sauriergeschichten - Ray Bradbury,Fredy Köpsell,Andrea Kamphuis
Ein leeres Haus - Lidija Čukovskaja,Melissa Mathay
The Undying Fire - H.G. Wells
Erwachen im 21. Jahrhundert - Jürg Halter
What I Loved - Siri Hustvedt
The Electric State - Simon Stålenhag

Looking back at 2019 I really liked a lot of the books that I have read, but as always, there were a couple of disappointments as well. Due to the fact that I also had to write my master’s thesis (which – heureka! – is finally done), I set my goal for the annual Reading Challenge quite low at 20 and for the first time in the four years I have been doing this, I successfully managed to meet this goal.

Before I start a new year of reading, I would like to take the time for a short retrospect and share with you what I liked and disliked and why.


The top 3 of 2019
First and foremost I would like to highlight Kallocain by Karin Boye as one of the best novels I have read this past year. It is not only an example of superb writing, but it features some incredibly strong scenes that are still on my mind and still get to me whenever I think about them.
Secondly, everything written by Bradbury, but especially his Dinosaur Stories, because they were so passionate and imaginative, that they outshine Fahrenheit 451 as well as Now and Forever in this regard.
And the third place goes to Lidija Čukovskaja for her novel The deserted House, the touching and bigger than life tale of Olga Petrovna that brought tears to my eyes.


The bottom 3 of 2019
I was immensely disappointed by The Undying Fire, not only because I highly admire H. G. Wells, but also because it had such a promising start. Overall, it is too lengthy and the structure depends too much on lining up monologue after monologue after monologue that it is hard to keep your interest up.
Another big letdown was Erwachen im 21. Jahrhundert by Jürg Halter. Again, I had quite high hopes, but unfortunately this novel is too pessimistic for my taste and it is so over the top cynical! Due to Halter being a poet rather than a novelist the text is also quite demanding, which is not a bad thing per se, but in this case it is so overflowing with so much at the same time that I reached a mental overload multiple times.
Finally, Siri Hustvedt’s What I loved was by far the worst. Too descriptive, too ivory-tower elitist, a complete lack of inner logic and in my opinion, a bunch of unbelievable and uninteresting characters.


Honourable Mentions
There is one book I would like to add as an honourable mention: Simon Stålenhag’s The Electric State. Since I primarily bough it, because I had already fallen in love with his artwork a couple of years ago, I was not disappointed, even though the storyline is a little on the weak side.

Like Reblog Comment
review 2019-05-29 18:39
You might wanna read this one on a bright happy day and in a good mood
Erwachen im 21. Jahrhundert - Jürg Halter

I first encountered Jürg Halter when he was participating in the Bachmann Prize in Klagenfurt a couple of years ago (if you don‘t know, this is an annual festival for German-language literature) and for me, he was the top candidate to win the prize that year. Unfortunately he didn’t, but regardless of that, I started following his work and was thrilled when I heard that he published his first novel in prose (so far, he has already published a couple of poems, but since I am a sucker for prose, I skipped them).

The fact that Halter is primarily a poet and not a prose writer is apparent from the very beginning. He crams way too much into each and every sentence - moral, metaphors, various information, satire, cynicism, social critisism, allegories, allusions, despair, fear of the future, nostalgia, and sometimes even more. Combined with the already quite poetic and ornamented language, it quickly becomes too much to process and you either get exhausted after a couple of pages and are forced to take a break or your mind shuts itself off and you stop thinking along. I presume that Halter (like many contemporary writers) is very much aware of the linguistic traits he intends to use and due to a poets natural love for language, he was trying to make each and every sentence stand out and seem extra special. This results in some neat writing, but at the same time, each sentence and each sequence constantly try to overpower each other and you as a reader are left somewhat overwhelmed and partially clueless about what to do with this text.

Besides being quite critical of society, this novel is also very cynical. It is filled with exactly the kind of everything-is-shit-and-the-whole-world-is-going-down-no-matter-what cynicism which we have way too much of nowadays. While I can’t argue, that the protagonist isn’t right or justified in his cynicism, he clearly takes the easy way out since it is easy to complain about everything and everyone, without trying to provide any solutions or suggestions. Cynicism can be fun in moderation, but in this case, it was not helping.

In the end, Erwachen im 21. Jahrhundert is a postmodern (kind of pessimistic) analysis of our contemporary Central European society that is written from the perspective of a societal dropout and given the form of fleeting images, self-reflection and dialogues (even old school letters) between partners who talk but who cannot (or do not want to) communicate with each other. It is also an effigy of modern (digital) communication structures, which are dominated by the constant switching between more or less coherent metaphors, images, topics, opinions and views up to the point where nobody can grasp the big picture any more, because too much is happening way too fast.

I guess, what I am trying to say here is, that this novel needs getting used to and although it is partially really dissatisfactory and it brings you down, it is well written and therefore in a weird way still somewhat fascinating.

Like Reblog Comment
text 2019-05-27 09:56
Reading progress update: I've read 165 out of 227 pages.
Erwachen im 21. Jahrhundert - Jürg Halter

I don't know about this one.

It is partially good and partially bad, so I don’t love it, but I also don't hate it.

Like Reblog Comment
review 2019-03-19 13:48
Kallocain
Kallocain: Roman aus dem 21. Jahrhundert - Karin Boye,Helga Clemens

First published in 1940, Boye creates an uncanny and throughout above-average dystopian novel in which the protagonist Leo Kall invents the drug Kallocain, which, once injected, forces you to say the truth for eight minutes straight while being fully conscious and aware of it – all of this in a totalitarian, paranoid surveillance society.

 

And what happens? It turns out, that everyone, even the most faithful poster citizen is hiding something. Not necessarily a crime, but everyone has his or her personal skeleton in the closet he or she is trying to hide from the state, from their families and/or even from themselves. Of course, an invention like that is easily exploited, especially, after a law is passed according to which one can be convicted on the basis of their thoughts and intentions only, because with the help of a little Kallocain, you have no other choice than to tell it all (Minority Report problems, anyone?).

 

It is the old, but unfortunately still relevant tale of exchanging freedom for assumed security which in the end results in a state of terror, because the omnipresence of surveillance creates fear and paranoia instead of security. The novel starts a bit slow, but picks up speed quite soon and stays exciting throughout despite having a relatively predictable plot and mostly ok characters with the exception of the protagonist, his wife and the chief of police - those three are great, multifaceted figures.

 

Despite its flaws, Kallocain offers a number of strong scenes, ideas and images, many of them concerning human relations and let me tell you, that some of them really go deep. There is a gruelling forlornness lingering in this text, but Boye shows an amazing finesse in dealing with it.

More posts
Your Dashboard view:
Need help?