Meine Meinung:
Bei den vielen schon existierenden Rezensionen spare ich mir eine Inhaltsangabe und Coveranalyse. Ich denke, dazu gibt es genügend schon Geschriebenes. Deswegen beschränke ich mich darauf, was ich beim Lesen einfach empfunden habe.
Natürlich ist mir die Thematik schon bekannt, kenne ich die Panem-Trilogie aus den Medien, habe sie aber noch nicht gelesen und die Filme auch (noch) nicht geschaut. Nach langem Aufschieben habe ich mich nun an diese Trilogie gewagt und das erste Band gelesen. Bei so einem gehypten Buch habe ich natürlich hohe Erwartungen, die ich leider nicht wirklich erfüllt sehe. Die Geschichte ist erschreckend nüchtern erzählt und wird dadurch brutal, ohne großer verbaler Raffinesse oder Spitzfindigkeit – trotzdem lässt es sich schnell und leicht lesen.
Gleich zu Beginn habe ich mich mit der Ich-Erzählperspektive im Präsens sehr schwer getan. Bei dieser Erzählform habe ich immer das Gefühl, zu wenig Tiefe und Gefühl zu erleben – vor allem, wenn die Perspektiven nicht zwischen den Protagonisten wechseln. Und dem war auch so. Auch wenn Katniss durch die Ich-Erzählung oft im inneren Dialog steht, empfinde ich sie als sehr oberflächlich und habe nicht wirklich eine greifende Beziehung zu ihr aufbauen können. Katniss ist mir auch etwas ambivalent. Einerseits ist sie ein toughes Mädchen, andererseits aber doch ziemlich unsicher, abgestumpft und oft auch einfach naiv. Gale und Peeta bleiben mir beide doch zu verschlossen, denn durch die Erzählperspektive kann ich sie schlecht greifen, und das finde ich sehr schade.
Erst im zweiten Teil des Buches, als die Tribute in der Arena sind, passt der Erzählstil etwas besser, obwohl mir dann Katniss’ Naivität vor allem gegenüber Peeta und seinen Gefühlen teilweise richtig auf die Nerven ging. Richtig Zuneigung konnte ich erst aufbauen, wenn Rue – ein Tributmädchen das mir direkt sympathisch war – erwähnt wurde. Das ging mir sehr unter die Haut und diese Passagen waren die einzige Möglichkeit mit Katniss mehr mit empfinden zu können – mal wirklich einen kleinen Einblick in ihre Seele zu bekommen.
Es ist eine schon sehr verstörende Zukunftsvision: Die Menschheit wird durch viele Kriege untereinander sehr abgestumpft sein und die Belustigungen des Volkes werden immer derber und brutaler. Fast, als wären wir im Römischen Reich, als sich die Gladiatoren gegenseitig die Köpfe eingeschlagen haben.
Suzanne Collins spielt aber meiner Meinung nach auf die erschreckende Entwicklung des medialen Voyeurismus in unserer heutigen Gesellschaft an und ist mit ihrer Vision gar nicht mal so weit entfernt: Was haben wir damals vor fast 30 Jahren aufgeschrien, als ein niederländischer Fernsehsender profilneurotische Menschen in einen Container gesteckt hat. Seit längerer Zeit müssen B-Promis dann in einem Dschungel vermeintlich um ihr Überleben kämpfen. Und heute schauen sich die Jugendlichen mit Vorliebe auf YouTube Videos an, in denen sich nicht nur irgendwelche Typen vermöbeln, sondern auch Filme von echter Kriegsgewalt, Erschiessungen und Quälerei.
Es hat mich aber auch gestört, dass Katniss die gesamten Umstände so schulterzuckend angenommen hat. Oft betet sie sich wie ein Mantra vor, dass sie so handeln muss, um dem Kapitol und den Zuschauern zu gefallen. Da war keine Rebellion – auch keine innere – gegen das Regime und die grausamen Spiele. Auch, als sie selber getötet hat, war kaum Gefühlsregung zu merken, kaum innere Reflektion.
Trotzdem fand ich insgesamt die Geschichte ganz interessant und möchte gerne die weiteren Bände lesen, in der Hoffnung, dass da noch mehr kommt. Aber es war für mich jetzt nicht der „Burner“ der mich vom Hocker gerissen hat. Da habe ich schon bessere Bücher gelesen. Ich würde das Buch auf keinen Fall als Jugendbuch bezeichnen, und meine Tochter bekommt es erst mit 16.