Story:
Kreischende Fans, Paparazzis und unschöne Zeitungsartikel – der Musiker Steve Simon kennt die Probleme, die das Musikgeschäft mit sich bringt, zur Genüge. Dennoch versucht Steffen, wie er eigentlich heißt, seinen Anhängern, dem Manager Zacharias und den Chefs seines Plattenlabels gerecht zu werden, selbst wenn er dafür den ein oder anderen Kompromiss hinsichtlich seiner Songs eingehen muss und die Marketingstrategien ihn oftmals in den Wahnsinn treiben. Sein einziger Halt ist der Bibliothekar Alexander, dessen Kamera er auf der Flucht vor Paparazzis versehentlich zerstört und den er daraufhin näher kennenlernt. Schnell fühlen sich die beiden zueinander hingezogen und wagen den Sprung in eine Beziehung.
Allerdings steht ihre Freundschaft und Liebe unter einem schlechten Stern: Zacharias will nicht, dass Steffens Homosexualität bekannt wird und die Plattenfirma zwängt ihn immer stärker in eine Richtung, in die der Musiker überhaupt nicht passt. Gefrustet ertränkt er seine Sorgen in Alkohol, nimmt Drogen und baut immer weiter ab, während Alexander alles versucht, den abstürzenden Musiker zu halten, bevor etwas Schlimmes passiert …
Eigene Meinung:
Raik Thorstad ist seit ihren Romanen „Zenjanischer Lotus“, „Leben im Käfig“ und „Nach der Hölle links“ keine unbekannte Größe mehr, wenn man sich im Gay Bereich auskennt. Während die genannten Werke alle im Incubus Verlag erschienen sind, brachte nun der Cursed Verlag im November 2014 die Geschichte von Steffen und Alex heraus.
Wer jetzt auf romantisch-leichte Lektüre hofft, irrt sich – „Zerrspiegel“ hat wenig mit den gängigen Veröffentlichungen des Verlages gemein, denn Raik Thorstad ist sich selbst treu geblieben und liefert eine „härtere“ Geschichte. Das ist definitiv eine gute Entscheidung gewesen, denn das Musikbusiness und die Probleme mit denen Steffen zu kämpfen hat, sind durchweg interessant und bieten eine Menge Potenzial. Wie realitätsnah die Geschichte ist, wird wohl nur ein Insider beurteilen können, doch sie wirkt in sich logisch und rund. Glücklicherweise setzt die Autorin nicht an den üblichen Stellen an und beschreibt, wie Steffen (inklusive Band) den Sprung zum Plattenlabel schafft. Derartige Geschichten gibt es wie Sand am Meer. Es ist angenehm, dass sie Raik Thorstad auf das „Danach“ konzentriert und aufzeigt, welche Probleme warten, nachdem man den Durchbruch geschafft hat: Paparazzis, schlechte Presse, der Erfolgsdruck, missgelaunte Fans etc. Man beneidet Steffen nicht, wenn man miterlebt, wie mit ihm umgegangen wird und welche Einschnitte er in seinem Leben hinnehmen muss.
Dennoch ist es schade, dass einige Punkte ein wenig im Unklaren bleiben und kaum ausgebaut werden, allen voran Steffens alte Band Terrific und seine Freunde. Sie werden am Rande zwar erwähnt, doch leider nicht aktiv in die Geschichte eingebaut. Wahrscheinlich hätte das den Rahmen gesprengt, doch ich hätte es interessant gefunden, wenn man seinen alten Kollegen zumindest einen Auftritt gegeben hätte.
Im Gegenzug zu ihm ist Alexanders Leben gemäßigt, fast schon langweilig. Deswegen kommt er auch fast ein wenig zu kurz, wenngleich sich die Autorin auch bemüht dessen Probleme aufzuzeigen und ihn als gleichberechtigten Partner darzustellen. Dennoch verblasst er ein wenig im Vergleich zu Steve Simon, der nun einmal der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist. Dafür ist es sympathisch – gerade wenn man Büchernarr ist, wird man sich sehr schnell mit Alexander identifizieren.
Alles in allem sind die Charaktere gut in Szene gesetzt – gerade Steffen fühlt man sich als Leser sehr nah, auch wenn man ihm manchmal in den Hintern treten will. Er ist ein liebenswerter Protagonist, der nur schwer aus dem Teufelskreislauf herausfindet, in den er sich gebracht hat. In diesem Zusammenhang ist Alexander ein guter Konterpart, da er bodenständiger und realitätsnäher ist. Die beiden ergänzen sich gut, insbesondere da sich Steffens wahres Ich zumeist zeigt, wenn er in der Nähe des Bibliothekars ist.
Stilistisch liefert Raik Thorstad solide, abwechslungsreiche Kost, die sich gut lesen lässt. Man ist recht schnell in der Geschichte, ist immer nah an den Charakteren und erlebt Steffens Abstieg direkt mit. Die Autorin weiß, wie man mit Worten umgeht und Spannung erzeugt, so dass man das Buch schwer aus der Hand legen kann, wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat. Auch die erotischen Szenen sind gut gelungen, nicht so ausufernd wie in „Zenjanischer Lotus“, sondern realistischer und besser nachvollziehbar. Natürlich liefert Raik Thorstad mit über 500 Seiten wieder einen umfangreichen Wälzer, und hin und wieder hat der Roman seine Längen, doch insgesamt ist „Zerrspiegel“ sehr gut und unterhaltsam geschrieben.
Fazit:
Mit „Zerrspiegel“ ist Raik Thorstad ein überzeugendes, in sich schlüssiges und gut geschriebenes Buch über zerstörte Träume, Wünsche und Sehnsüchte gelungen. Die Handlung kann ebenso überzeugen, wie die Charaktere und über etwaige Längen sieht bereitwillig hinweg, da die Geschichte fesselnd und mitreißend ist. Wer einen ungewohnten Blick in die Welt der Musik werfen will, ohne auf eine schwule Liebesgeschichte zu verzichten und wer in diesem Zusammenhang genug von den typischen „Band-will-Durchbruch-schaffen“-Romanen hat, sollte sich „Zerrspiegel“ nicht entgehen lassen. Bislang ist es Raik Torstads bestes Werk auf dem Markt.