*Worum geht's?*
Daphne, die Tochter von Lilith und dem gefallenen Engel Luzifer, ist eine Dämonin und ihre Heimat ist die Hölle. Nichts kann sie dazu bringen, auf die Erde zu reisen und dort den Männern die Lebensenergie auszusaugen, wie es ihre Schwestern tun. Doch dann beschließt ihr Bruder Obie, die Hölle aus Liebe zu einer menschlichen Frau endgültig zu verlassen. Daphne ist entsetzt: Wie kann er sein sicheres Leben gegen todgeweihtes tauschen? Ist ihm nicht klar, dass der Todesengel Azrael auf der Erde, dem einzigen Ort, an dem er ungeschützt ist, alles tun wird, um ihn zu vernichten? Daphne muss ihn zurückholen! Sie reist in die Welt der Sterblichen und sucht Truman Flynn auf, einen jungen Mann, der Obie gekannt hat. Mit seiner Hilfe macht sie sich auf die Suche nach Hinweisen - und macht Azrael auf sich aufmerksam, der seine Lakaien aussendet, um Daphne zu vernichten. Plötzlich befinden sich die beiden in einem Wettlauf gegen die Zeit. Mit jeder Sekunde, die verstreicht, versiegt die Chance, Obie lebend wiederzufinden - und Azraels Schergen rücken näher und näher...
*Kaufgrund:*
Nach Yovanoffs grandiosem Debüt "Schweigt still die Nacht" war mir sofort klar: Diese Autorin wird mir noch viele tolle Lesestunden bescheren! Ihr zweiter Roman musste also sofort ins Haus!
*Meine Meinung:*
Hölle, Erde, Himmel - Brenna Yovanoffs neuester Roman, "Die Blumen des Schmerzes", ist in drei Teile gegliedert, die nicht nur nach den religiösen Weltabschnitten benannt sind, sondern tatsächlich auch dort spielen. Yovanoff hat sich nicht nur in Sachen Schauplatz von Religionen inspirieren lassen, sondern beschlossen, ihre gesamte Geschichte darauf aufzubauen. Viele Charaktere sind aus der Bibel oder anderen religiösen Überlieferungen mitsamt ihrer Vergangenheit und ihren Fähigkeiten entnommen worden. So basiert "Die Blumen des Schmerzes" zum Beispiel auf der unverblümten Schöpfungsgeschichte mit Adam, Lilith und Eva, dem Fall der Engel oder der Geschichte des islamischen Todesengels Azraels. Die Autorin knüpft an die dunklen Geschichten der verschiedenen Religionen an und spinnt eine eigene Handlung daraus: Die Dämonin Daphne, die Tochter von Lilith und Luzifer, verlässt ihre Heimat, die Hölle, um auf der Erde nach ihrem Bruder Obie zu suchen. Er hatte beschlossen, aus Liebe zu einer menschlichen Frau das Pandämonium hinter sich zu lassen und ein friedvolles Leben auf der Erde zu führen. Doch Obie hat seinen Plan ohne Azrael geschmiedet, einem Erzengel, dem jedes Mittel recht ist, um die Dämonen von der Welt der Sterblichen zu vertreiben.
Eine spannendes und mitreißendes Abenteuer beginnt, das Daphne zum Glück nicht allein durchstehen muss. Zusammen mit Truman, einem verzweifelten und perspektivlosen jungen Mann, macht sich Daphne auf der ihr völlig fremden Erde auf Spurensuche. Alles scheint ausweglos, denn niemand weiß, wo Obie sein könnte oder was mit ihm geschehen ist. Nur eines ist sicher: Ihm ist etwas schreckliches zugestoßen. Während Daphne und Truman Hinweisen nachgehen, mordet der Erzengel Azrael fröhlich weiter Dämonen und plötzlich befindet sich auch Daphne in Gefahr. Brenna Yovanoff hat in "Die Blumen des Schmerzes" eine grausige und brutale Geschichte geschrieben, die mit brutalen Morden, ausgeweideten Leichen und fürchterlichen Verzweiflungstaten mehr als bedrückt. Man gerät oft in Versuchung, eine Lese- und Verschnaufspause einzulegen, doch man ist zu fasziniert und gebannt von der Geschichte, um es tatsächlich durchzuziehen. Letzten Endes wird man nicht enttäuscht werden, auch wenn der letzte Abschnitt leider etwas schwächelt.
Neben der düsteren Stimmung, die viel extremer ist als die in Yovanoffs Debüt, gibt es aber auch eine zärtliche, sanfte Liebesgeschichte, die Hoffnung und Lichtblicke schenkt. Also keine Angst, die Handlung besteht nicht nur aus blutigem, religiösem Gemetzel! Während ihrer gemeinsamen Zeit kommen sich Daphne und Truman immer näher, wollen es aber nicht wahrhaben. Daphne will nicht wie ihre Schwestern werden - Sukkubi, die sich vom Leid der Männer nähren und ihnen durch Küsse die Lebensenergie entziehen. Sie weiß nicht einmal, was Liebe ist, und ist fest davon überzeugt, als Dämonin ein gefühlloses Wesen zu sein. Truman dagegen weiß sehr wohl, was es bedeutet, zu lieben, und wünscht sich nichts sehnlicher, als es stoppen zu können. Gemeinsam entdecken sie die schönen Seiten der Liebe, geben einander Halt und Unterstützung und bauen den anderen auf. "Die Blumen des Schmerzes" hat eine Liebesgeschichte fernab von Mainstream, die unter die Haut geht und jede Faser unseres Herzens berührt. Es ist keine fröhliche Geschichte, aber eine der tiefgründigsten und schönsten, eine, die uns eine andere Seite zeigt, eine, die uns beweist, dass man auch nach den größten Rückschlägen die Liebe wiederfinden kann.
Der Großteil der Geschichte wird aus Daphnes Sicht beschrieben. Die Dämonin ist fasziniert von der Erde, hat sich aber nie aus der Hölle herausgewagt. Nicht nur ihre Mutter Lilith, auch ihre Schwestern drängen sie dazu, ihrer Natur nachzugeben, doch sie weigert sich strikt. Sie will nicht wie die anderen sein, kann sich nicht mit ihnen identifizieren. Bloß ihr Bruder Obie, einer der wenigen guten Dämonen, versteht sie. Als er die Hölle endgültig verlässt, spürt Daphne, dass ihm etwas zustoßen wird. Sie muss ihn zurückholen! Auch wenn sie sich für ein gefühlloses Wesen hält und dies durch ihre kalte und nüchterne Art sicher nicht weniger glaubhaft wird, spürt man doch sehr schnell, dass sie fähig ist, zu lieben. Sie ist oft einmal und allein, fühlt sich unnütz und unbedeutend und verdrängt dadurch ihre wahren Gefühle - dennoch liebt sie! Sie liebt ihren Bruder, ihre gemeinsame Zeit, die Dinge, die er ihr von seinen Missionen auf der Erde mitbringt. Erst durch ihre Abenteuer mit Truman blüht sie langsam auf und findet zu sich selbst, zum Leben und zur Liebe.
Während Daphne "bloß" ein einsamer Charakter ist, ist Truman die pure Verzweiflung. Einige Kapitel konzentrieren sich auf ihn und ein personaler Erzähler lässt uns an seinen dunklen Gedanken teilhaben. Er hat in seinem Leben viel mitmachen müssen, war nie sonderlich glücklich und seit dem Tod seiner Mutter hat er sich selbst aufgegeben. Die Narben an seinem Körper sind die Zeugen seiner Trauer und Verzweiflung und ihm ist jede Sünde recht, um sich vergessen zu können. Ebenso wie Daphne muss er neu lernen, was es bedeutet, zu lieben und zu leben. Bei zwei so extremen Protagonisten ist es fast unmöglich, sich mit ihnen zu identifizieren, aber das ist in "Die Blumen des Schmerzes" gar nicht nötig. Man wird von all den Gefühlen so überrannt, dass man definitiv mitfühlt - und das nicht zu knapp!
In "Die Blumen des Schmerzes" sind die Dämonen und Engel keine glitzernden Schönlinge, sondern das genaue Gegenteil: furchteinflößende Wesen, die sich von nichts und niemandem aufhalten lassen. Eine klare Aufteilung in Gut und Böse gibt es bei Brenna Yovanoff nicht; sowohl Engel als auch Dämonen haben ihre Schattenseiten - obwohl mir die Dämonen ja wesentlich sympathischer waren! In ihrem Debüt kamen die Nebenfiguren viel zu kurz und ihr Handeln war oft nicht nachvollziehbar, aber diesen Fehler hat die Autorin nicht noch einmal gemacht. Für meinen Geschmack haben sie zwar nach wie vor nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen, aber immerhin genügend, um jeden ihrer Schritte verstehen zu können. Das nächste Mal bitte etwas mehr Beachtung für die Nebencharaktere, Frau Yovanoff - oder sie gestalten endlich mal Figuren, für die man sich nicht eine eigene Geschichte wünscht!
Bereits in "Schweigt still die Nacht" hat uns die Autorin bewiesen: Sie ist eine wahre Künstlerin! Mit ihrer düsteren Atmosphäre und ihrem malerischen Schreibstil hat sie uns in den Bann gezogen. Nun hat sich Brenna Yovanoff in ihrem zweiten Roman nochmals selbst übertroffen. Mit wunderschönen und tiefgründigen Metaphern und einer dunklen, traurigen Stimmung hat sie einen poetischen Roman geschaffen, der die Seele berührt. "Die Blumen des Schmerzes" ist schaurig und schön zugleich - ein starker Kontrast; zwei Gegensätze, die Brenna Yovanoff verbindet, als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt. Ihre kreative Abnormität macht sie zu einer einzigartigen Autorin, die ihren festen Platz in meinem Leserherzen sicher hat.
*Cover:*
Die deutsche Ausgabe hat das Originalcover beibehalten und nur kleine, farbige Veränderungen vorgenommen. Ich bin immernoch sprachlos, wenn ich es ansehe. Es ist kein Cover, sondern ein Kunstwerk, dass die gesamte Geschichte in einem kleinen Bild perfekt zusammenfasst und die Atmosphäre hervorragend einfängt. Wow!
*Fazit:*
Mit "Die Blumen des Schmerzes" ist Brenna Yovanoff ein Roman gelungen, der im Gedächtnis bleibt. Zwischen den Buchdeckeln findet sich eine grandiose und außergewöhnliche Geschichte, die mit ihrer speziellen Art sicherlich aneckt. Entweder man hasst es - oder man liebt es. Wer mit "Schweigt still die Nacht" schon nicht viel anfangen konnte, wird wohl auch mit "Die Blumen des Schmerzes" nicht glücklich werden. Ich für meinen Teil bin berührt, bewegt, begeistert! Deshalb gibt es von mir sehr gute 4 Sterne.