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review 2019-01-30 04:48
Bosnische Dorfgemeinschaft vor, im und nach dem Krieg
Wie der Soldat das Grammofon repariert: Roman (Das Besondere Taschenbuch) - Sasa Stanisic

Wow dieser Sasa Stanisic kann wirklich erzählen! Liebevoll präsentiert er uns kuriose Geschichten aus einem kleinen bosnischen Dorf, durch die wir den Protagonisten Aleksander, einen Jungen irgendwo zwischen 10 und 15 Jahren, seine Familie und eigentlich die ganzen Bevölkerung dieses Mikrokosmos kennen und lieben lernen. Dabei geht es um ganz normale Erlebnisse, wie das Leben eben so spielt, es ereignen sich teilweise sehr lustige, entzückende und dann auch wieder unglaublich herzzerreißende Szenen. Ich liebe diese Art von Familiengeschichten. Als Aleksander von seinem Opa einen Zauberhut und einen Zauberstab geschenkt bekommt, wird diese Szene mit folgenden Erklärungen begleitet:

"Im Hut und im Stab steckt eine Zauberkraft, trägst Du den Hut und schwingst Du den Stab, wirst Du der mächtigste Fähigkeitenzauberer der Blockfreien Staaten sein. Vieles wirst Du revolutionieren können, solange es mit den Ideen von Tito konform geht und in Übereinstimmung mit den Statuten des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens steht"


Als Opa ein paar Tage später plötzlich an einem Herzinfarkt stirbt, will Aleksander den toten Opa lebendig machen und macht sich - als es nicht funktioniert - Vorwürfe, dass er die ganze Zauberkraft des Stabes für den Weltrekord von Carl Lewis am Tag vor Opas Tod aufgebraucht hat. - Das ist wirklich herzzerreißend!

Aber auch mit Humoristischem wird bei der Beschreibung des Dorfes nicht gespart. In diesem Roman habe ich eine der groteskesten, geilsten Ehebruchszenen ever gefunden. Der Vater von Aleksanders bestem Freund (Spitzname Walross) kommt zu früh mit seinem Sohn heim, Mutter bläst indes dem Trafikanten einen und wird prompt in flagranti erwischt, Vati ist nur wütend, und wirft dem Trafikanten vor, ihn, der ihm sogar einen Kredit für sein Geschäft gewährt hat, schändlich betrogen zu haben. Er dreht aber völlig durch und packt die Puffn aus, als er merkt, dass der Trafikant beim Tetris seinen Highscore in seinem eigenen Haus auf den ersten 3 Plätzen geknackt und das Kapital von Karl Marx auf den Boden geschmissen hat.  Vati schmeißt beide raus und spielt bis Mitternacht, um diese Schande zu tilgen. Als er damit fertig ist, stapft er mit dem Gewehr zur Wohnung des Trafikanten, zerschießt, als er niemanden mehr antrifft, alle Fenster, trägt sich auch dort im Tetris auf den ersten drei Plätzen ein, schmeißt alle Büche auf den Boden und kackt auf den Teppich. Das nenne ich mal eine gerechte Rache!

Als der Bosnienkrieg ausbricht, dreht sich die heiter-groteske Stimmung des Romans in eine bedrohlich-groteske. Alles wird aus der Sicht des vertäumten Protagonisten kommentiert: das Grauen, die marodierende Soldateska, Tod, Flucht nach Deutschland, Verlorenheit und Sehnsucht, Integration, Frieden und Weigerung zurückzukehren zu diesen Mördern.

Auf Seite 163 war ich dann erstmals nicht mehr richtig glücklich mit diesem Roman, denn ab diesem Punkt verlor er völlig seinen chronologischen Bezug und seine Verankerung - im Prinzip hat er sogar die Mitte verloren. Das begann, als der Autor ein Buch im Buch begann, also die Aufzeichnungen von Aleksander respektive seine Schreibversuche in die Geschichte  einbaute. Was an und für sich in dieser Konstellation schon totaler Mumpitz ist, denn auch alles davor war aus der Sicht und mit der lyrischen Sprache des kleinen Jungen erzählt, die dürftigen Inhalte hätte man leicht davor logisch und chronologisch in den Hauptstrang einbauen können. Also nachdem Aleksander seinen Status als erwachsener und bestens integrierter Deutscher erreicht, beginnt die Geschichte in Fragmenten wieder von vorne, das Dorf vor dem Krieg - der Krieg - nach dem Krieg - und so weiter. Aber damit nicht genug, es werden weitere Schleifen eingezogen. Als die Schreibversuche des Protagonisten zu Ende sind, fährt der erwachsene Aleksander zurück nach Bosnien, um ein Mädchen zu suchen, das er in der ersten Kriegsnacht kennengelernt hat. In Bosnien angekommen gibt es wieder chronologische Schleifen und Rückblenden in das Dorf vor dem Krieg, in die Schicksale der Dorfbewohner während des Krieges und danach. Hier hat sich der Autor nicht mal mehr die Mühe gemacht, zu erklären, wer aus dem Dorf sich denn da tatsächlich in Rückblenden erinnert, es wird einfach unerklärt immer ohne Sinn und Verstand in den Zeiten vor- und zurückgesprungen.

Versteht mich nicht falsch, was die stoboskopartigen Szenen der Vergangenheit und die weder chronologischen noch logisch konsistent eingebauten Fragmente zum Gesamtinhalt beitragen, kann nicht weggelassen werden, weil es so essentiell ist. Teilweise erschließt sich erst jetzt, wie in diesem bosnischen Dorf ehemalige Nachbarn sich plötzlich auf gegensätzlichen Seiten des Krieges befinden, wie sich dieser Hass und die lapidare Grausamkeit gegen die sehr guten Freunde einfach auf Grund von unterschiedlichen Ethnien aufbaut. Diese sehr wichtige Frage im Jugoslawienkrieg, wie man so plötzlich Ressentiments bis zum Hass auf Freunde entwickeln kann, beschreibt das Buch nämlich ziemlich genau zum Beispiel in einer sehr grotesken Szene, als sich zwei ehemalige Schulkollegen plötzlich auf unterschiedlichen Seiten des Schützengrabens befinden und sich im Rahmen eines Fußballspiels während des Waffenstillstandes begegnen. Diese unversöhnlichen Gräben, die nun genau beleuchtet werden, ziehen sich auch durch  Aleksanders Familie, dessen Vater eine Muslima geheiratet hat, und der alleine schon deshalb seine ganzen Verwandten und das Land schleunigst verlassen musste.

Trotz dieser Notwendigkeit der Rückblenden und näheren Erläuterungen hat der Aufbau der Geschichte einfach ziemlich plötzlich komplett den roten Faden verloren und ich als Leserin habe ausgerufen "Kann man das irgendwie ein bisschen ordnen bitte!"

Sogar der Autor wird sehr ambivalent, denn seine Figuren empfehlen genau jene Chronologie beim Geschichtenerzählen, an die sich Sasa Stanisic in seinem Aufbau bedauerlicherweise nicht gehalten hat.
Eine gute Geschichte ist wie unsere Drina: nie ein stilles Rinnsal, sie sickert nicht sie ist ungestüm und breit, Zuflüsse kommen hinzu [...].
Aber eines können weder die Drina noch die Geschichten: Für beide gibt es kein Zurück. Das Wasser kann nicht umkehren und ein anderes Bett wählen [...].


Fazit: Trotz des chrononlogischen Tohuwabhus, das  die gesamte Geschichte aus der logisch-zeitlichen Verankerung  gerissen hat, ziehe ich nur einen Stern ab, denn der Roman ist wirklich grandios erzählt und beleuchtet einen ganz wesentlichen Aspekt genauer, den ich schon immer wissen wollte, und der mir von anderen Autoren noch nie beleuchtet worden ist. Nämlich: Was zum Teufel mit den Menschen untereinander eigentlich im Bosnienkrieg und im Kossovo passiert ist, in dem eine fast 50 Jahre ineinander verwobene integrierte, friedlich zusammenlebende ethnische Gesellschaft einfach so derart implodieren konnte. Auf jeden Fall absolut lesenswert!

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review 2016-01-04 05:19
Langweiliger, flacher, klischeehafter Pornoroman, der sein erzählerisches Potenzial nicht zu nützen weiss
Plattform - Michel Houellebecq

Diese widerliche Sexismusphilosophe von Houellebecq ist schwer zu ertragen. Ein ältlicher verbrauchter fader alter Sack von einem Staatsangestellten, der auf einer 10teiligen Attraktivitätsskala eine 0,5 belegt, sudert und philosophiert über die Unlust europäischer Frauen, und beschwert sich, dass sie von ihm verlangen, zumindest intelligent oder witzig zu sein, wo er sich ja so gar nicht anstrengen möchte. Gleichzeitig will er eine Frau mit dem Ranking von 10+2 und fordert im Gegenzug alles von Frauen: Jugend, Schönheit, perfekter Busen & Hintern, gut im Bett...Sehr gut dass diese weinerlichen Versager, die sich offensichlich noch nie ehrlich im Spiegel betrachtet haben, meist durch die europäische Qualitätskontrolle der Frauen fallen und von der Evolution normalerweise hinweggefegt werden. Denen bleiben dann ja noch die viel besseren so braven Thai-Mädchen. Ich muss immer sehr lachen und begeistert applaudieren, wenn diesen alten Widerlingen anschließend von Thai-Frauen und ihren Familien das kleine mittelprächtige Ersparte komplett weggenommen wird ("kenne sehr viele Fälle). Bravo! Gut gemacht! Diese Karrikaturen von Männern glauben doch wirklich, es gibt alles umsonst ohne irgendeine Gegenleistung nur weil sie Gottes Geschenk an die Menschheit sind.

 

Die erzählerischen Stärken von Houellebecq sind die treffenden Skizzierungen von unterschiedlichen Charaktären und die Beschreibung der thaländischen Rundreise. Auch die ersten Sexszenen, als der alternde Beamte unverhofft auf seine große Liebe Valerie trifft, sind nicht schlecht geschrieben. Leider bleibt es dabei, dass sich der Autor bei dieser offensichtlich tiefen innigen Beziehung im Ausdruck der Gefühle nur auf das Schlafzimmer beschränkt und bald wird das Rein-Raus-Spiel inklusive 3ern und 4ern mit wechselnden Partnern (man will ja nicht prüde sein und braucht ständig einen neuen Kick) - gähnend laangweilig und auch flach. Für einen Autor, der sein Handwerk verstehen sollte, sind die Gefühle dieser Beziehung total armselig fast schon wortkarg beschrieben.

 

Dann folgt die Konzeption der "Plattform, auf der laut Klappentext jeder gibt was er/sie hat, die einen ihren Körper, die anderen Geld. Ja in welcher Zeit ist denn dieser Methusalix von Autor aufgewachsen? Im Jahr 2002 keine Internet Plattform? Diese Konzeption hätte mich wirklich interessiert. Nein Houellebecq ist sowohl in seiner Gefühlsarmut als auch in der Zeit steckengeblieben und hat die digitale Revolution und manches andere verschlafen. Er präsentiert mir als Leserin die Umwandlung von Club Med-artigen Ferienclubs in quasi Bordellclubs tatsächlich als Idee - doppelt laangweilig und genervt.

 

Das letzte Potenzial der Geschichte verspielt er dann auch noch leichtfertig. Es wäre spannend gewesen zu sehen, wie sich diese auf Sex basierende Beziehung durch den Druck, ständig Neues und Sensationen zu erleben, indem man neue Sexpartner dazunimmt, nach und nach totläuft. Aber nein - die bösen Islamisten auf Krabi kommen und löschen die große Liebe durch einen religiös motivierten Terroranschlag aus. Wie platt und klischeehaft ist das denn? Wundert mich sowieso, dass er in einem riesengroßen 90% buddhistischen Land, in dem sowas normalerweise niemanden kratzt, den Sexclub ausgerechnet in Krabi, einer kleinen Provinz positioniert, die einzige Gegend, in der die Bevölkerung muslimisch ist. So ein dämliches Management existiert wirklich nur in Houelles Kopf-Fiktion und gehört alleine schon aus unglaublicher Dummheit mit einer Kalaschnikov niedergemäht.

 

Fazit: Ein paar erzählerische Stärken, ansonsten absolut entbehrlicher Roman und höchstenfalls nur als Onaniervorlage geeignet.

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review 2015-12-23 05:38
Savannah und seine Einwohner unter dem Brennglas
Mitternacht im Garten von Gut und Böse ( 1997 ) - John Berendt

Ein wunderbares Sittenbild der Ober- und Mittelschicht von Savannah. Mammamia John Berendt kann erzählen, detailreich und bildhaft, aber nicht übertrieben skizziert er punktgenau das verschlafene Städtchen. Die unzähligen Charaktäre der Stadt sind treffend mit spitzer Feder und tiefgründig beschrieben, die Häuser, das Interieur und die schöne Stadt sieht der Leser buchstäblich vor seinen Augen.

 

"...und Augen die so schwarz waren, dass sie wie die getönten Scheiben einer eleganten Limousine wirkten - er konnte hinaussehen, aber niemand hineinsehen."

 

"An Adeligen ist nur all das aristrokratische Zierwerk erstrebenswert, all die Dinge, die verkauft werden, wenn das Geld knapp wird. Und das ist immer irgendwann der Fall. Übrig bleiben ihnen nur die reizenden Umgangsformen."

 

"Wenn Du nach Atlanta kommst, fragt man Dich zuerst, womit Du Dein Geld verdienst, in Macon, in welche Kirche Du gehst, in Augusta fragen sie nach dem Mädchennamen Deiner Großmutter. In Savannah jedoch lautet die erste Frage: "Was möchten sie gerne trinken."

 

Auch geizt der Autor nicht mit atemberaubend irren Ideen z.B. betäubt ein verhinderter Erfinder Fliegen, klebt ihnen Fäden an und geht mit ihnen spazieren.

Tragische Hauptfigur des Romans ist der reiche homosexuelle Emporkömmling Jim Williams, der einen jungen gewaltätigen "Mitarbeiter" erschießt. Im folgenden Prozess wetzen der ihm spinnefeind gesinnte Uperclass Gegenspieler mit altem Geld und der gekaufte Staatsanwalt die Messer. War es Mord oder Totschlag oder Notwehr? Viele Lügen auf beiden Seiten werden nach und nach in einer regelrechten Prozesslawine quer durch die Instanzen aufgedeckt. In den vielen Nebenhandlungssträngen gibt es außerordentlich liebevoll gezeichnete zahlreiche kuriose Figuren, sodass der Leser bald überzeugt ist, zumindest die Innenstadt von Savannah und ihr gesellschaftliches Leben genau zu kennen.

 

Einen Stern ziehe ich ab, denn der Fokus des Romans zielt mir allzusehr detailverliebt auf Beschreibung und Figurenaufbau, denn auf Handlung und ich kann die amerikanische Overschicht ums Verrecken nicht leiden :-)

 

Fazit: Hervorragender Roman, bildgewaltig mit der Wucht eines Vorschlaghammers, der mir um eine Nuance zu sehr die Handlung und die Aussage vernachlässigt hat.

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review 2015-12-21 04:07
Gutes Familiendrama mit dem Erzähltempo einer französischen Weinbergschnecke
Der Hof - Simon Beckett,Juliane Pahnke

Meine Forderung an den Autor nach neuen Geschichten und Figuren, die ich in meiner Rezension zu Kalte Asche aufgestellt habe, hat Beckett sowas von übererfüllt. Wenn der Name des Schriftstellers nicht ganz groß auf dem Cover geprangt hätte, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, dass der Roman Becketts Feder entsprungen sein könnte.

 

Diese Geschichte ist vom Erzählstil sowas von diametral entgegengesetzt zu den David Hunter Romanen. Gaaaanz laaaangsam und gemächlich plätschert die Story dahin, ohne schon auf der ersten Seite die verfaulte, verbrannte, (Todesart bitte einsetzen).. Leiche zu präsentieren. Dennoch wabern im Hintergrund bedrohlich die Andeutungen zu einem oder mehreren Verbrechen. Sehr gut beschreibt der Autor die agressiv aufgeheizte Hintergrundstimmung auf dem ländlichen französischen Bauernhof und zeichnet liebevoll die Figuren mitsamt ihren Marotten und Geheimnissen. Und dann ....passiert fast gar nix. Sean mauert zen-artig an der verfallenen Mauer, Madeleine kocht gefühlte 100 Essen, Arnaud spinnt herum und Gretchen pubertiert.

 

Hat mir dieser langsame, untypische Stil gefallen? Ja und nein. Ich bin ja schon für gemächlichen sorgfältigen Plotaufbau und ausführliche Figurenentwicklung, aber wenn sogar eine Weinbergschnecke mit Gipsfuß die Handlung überholen könnte, und das auf 470 Seiten, dann ist das etwas zuviel Gehirn-Tai-Chi für mich.

 

Im Finale kommt dann wieder sehr viel Schwung in die Geschichte, und das Buch entwickelt sich zu einem hervorragenden Beispiel für ein gelungenes Familiendrama inklusive Mord und Totschlag.

 

Fazit: Ein gutes Buch mit zuvielen Längen, das etwas mehr David-Hunter-Action und -Tempo vertragen hätte. 3,4 Sterne

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