Kann ich ein aktuelles Feminismusbuch Männern und Frauen gleichermaßen empfehlen? Ja, seit Kurzem kann ich das, nämlich dieses. Margarete Stokowski hat mit ihrem Werk in leichter Form – ich meine hier den sprachlichen Ton, der LeserInnen die Inhalte abseits von gelernten Feminismustheorien und Vorwissen leicht rezipieren lässt und beileibe nicht leichtgewichtige Inhalte – einen ausgezeichneten Beitrag zu diesem Thema abgeliefert.
Locker, flockig, persönlich, witzig und sehr intelligent bringt uns die Autorin episodenhaft die strukturellen und angelernten Probleme des Feminismus nahe, spickt diese aber mit belegten Hintergrundinformationen und Quellen und würzt sie zudem mit eigenen Erfahrungen. Großteils werden Sozialisationsmuster von der frühesten Kindheit an über die Pubertät bis ins Erwachsenenalter identifiziert – aber nicht anklagend, sondern wahrhaftig und manchmal sogar augenzwinkernd – sehr klug, aber nicht belehrend präsentiert. Dabei nimmt sie nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen in die Pflicht, an dieser Veränderung mitwirken zu müssen. So geht Feminismus at its best.
Dieser leichte witzige Umgangston mit dem Thema liegt vielleicht auch daran, dass Stokowski sich – so wie ich persönlich – erst sehr langsam, nach und nach zu einer Feministin entwickelt hat, wie sie im Vorwort ihre Position genau darlegt. Das macht sie herrlich unradikal, unkompliziert, aber doppelt so glaubwürdig, wenn sie trotzdem humorvoll, aber unbeirrbar die richtigen Themen anschneidet, mit einem Augenzwinkern die Finger in die Wunden legt und sich sogar selbst eingesteht, dass sie sich in der Vergangenheit oft hat unterbuttern lassen.
Im Kapitel Kindheit und Jugend geht es selbstverständlich um die Sozialisation, die die Muster von Benachteiligung bereits so früh zementiert, dass sie uns gar nicht auffallen. Die Fakten sind ohnehin bekannt, aber sie liegen nun alle gleichzeitig auf dem Tisch, werden wirklich gut präsentiert und die Zusammenhänge detailliert aufgezeigt.
Besonders herausheben möchte ich die tiefgründigen Analysen über das falsche Bild von Körper und Sexualität, das Jugendzeitschriften beiden Geschlechtern und später Frauenzeitschriften vollends ruinös vermittelten. In diesem Fall hätte die Generation Internet nun durchaus einen Startvorteil und Informationsvorsprung, den sie zu nutzen wissen könnte, würde sie die richtigen Kanäle frequentieren.
Vielleicht kommt die Wut, die ich heute auf Frauenzeitschriften und vermeintliche Sexratgeber habe, auch daher, dass ich für solches Zeug bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr so viel Geld ausgegeben habe. Es wäre wahrscheinlich sogar besser und sogar gesünder gewesen, das komplette Geld für Drogen auszugeben.
Dieser knackige provokative Ausspruch der Autorin ist angesichts Bulimie, Magersucht und Ritzen, im Gegensatz zur relativen „Harmlosigkeit“ von Marihuana in der Pubertät durchaus mal eines kurzen Gedankens wert. Und Margarete Stokowski weiß, wovon sie spricht, hat sie doch selbst dies auch durchgemacht, erzählt authentisch und ungeschminkt von ihren Problemen.
Solange wir damit beschäftig sind – und wir wollen sagen nachhaltig damit beschäftigt sind -, panisch zu wenig zu essen […] solange wir uns Schminktipps im Internet ansehen und uns nach Cellulite abtasten, haben wir den Sieg nicht verdient in der Schlacht – um was eigentlich? Weltherrschaft, okay, dann halt, aber – Was ziehe ich da an? Ich kann da nicht hin. Ich kann diese Weltherrschaftssache nicht machen, wenn ich nicht mal weiß, wie man sich zu solchen Gelegenheiten korrekt und dennoch weiblich kleidet.
Keine Sorge, wenn ihr nun aufgrund meiner bisherigen Zitate glaubt, Stokowski nähme nur die Frauen in die Pflicht und hätte unter dem Deckmantel des Feminismus ein antifeministisches Buch geschrieben, seid Ihr auf dem Holzweg. Nein, sie greift ganz klar auch männliche Verhaltensweisen beziehungsweise starre, bestehende Hierarchien auf und montiert diese witzig ab.
Wenn ein System oder eine Hierarchie erst einmal etabliert ist, gibt es tausend Möglichkeiten, sie zu rechtfertigen. Da der Ist-Zustand irgendwie geworden ist, findet man für ihn auch immer Begründungen. Sich auf die Steinzeit zu stützen, oder das, was man von den Flintstones über sie weiß – ist praktisch, denn die Vergangenheit hat ja offensichtlich schon mal funktioniert. Als die Vergangenheit war, ist die Welt nicht untergegangen. Bei der Zukunft weiß man das nicht.
:D Ein gutes Verfahren, diesem Totschlagargument zu begegnen, ist es, in dem Zusammenhang mal diese Strategie bis zum Ende mit dem Gesprächspartner durchzuspielen, dann auch alle anderen Errungenschaften der modernen Welt zu negieren (z.B. konkret auf das Mobiltelefon in der Hand des Gegenübers zu verweisen, dies anzusprechen), den Bewahrungsgedanken laut und humorvoll fortzuspinnen, zu pervertieren und uns allesamt gleich geistig wieder zurück zu den Affen auf die Bäume zu schicken.
Dass Stokowski bei dieser populärwissenschaftlichen Präsentation durch die lockere Tonalität und den Blick über den Tellerrand der Disziplinen manchmal vom Hundertsten ins Tausendste kommt, ist natürlich auch vorprogrammiert. Einige Männer, die ich kenne, allesamt ohnehin Feministen, haben die mangelnde Struktur des Buchs kritisiert. Sie haben zwar Recht, aber ich glaube, sie sind auch nicht die Zielgruppe. Diese Spezies haben wir ohnehin schon an unserer Seite, in der Forderung um Teilhabe, Geschlechtergerechtigkeit und Minderheitenförderung. Für ein Sachbuch im Rahmen des Feminismus ist dies meiner Meinung nach aber die perfekte Strategie, nicht so sehr die Struktur, sondern Leichtigkeit, Humor und Spannung bei diesem Thema zu forcieren, damit der Inhalt möglichst breit rezipiert werden kann. Sind die Feministinnen ohnehin schon seit der zweiten Welle der Bewegung in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts als humorlose Emanzen verschrien, kann mit so einer Präsentation vielleicht einmal für Otto oder Ottilie Normalverbraucher von der Ablenkung durch Kritik bezüglich Form und Humor abgesehen werden. Vielleicht dringen somit endlich mal die Inhalte und die Ideen durch diesen Schutzwall ins Hirn hinein. Insofern ist nämlich dieses Buch wirklich ein bisschen anders als die klassischen Werke zu dem Thema (wie Beauvoir, Schwarzer und Konsorten), die ich selbstverständlich jedem zu lesen empfehle, was auch Frau Stokowski in ihrem historischen Abriss den LeserInnen so ganz nebenbei vorschlägt. Bei strukturiertem, todernst präsentiertem Feminismus verdrehen sogar oft Frauen die Augen.
Bis kurz vor Ende des Buches hat mich also die nicht so präsente Struktur des Werks überhaupt nicht gestört, aber der Schluss verpufft total, es fehlt einfach die Klammer, der Abschluss, auch deshalb, weil die aufgestellte optimistische Prämisse zudem auch noch bewiesenermaßen empirisch falsch ist.
Die Idee, dass Frauen unveräußerliche Rechte haben, lässt sich nicht mehr so leicht aus den Köpfen vertreiben. Es sind die Ideen, die nicht mehr in den Krug zurückzubringen sind.
Ein kurzer Blick in das Geschichtsbuch belehrt uns bedauerlicherweise eines Besseren. Schon mal was von der Iranischen Revolution 1978/79 gehört? – Noch nicht lange her. Wir sollten uns also nicht nur für ein Vorantreiben des Feminismus einsetzen, sondern auch verhindern, dass die Uhr zurückgedreht wird und wir wieder aus dem öffentlichen Leben ins Haus entsorgt werden. Eine Art von Gilead (Margaret Atwood) ist gar nicht so weit weg von uns, im Iran schon seit fast vier Jahrzehnten und mehreren Generationen reinstalliert, bei den Taliban war das Intermezzo zwar vorübergehend, aber so etwas kann immer wieder passieren. Dieser Kritikpunkt ist aber aus meiner Sicht Jammern auf sehr hohem Niveau.
Fazit: Ein wirklich großartiges Buch zum Einstieg in die Ideen und Konzepte des Feminismus. Könnten sogar NichtfeministInnen lesen, ohne dass ihr Gehirn explodiert oder der Humor Harakiri begeht.