Kerr-Ann Dempster erzählt eine komplexe Geschichte, in der übernatürlich begabte Wesen unerkannt unter den Menschen leben, aus ihrer eigenen Welt verbannt und ihrer Unsterblichkeit beraubt. Sie beschwört eine magische Parallelwelt herauf, die in meinen Augen von den vielen einfallsreichen Details lebt, die sie bunt und überzeugend machen. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Autorin alles bis ins Kleinste durchdacht hat.
Interessant fand ich besonders die vielen verschiedenen Fähigkeiten, die die Aramithianer entwickeln können, von Telepathie über Pyrokinese bis zum Gestaltwandeln. Aubrey, die Heldin des Buches, ist eine "Jumper", was heißt, dass sie mit einem anderen Menschen die Seele tauschen kann - was der für gewöhnlich nicht überlebt, weswegen die Jumper gefürchtet und verachtet werden. Bei jedem Tausch wird die Seele des Jumpers sozusagen zerrissen und wieder zusammen gesetzt, und irgendwann rächt sich das, indem der Jumper immer mehr seiner Persönlichkeit verliert.
Das Buch geht direkt spannend los, denn Aubrey wird erbarmungslos gejagt von der "Hawk Unit", einer Gruppe von Gestaltwandlern, deren einziges Ziel es ist, sie zum Opferaltar zu schleppen. Diese Spannung blieb für mich das ganze Buch hindurch konstant erhalten, denn es gibt immer wieder unerwartete Wendungen.
Es wirft auch interessante moralische Fragen auf. Kann man von einem Menschen erwarten, sich für die Mehrheit zu opfern, also Leben quasi gegeneinander aufrechnen? Anders herum: darf man das, das eigene Leben retten, in dem man andere zum Tode verurteilt?
Die Charaktere erwachten in meinem Kopf schnell zum Leben. Die Autorin hat ein gutes Gespür dafür, ihre Persönlichkeit schon in wenigen Worten zu umschreiben.
Aubrey war mir direkt sympathisch, und ich konnte sehr gut verstehen, dass sie nicht sterben will, auch wenn das ihrem Volk die Unsterblichkeit wiedergeben würde! Um ihren Jägern zu entkommen, tauscht sie mehrfach die Körper, bemüht sich aber darum, Menschen zu finden, die ohnehin sterben müssen oder wollen - so springt sie zum Beispiel in ein Mädchen, das schon dreimal versucht hat, sich umzubringen. Dennoch fand ich problematisch, dass sie im Zweifelsfall bereit ist, das Leben eines Unschuldigen gegen ihr eigenes einzutauschen.
Ausgerechnet Aubreys Vater ist der Befehlshaber der Hawk Unit, und sein einziges Ziel ist es, seine Tochter zu finden und zu opfern. Er war mir manchmal zu übertrieben grausam und zu einseitig böse, da fehlte mir ein wenig der Tiefgang und das Gefühl, dass dahinter ein Mensch mit nachvollziehbarer Motivation steckt. Er war der einzige Charakter, zu dem ich keinen rechten Zugang fand.
Auch Aubreys Schwester Morgan ist skrupellos, hasserfüllt und sadistisch, aber man spürt dahinter einen großen Schmerz und eine große Verlorenheit.
Die beiden wichtigsten Männer in Aubreys Leben sind Joshua und Coy. Beide sind Jäger und damit automatisch Aubreys schlimmste Feinde, aber durch einen Pakt mit ihnen erkauft sie sich ein wenig Zeit - die sie allerdings unter den wachsamen Augen der beiden verbringen muss.
Joshua war mir ehrlich gesagt zutiefst unsympathisch. Ich fand ihn arrogant, überhablich und selbstherrlich, und ich konnte wirklich nicht verstehen, was Aubrey an ihm findet. Er ist eiskalt bereit, Menschen umzubringen, die ihm im Wege stehen, und da interessiert es ihn zum Beispiel auch nicht, dass derjenige eine schwangere Freundin hat...
Coy war mir da schon viel lieber. Auch er benimmt sich manchmal wie ein vor Testosteron strotzender Macho (vor allem, wenn er von Joshua provoziert wird), aber er kann sein eigenes Verhalten hinterfragen und sich ehrlich entschuldigen. Außerdem scheint er ein weiches Herz und eine romantische Ader zu haben, was ihn mir sehr sympathisch gemacht hat.
Ich würde die romantische Seite der Geschichte gar nicht so sehr als Dreiecksgeschichte charakterisieren, denn es kristallisiert sich schnell heraus, dass die Liebe zu einem der beiden keine Zukunft hat und außerdem einseitig ist. Mir hat gut gefallen, dass sich Aubrey entscheidet und sich die Sache nicht ewig unschlüssig hinzieht.
Den Schreibstil fand ich wunderbar bildlich und lebendig, mit tolle Formulierungen und großartigen, atmosphärischen Bildern. Die Autorin erweckt die Welt des Buches wirklich zum Leben! Nur selten war mir der Schreibstil ein bisschen zu überdramatisch, meist habe ich in einfach geliebt.
Fazit:
Ich fand den Schreibstil wunderbar, bildreich und flüssig zu lesen. Die Geschichte ist in meinen Augen spannend, komplex und originell, wobei sie auch interessante moralische Fragen aufwirft. Auch die Charaktere fand ich (bis auf eine Ausnahme) sehr überzeugend.