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text 2017-04-19 10:51
Das Zeugnis eines gebrochenen Mannes
De Profundis - Oscar Wilde

Dies ist keine gewöhnliche Rezension. Vielleicht ist euch bereits aufgefallen, dass ich dieses Mal auf eine Sternevergabe verzichtet habe. Ich habe diese Entscheidung getroffen, weil ich glaube, dass „Epistola in Carcere et Vinculis“ oder auch kurz „De Profundis“ von Oscar Wilde es nicht verdient, mit einer plumpen Sternenanzahl beurteilt zu werden. Bei dem Text handelt es sich um einen Brief von etwa 50.000 Worten, den Wilde während seiner Zeit im Zuchthaus von 1895 bis 1897 an seinen ehemaligen Liebhaber Lord Alfred Bruce Douglas schrieb. Wie anmaßend wäre es, ein Schriftstück bewerten zu wollen, in dem ein verzweifelter Mann sein Innerstes nach außen kehrte und niederschrieb, was ihn bewegte?

 

Daher habe ich beschlossen, von der gewohnten Struktur meiner Rezensionen Abstand zu nehmen und diesen berührenden Brief vollkommen eigenständig zu besprechen. Es ist kein Roman. Es ist keine Geschichte, obwohl der Text durchaus eine Geschichte erzählt. Ich kann meine üblichen Maßstäbe hier nicht anlegen. Stattdessen möchte ich euch zuerst die historischen Fakten darlegen, bevor ich erkläre, wie „De Profundis“ auf mich wirkte und welche Schlussfolgerungen ich daraus ziehe. Es ist das tragische Zeugnis eines gebrochenen Mannes, das ihr ohne Kontext nicht verstehen werdet. Ich war entsetzt, was aus dem ehemals erfolgreichen Autor Oscar Wilde geworden war.

 

 

Oscar Wilde ging stets recht offen mit seiner Homosexualität um. Obwohl er verheiratet war und mit seiner Frau Kinder gezeugt hatte, machte er nie einen Hehl daraus, dass er sich zu Männern sexuell und emotional hingezogen fühlte. Er arbeitete seine persönlichen Vorlieben in seine Werke ein, die nachweislich homoerotische Unterströmungen beinhalten. Trotz dessen wäre er vielleicht nie im Gefängnis gelandet, hätte er im Juni 1891 nicht die Bekanntschaft von Lord Alfred Bruce Douglas gemacht. Die Details ihres Kennenlernens konnte ich leider nicht herausfinden, in „De Profundis“ deutet Wilde allerdings an, dass Douglas sich als Oxford-Student mit einem Problem an ihn wandte und um Hilfe bat. Die beiden Männer trennte ein Altersunterschied von 16 Jahren; 1891 war Wilde 37, Douglas – genannt Bosie – 21 Jahre alt. Sie waren ein halbes Jahr befreundet, bevor sie eine Liebesbeziehung eingingen. Diese hatte anfangs wohl eine sexuelle Komponente, Wilde und Douglas berichteten jedoch beide, dass diese nur kurz währte und ihre Affäre fortan rein emotionaler Natur war.

 

Die Beziehung zwischen Wilde und Douglas war turbulent und dramatisch. Sie stritten oft, hauptsächlich wegen der ungeheuren Summen, die der vergnügungssüchtige Douglas täglich verprasste. Er war es auch, der Wilde in die geheime Welt der männlichen Prostituierten einführte. Er ließ sich wie selbstverständlich von seinem älteren Liebhaber aushalten und pflegte einen extravaganten Lebensstil, den der aus dem Bürgertum stammende, disziplinierte Autor nur schwerlich nachvollziehen konnte. Obwohl Oscar Wilde öffentlich als Bon-Vivant und Dandy bekannt war, nahm er seine Arbeit sehr ernst und zeigte sich hinsichtlich seiner Texte als unverbesserlicher Perfektionist.

 

Douglas‘ Leben war allzeit von dem schwierigen, konfliktbelasteten Verhältnis zu seinem Vater, dem 9. Marquis von Queensberry, geprägt. Dieser hatte seinem flatterhaften Sohn stets jegliche Anerkennung verwehrt und war demzufolge höchstwahrscheinlich indirekt dafür verantwortlich, dass Douglas sich auf eine Beziehung zu einem deutlich älteren Mann einließ. Daddy Issues aus dem Lehrbuch. Der Marquis vermutete, dass zwischen Wilde und Douglas mehr als eine Freundschaft existierte und verlieh seinem Verdacht 1895 Ausdruck, indem er seine Visitenkarte im Albemarle Club (ein Etablissement, das Wilde oft besuchte) hinterließ, die er mit der beleidigenden Aufschrift „Für Oscar Wilde / posierenden Sodomiten“ („For Oscar Wilde posing Somdomite [sic!]“) versehen hatte. Von selbst hätte Wilde auf diese Beschimpfung möglicherweise nicht reagiert, er ließ sich jedoch von Douglas zu einer Verleumdungsklage drängen, entgegen des Rats seiner Freunde. Douglas war entzückt von der Vorstellung, seinem Vater eins auswischen zu können und scheute sich nicht, seinen Liebhaber für seine Rache einzuspannen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Als Beklagter fiel es dem Marquis zu seiner Verteidigung zu, den Wahrheitsgehalt seiner Beschuldigung zu beweisen. Das Blatt wendete sich, Wilde wurde vom Kläger zum Angeklagten und musste sich plötzlich selbst verteidigen. Er wurde verhaftet und wegen Unzucht angeklagt. Er verlor den Prozess. Am 25.05.1895 wurde er zu 2 Jahren Zuchthaus und schwerer Zwangsarbeit verurteilt. Eine Flucht aus England lehnte er ab. Paradoxerweise war es nicht Wildes Verhältnis zu Douglas, das ihm zum Verhängnis wurde, sondern sein Umgang mit männlichen Prostituierten, die als Zeugen gehört worden waren. Douglas hingegen kam straffrei davon, weil eine Prüfung die Geringfügigkeit seiner sittlichen Vergehen feststellte.

 

Zu Beginn seiner Strafe war Oscar Wilde im Londoner Zuchthaus Wandsworth untergebracht, wurde allerdings am 20.11.1895 nach Reading überführt, wo er den Großteil seiner Strafe abbüßte. Noch im Gefängnis wurde er enteignet, weil er die Prozesskosten nicht tragen konnte und durch den Marquis von Queensberry als bankrott erklärt.
Wilde erholte sich von seiner Inhaftierung nie mehr. Seine Gesundheit hatte unter den menschenunwürdigen Bedingungen im Zuchthaus schwer gelitten. Nach seiner Entlassung 1897 traf er sich noch einmal mit Alfred Douglas. Gemeinsam verbrachten sie einige Wochen in Neapel, bis sie ihre verhängnisvolle Beziehung endgültig beendeten. Danach floh er ins Exil nach Paris und lebte dort verarmt und isoliert. Er schrieb außer „Die Ballade vom Zuchthaus zu Reading“ nichts mehr. Freunde, die ihn besuchten, beschrieben ihn als vereinsamt und niedergeschlagen. Er starb 3 Jahre später am 30.11.1900, wahrscheinlich an Syphilis, obwohl eine Theorie südafrikanischer Wissenschaftler behauptet, sein Tod sei von einer schweren Hirnhautentzündung verursacht worden. Er hatte seine Heimat Britannien nach seiner Flucht nie wieder betreten.

 

„De Profundis“ entstand während Wildes Zwangsaufenthalt in Reading. Er durfte ihn nicht abschicken, es wurde ihm jedoch gestattet, den Brief bei seiner Entlassung mitzunehmen. Er übergab ihn seinem Lektor, Freund und ehemaligen Liebhaber Robert Baldwin Ross, der ihn aufbewahren und eine Kopie an Alfred Douglas schicken sollte. Douglas bestritt, den Brief je erhalten zu haben. Ob das der Wahrheit entspricht, ist bis heute nicht geklärt.
Veröffentlicht wurde das Werk posthum; die erste, gekürzte Ausgabe erschien im Februar 1905 bei S. Fischer in Berlin und etwa zwei Wochen später in England. Die vollständige, korrekte Version erblickte erst 1962 das Licht der Welt, in dem Band „The Letters of Oscar Wilde“. Das Originalmanuskript wird im British Museum verwahrt.

 

Ich persönlich vertrete die Meinung, dass Alfred Douglas den an ihn adressierten Brief sehr wohl erhielt. Robert Ross hätte Wildes Wunsch nicht ignoriert, da bin ich sicher. Ich denke, Douglas glaubte, einfach so tun zu können, als hätte ihn „De Profundis“ nie erreicht, um sich nicht öffentlich mit dessen Inhalt auseinandersetzen zu müssen. Die Veröffentlichung des Textes machte ihm dann natürlich einen Strich durch die Rechnung. Statt demütig seine Fehler einzugestehen, teilte Douglas aus und äußerte sich oft abfällig und beleidigend über Oscar Wilde. Er gab später zu, dass seine Wut auf „De Profundis“ zurückging und bedauerte sein Benehmen. Selbstverständlich war sein Verhalten falsch, aber ich verstehe ihn. Ich verstehe, dass Douglas fuchsteufelswild war, weil die intimen Bekenntnisse seines ehemaligen Geliebten nun öffentlich zugänglich waren. Die Dinge, die Wilde schrieb… ganz ehrlich, so etwas würde ich auch nicht über mich und eine vergangene Beziehung veröffentlicht sehen wollen.

 

In „De Profundis“ rechnet Oscar Wilde mit seinem Verhältnis zu Alfred Douglas und seinem eigenen Leben ab. Er führt bis ins kleinste Detail auf, wann und inwiefern sich Douglas seiner Meinung nach falsch und verletzend aufführte. Er zeichnet das Bild eines Parasiten, der immer nur nahm, ohne jemals zu geben. Er schildert Szenen ihrer Beziehung, ihres gemeinsamen Lebens in allen Einzelheiten und geht hart mit Douglas ins Gericht. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, dass Douglas keine einzige positive Eigenschaft besaß. Durch Wildes Aussagen erschien er mir extrem unsympathisch: anstrengend, melodramatisch, undankbar, egoistisch und launisch. Mir ist natürlich bewusst, dass diese Charakterbeschreibung vollkommen subjektiv ist und nur eine Seite der Realität darstellt. So eingängig und nachvollziehbar Wilde seine Gefühle wiedergibt, bleibt doch eine Frage bestehen – wieso trennte er sich nicht von Douglas, wenn ihm dessen Gesellschaft persönlich und professionell schadete?

 

Wilde bietet auf diese Frage eine Antwort. Er betont, dass er durchaus wiederholt versuchte, ihre Beziehung zu beenden, es aber einfach nicht schaffte. Douglas stahl sich immer wieder in sein Leben und war sich nicht zu schade, dafür die Hilfe seiner eigenen Mutter oder der Freunde und Familie seines Liebhabers in Anspruch zu nehmen. Ich gestehe, diesbezüglich fehlt mir ein wenig historisch-gesellschaftliches Kontextwissen. Ich weiß nicht, ob die gesellschaftlichen Normen Wilde zwangen, die Freundschaft weiterzuführen. Ich bin nicht sicher, ob er überhaupt eine andere Wahl hatte, sobald seine Freunde und in einem beispiellosen Fall sogar seine eigene Ehefrau ihn für seine Distanz zu Douglas schalten und ihn in dessen Namen baten, den Kontakt wiederaufzunehmen. Ich habe keine Vorstellung davon, ob er ihnen die Situation hätte erklären können oder ob es sich für damalige Verhältnisse nicht schickte, diese vertraulichen Details zu offenbaren. Ich habe wirklich keine Ahnung. Nichtsdestotrotz erschien mir das Eingeständnis seiner eigenen Willensschwäche eher fadenscheinig und nicht besonders glaubwürdig. Er mag zugegeben haben, dass er sich dem Druck von außen nicht entgegenstellen konnte, meiner Ansicht nach sah er die Schuld dafür jedoch trotzdem bei Douglas, nicht bei sich selbst. Ich glaube nicht, dass er seinen eigenen Anteil am katastrophalen Wesen ihrer Beziehung einsah. Meinem Empfinden nach sind seine harschen Anschuldigungen zu umfangreich, vorwurfsvoll und nachdrücklich; aus seinen Worten sprach zwischen den Zeilen zu viel Schmerz und Enttäuschung. Tatsächlich bin ich sogar überzeugt, dass Wilde Douglas noch immer liebte, als er „De Profundis“ schrieb.

 

Wie bereits erwähnt, war das Thema Finanzen zwischen Oscar Wilde und Alfred Douglas ein immerwährender Konfliktherd. Für mich war es befremdlich, Wilde in seinem Brief die Kosten seines Lebens mit seinem Liebhaber genauestens aufrechnen zu sehen. Oh ja, er nennt Zahlen, als hätte er exakt darüber Buch geführt. Ausgerechnet der Mann, der in der Öffentlichkeit den Anschein eines Dandys erwecken wollte und dieses Bild penibel pflegte, warf seinem Geliebten Verschwendung vor. Ich will nicht behaupten, dass diese Kritik ungerechtfertigt war, es war nur seltsam, dass sie jemand äußerte, dem Schönheit und Spaß im Leben stets überaus wichtig waren. Ich denke, diesbezüglich zeigt „De Profundis“ sehr deutlich, wie stark sich Oscar Wildes äußeres Image und seine wahre Persönlichkeit unterschieden. Er wollte als Luftikus erscheinen, dem kaum etwas viel bedeutete außer seinem Vergnügen, nicht einmal seine Werke. Glücklicherweise wissen wir mittlerweile, dass das nicht stimmt. Ich denke, seine bürgerliche Herkunft war in Oscar Wilde stärker verwurzelt, als er zugeben wollte. Natürlich konnte er demzufolge mit dem ausgefallenen Lebensstil des Adels, aus dem Douglas stammte, nichts anfangen und hatte kein Verständnis für dessen verschwenderische Vergnügungssucht. Teure Essen, teure Weine, Club- und Theaterbesuche – offenbar brauchte und wollte Wilde all das gar nicht in dem Maße, nach dem es Douglas verlangte. Scheinbar war er viel bescheidener, als ich bisher annahm.

 

Neben all den Verletzungen und Kränkungen, die Wilde durch Douglas erlitt, nahm er ihm dessen Drängen auf eine Verleumdungsklage gegen seinen Vater vermutlich am übelsten. Er sah sich als Opfer des Hasses zwischen Vater und Sohn und glaubte, von beiden Seiten in einer alten, festgefahrenen Fehde benutzt und instrumentalisiert worden zu sein. Obwohl ich ihm hier grundsätzlich zustimmen muss, weil auch ich denke, dass es bei der Provokation des Marquis und dem darauffolgenden Prozess nie um Oscar Wilde persönlich ging, hatte ich doch erneut das Gefühl, dass er seine eigene Verantwortung mehr oder weniger ignorierte. Niemand zwang ihn, den Marquis zu verklagen. Es war seine eigene Entscheidung, nicht auf den Rat seiner Freunde zu hören und sich in den Kleinkrieg zwischen Douglas und dessen Vater hineinziehen zu lassen. Er muss gewusst haben, dass er ein Risiko einging und sich das Blatt wenden könnte. Warum er sich trotzdem auf diesen Wahnsinn einließ, ist mir ein Rätsel. Vielleicht wollte er Douglas beeindrucken. Vielleicht wollte er ein Vorbild sein und seinem jüngeren Partner zeigen, was es bedeutete, für ihre Beziehung einzustehen und für einander da zu sein. Ich weiß es nicht.

 

Die kleinliche Abrechnung mit Douglas stellt nur den ersten Teil des Briefes dar. Der zweite Teil von „De Profundis“ ist eine Einschätzung von Wildes eigenem Leben und der verzweifelte Versuch, seiner hoffnungslosen Lage etwas Positives abgewinnen zu können. Wilde wird sehr theologisch; er philosophierte über Jesus, der seiner Meinung nach das Herz und die Seele eines Künstlers besaß. Ich fand, dass sich dieser Part sehr zäh und schleppend las. Er schwor, sein Leben zu ändern und beteuerte, dass sich seine Persönlichkeit durch die Haft bereits verändert hätte. Fest entschlossen, sich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist, schmiedete er Pläne für die Zeit nach seiner Entlassung. Es ist tragisch, dass er diese Vorhaben nie verwirklichen konnte. Das Wissen darum, dass sich all seine guten Vorsätze spätestens in dem Moment, in dem ihm ein halbjähriger Aufenthalt als Büßer in einem Jesuitenkolleg verwehrt wurde, in Luft auflösten, gestaltete die Lektüre für mich sehr bitter. Wilde wollte sich ändern. Ich denke, seine Gelöbnisse waren definitiv ernst gemeint und kamen von Herzen, doch offenbar war die Ablehnung des Kollegleiters für ihn dermaßen niederschmetternd, dass ihn jegliche Hoffnung verließ. Meiner Ansicht nach nahm ihm diese letzte Demütigung seinen Lebenswillen. All die Erkenntnisse, die er während seiner Inhaftierung über sich selbst gewonnen hatte, der Entwicklungsprozess, den er durchlebt hatte, waren plötzlich wertlos, weil ihm nicht gestattet wurde, sie in Freiheit auszuleben. Also fiel er in alte Muster zurück, floh nach Paris und lebte dort auf Kosten des Besitzers eines billigen Hotels, bis er schließlich starb. Ich denke, er resignierte einfach, gebrochen und desillusioniert. Wer weiß, was man noch von ihm hätte erwarten können, hätte er diese 6 Monate in dem Jesuitenkolleg verbringen dürfen. Vielleicht hätte er zu seiner alten Form zurückgefunden. Es ist eine Tragödie.

 

Im dritten und letzten Part des Briefes kommt Wilde noch einmal auf Alfred Douglas zurück. Er berichtete von seiner Korrespondenz mit Douglas‘ Mutter, die ihn hinter dem Rücken ihres Sohnes oft bat, positiven Einfluss auf ihn zu nehmen, während sie selbst es nicht über sich brachte, seine Fehler offen anzusprechen. Wilde beschwerte sich darüber, dass Douglas‘ Mutter ihre Verantwortung unter dem Mantel der Verschwiegenheit an ihn abzugeben versuchte. Betrachtet man Douglas‘ Eltern, wird schnell klar, warum seine Persönlichkeit so viele negative Züge aufwies. Sein Vater war abwesend, dominant und aggressiv; seine Mutter nicht fähig oder nicht willens, ihrem Sohn Grenzen aufzuweisen. Er hatte zwei ältere Brüder, von denen nur einer eine gewisse Vorbildfunktion hätte erfüllen können. Soweit ich das sehe, hätte die ganze Familie in psychotherapeutische Behandlung gehört. Der junge Alfred Douglas konnte gar nicht lernen, ein guter Mensch zu sein, weil es ihm niemand beibrachte. An Wildes Stelle hätte ich von Anfang an einen großen Bogen um diesen Mann gemacht. Tja, aber wie sagt man so schön? Das Herz will, was das Herz will. Am Ende von „De Profundis“ forderte Wilde seinen Liebsten auf, sein Leben und ihre Beziehung objektiv zu betrachten und sich in ihn hineinzuversetzen. Ich denke nicht, dass Douglas dazu in der Lage war. Später vielleicht, aber nicht im Alter von 27 Jahren. Er hatte es ja noch nicht einmal fertiggebracht, Wilde während seiner Inhaftierung auch nur ein einziges Mal zu schreiben. Die Enttäuschung darüber äußerte Wilde wiederholt, konnte ganz zum Schluss allerdings nicht aus seiner Haut. Mit den letzten Worten seines Briefes öffnete er Douglas doch noch einmal seine Tür. Er schien zu glauben, dass zwischen ihnen noch nicht alles verloren sei. Meinem Empfinden nach vermisste Wilde Douglas weit mehr, als er eingestehen wollte. Vielleicht ist das die größte Tragödie ihrer geteilten Geschichte: trotz des fatalen Verlaufs ihrer Beziehung konnte er nie von Douglas lassen. Möglicherweise konnte er ihn bis zu seinem Lebensende nicht loslassen, obwohl er ihre Verbindung nach seiner Entlassung endgültig trennte.

 

Ich weiß nicht, was in ihren letzten gemeinsamen Wochen in Neapel vorgefallen ist, doch ich habe den Eindruck, dass die Trennung eine rein vernunftbasierte Entscheidung seitens Wilde war, weil er wusste, dass Douglas ihm nicht guttat. Ich denke jedoch, dass er nie aufhörte, ihn zu lieben. Die Umstände seiner letzten Lebensjahre, die resignierte Einsamkeit, die ihn gefangen hielt, erscheinen mir die direkten Folgen eines gebrochenen Herzens zu sein. Ach, ist das alles traurig. Vielleicht interpretiere ich zu viel in diese Geschichte hinein, das will ich nicht ausschließen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Alfred Douglas trotz all des Kummers, den er ihm bereitete, Oscar Wildes große Liebe war.

 

Zusammenfassend lässt sich wohl getrost behaupten, dass die Beziehung zwischen Oscar Wilde und Lord Alfred Bruce Douglas eine verhängnisvolle Liebschaft war. Der Autor hätte sich niemals auf den viel jüngeren, unsteten Mann einlassen dürfen. Dieses Verhältnis zerstörte buchstäblich sein Leben. Ich schreibe absichtlich „Verhältnis“ und schiebe den schwarzen Peter nicht Douglas zu, weil ich fest davon überzeugt bin, dass zu einer fatalen Beziehung immer zwei gehören. Natürlich ist der negative Einfluss des exzentrischen Adligen nicht zu leugnen, schreibt Wilde doch, dass er in Anwesenheit desselben nicht in der Lage war, seiner Arbeit nachzugehen, aber Wilde war derjenige, der diesen negativen Einfluss zuließ. Er war älter, er war reifer, er hätte erwachsen genug sein müssen, um die unkontrollierbaren Auswüchse ihrer Beziehung zu erkennen und entsprechend zu handeln. Ich weiß nicht, ob er es nicht konnte oder schlicht nicht wollte. Es fällt mir jedenfalls schwer zu glauben, dass Wilde keine Möglichkeit hatte, ihre toxische Verbindung zu lösen. Ich kann ihn von seiner Verantwortung nicht freisprechen. Trotz dessen hätte ich mir natürlich ein anderes Ende für den unvergleichlichen Autor gewünscht. Er hatte ein Happy End verdient.

 

„De Profundis“ hat mein Verständnis meines Lieblingsautors deutlich vertieft. Ich habe begriffen, dass sich hinter all den Vergnügungen, dem scharfen, ironischen Witz und der unleugbaren Arroganz ein empfindsamer, verletzlicher und ernsthafter Mann verbarg, der erstaunlich bodenständige Vorstellungen vom Leben hatte. Er wollte als der akzeptiert werden, der er war, trotz all seiner öffentlichen Exzentrik. Das Schreiben war sein Leben. Seine Hingabe zur Kunst war mindestens ebenso stark wie seine Gefühle für Lord Alfred Bruce Douglas. Es ist so schade, dass ihn seine Zeit im Zuchthaus für immer von seiner Muse trennte und er dadurch nicht mehr Werke erschaffen konnte, die die Menschen bis heute bewegen. Er ist definitiv zu früh gestorben. Obwohl er mir da vielleicht widersprechen würde. Schließlich lauteten seine angeblichen letzten Worte „Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich“.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/04/19/oscar-wilde-de-profundis-epistola-in-carcere-et-vinculis
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review 2015-11-12 11:54
Drahtseiltänzer
Drahtseiltänzer: Die Geschichte von Noah und Ciro - S.B. Sasori

Story:
Der junge Seiltänzer Ciro lebt mit seinem Bruder Marco von der Hand in den Mund – die kleinen Auftritte bringen gerade so viel Geld, um im Sommer über die Runden zu kommen; allerdings nicht die Wintermonate. Einziger Lichtblick ist Costa, ein reicher Firmenchef, der die Artisten für mehrere Feiern bucht. Sein Interesse gilt besonders Ciro, allerdings bevorzugt er dessen weibliche Seite Chiara, die für die staunenden Betrachter über die Drahtseile balanciert, da eine Frau mehr Geld einbringt. Über Marco arrangiert Costa schließlich ein wöchentliches Treffen mit Chiara und bezahlt den Brüdern dafür eine kleine Wohnung. Ciro ist mit der Situation nicht wirklich glücklich, doch ihm fehlt es an Alternativen, insbesondere da Marco die einzige Familie ist, die er noch hat und seine homosexuelle Neigung gepaart mit seinem Wunsch ab und zu eine Frau zu sein, auf keinerlei Verständnis und Gegenliebe stoßen.

 

Ciros tristes Leben beginnt sich zu verändern, als der deutsche Schüler Noah seine Ferien in der kleinen italienischen Stadt verbringt, in der Ciro und Marco leben. Noah, der erst vor kurzem ein unschönes Coming-Out hinter sich hatte, ist sofort Feuer und Flamme für Ciro, der sich ebenfalls in den jungen Mann verguckt. Doch ihr kurzes Glück währt nur kurz, denn viel zu schnell entdeckt Noah Ciros andere Seite, was beide Männer vollkommen aus dem Konzept bringt …

 

Eigene Meinung:
Mit dem Roman „Drahtseiltänzer“ legt S.B. Sasori endlich die vollständige Geschichte von Ciro und Noah vor, die einige bereits in Auszügen aus der deadsoft Anthologie „Yep – Warum nicht anders?“ kennen, wo ein Teil des Romans als Kurzgeschichte erschien. Diese hatte nicht nur ein offenes Ende, sondern bot auch viel Potenzial für eine längere Erzählung, so dass die Autorin die Grundidee zu einem Roman ausbaute. „Drahtseiltänzer“ erschien im Eigenverlag und ist in sich abgeschlossen.

 

Inhaltlich geht die Autorin ungewöhnliche Wege, denn bei den Figuren handelt es sich nicht um die typischen, schwulen Jugendlichen, und auch die Geschichte an sich läuft in anderen Bahnen. Natürlich steht die Romantik und die dramatische Liebesgeschichte zwischen Ciro und Noah im Zentrum, doch Ciros weibliche Seite und sein Faible diese hin und wieder auszuleben, sorgen für Abwechslung und Überraschungen. Eine klare Aussage, in welche Richtung sich Ciro bewegt, wird der Leser in dem Roman jedoch nicht finden, denn Begriffe wie Transsexualität oder Transvestitismus kommen überhaupt nicht zur Sprache, wenngleich Ciro per Definition am ehesten zu letzterem gehört. Dies ist jedoch auch nicht wirklich wichtig, da sich die Autorin auf das die Charaktere konzentriert und auf die inneren und äußeren Probleme. Dazu gehören Ciros Selbstzweifel- und hass ebenso wie Noahs Unsicherheit, Fragen und dem hin und her zwischen Faszination und Schrecken. Von außen sorgen Costa, der für die Illusion einer hübschen Begleiterin alles tun würde, und Marco, der seinen Bruder vorwiegend nutzt, um sein Leben einfacher zu gestalten und zu gewalttätigen Aktionen neigt, für Schwierigkeiten. In diesem Zusammenhang ist es schade, dass S.B. Sasori einige Fragen zum Ende hin unbeantwortet lässt: die Sache mit Costa wird nur teilweise geklärt, ebenso vermisst man eine klare Aussprache zwischen Ciro und seinem Bruder. Allgemein geht es am Ende fast zu schnell – nach all dem Drama, das Ciro und Noah durchstehen müssen, wäre es schön gewesen, wenn mehr Dinge geklärt worden wären.

 

Die Charaktere sind gut gezeichnet, ganz besonders Ciro, dem in seinem Leben wahrlich wenig Gutes widerfahren ist. Man versteht seine Ängste und Sorgen, kann sich gut in ihn hineinversetzen und leidet mit ihm, wenn es um seine teils geliebte, teils verhasste weibliche Seite Chiara geht. Zumeist wirkt er ein wenig schwach, doch dieser Punkt passt gut zu seinem Charakter, da ihm nur wenig Verständnis entgegengebracht wurde und die meisten eher Abscheu vor seinen Neigungen empfanden. Noah ist im Gegenzug dazu recht behütet aufgewachsen, wenngleich das Schicksal auch bei ihm hart zugeschlagen hat: der Verlust seines kleinen Bruders und sein verkorkstes Coming-Out. Dementsprechend sicher ist Noah im Umgang mit anderen Jungs und Männern, und kann sich recht schnell auf Ciro einschließen, wenngleich er dessen kleines Geheimnis fast zu schnell akzeptiert. Dennoch ist auch er gut nachvollziehbar und in sich schlüssig, so dass man sich auch sehr gut mit ihm identifizieren kann.

 

Auch die Nebenfiguren sind gut gelungen, hin und wieder bleiben sie jedoch zu blass. Gerade Marcos Gedanken und Beweggründe kann man nur schwer begreifen. So erfährt der Leser weder warum er mit Ciro geflohen ist, noch weshalb er so lange mit seinem Bruder durchs Land reist. Man versteht ihn einfach nicht. Costa ist da schon besser gelungen, ebenso Noahs Familie.

 

Stilistisch legt S.B. Sasori gewohnt solide Kost vor – sie hat einen sehr eindringlichen, angenehmen Schreibstil, der von Anfang an zu fesseln weiß und einen sehr tiefen Einblick in die Gefühlswelten der Charaktere offenbart. Man ist den Figuren sehr nahe, kann jede Handlung nachvollziehen und leidet mit ihnen. Auch die Beschreibungen der Umgebung sind gut gelungen und er gelingt ihr das italienische Flair einzufangen. Einzig die Erotikszenen sind mitunter etwas gewöhnungsbedürftig, da die Autorin auf gängige Termini verzichtet und den Akt ein wenig anders in Szene setzt. Das ist nicht negativ auszulegen – die Erotik wirkt in „Drahtseiltänzer“ ansprechender als in manch anderem Gay Romance Roman.

 

Fazit:
„Drahtseiltänzer“ ist ein interessanter, gut geschriebener Roman, der mit einer ungewöhnlichen Grundidee und entsprechend einzigartigen Charakteren aufwartet. Wer Ciro und Noah bereits aus der Anthologie „Yep – Warum nicht anders?“ kennt und auf eine Fortsetzung gewartet hat, sollte sich S.B. Sasoris Roman nicht entgehen lassen. Ebenso sei das Buch Lesern ans Herz gelegt, die die üblichen klischeehaften Geschichten haben sind und sich nicht davor scheuen, etwas Neues zu wagen. „Drahtseiltänzer“ loht sich trotz einiger kleinerer Schwächen und bietet spannende und dramatische Unterhaltung. Lesenswert.

Source: www.like-a-dream.de
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review 2015-10-28 11:40
Mami, warum sind hier nur Männer?
Mami, warum sind hier nur Männer?: Roman - Volker Surmann

Story:
Helmer, Mitte 50, schwul und Hotelier des Gay Resorts Rainbow Inn auf Sardinien, hat für seine homosexuelle Gästeschar selten freundliche Gedanken übrig. Zumeist verachtet er die Arroganz, Oberflächlichkeit und Sturheit der schwulen Urlauber, die während ihres Aufenthalts weder (Bio)Frauen, noch Kinder sehen und am liebsten unter sich bleiben wollen. Diese Regel wird kurzerhand in den Wind geschossen als die betrogene Ehefrau Ilka mit ihren zwei Kindern Thea und Felix nach einer Autopanne im Rainbow Inn strandet und von Helmer kurzerhand aufgenommen wird. Sofort macht sich Unruhe unter den Schwulen breit. Während Ilka versucht so schnell wie möglich einen Rückflug zu buchen, erkunden die Kinder die Anlage und freunden sich mit dem Transvestiten Olga an.

 

Als der erste Rückflug erst drei Tage später möglich ist, quartiert Helmer die kleine Familie in seinem Hotel ein und sorgt damit für ein unvergleichliches Chaos unter seinen Gästen – plötzlich müssen die Schwulen aufpassen, den Playroom abzusperren und beim Stelldichein im nahen Kakteenwald vor neugierigen Kindern auf der Hut zu sein. Auch Ilka hat mit der Situation zu kämpfen, denn neben den verbalen Angriffen seitens der schwulen Stammbelegschaft, drängt auch ihr Noch-Ehemann Dennis darauf, dass sie zu ihm zurückkommt …

 

Eigene Meinung:
Der Roman „Mami, warum sind hier nur Männer?“ stammt aus der Feder Volker Surmanns, der fast 20 Jahre lang als Kabarettist und Comedian auf der Bühne stand, Beiträge für das Satiremagazin „Titanic“ und Kolumnen für das queere Hauptstadtmagazin „Siegessäule“ verfasste und inzwischen mehrere Bücher herausgebracht hat. Nachdem er 2010 mit seinem Roman „Die Schwerelosigkeit der Flusspferde“ mit dem Comedybusiness abrechnete, widmet er sich mit seinem neusten Werk der schwulen Szene, die ebenfalls einige Breitseiten einstecken muss.

 

Die Inhaltszusammenfassung deutet bereits darauf hin, welches Genre Volker Surmann mit dem Roman „Mami, warum sind hier nur Männer?“ anstrebt: Trockene, teils absurde Situationskomik bestimmt die Geschichte, die aus mehreren Perspektiven erzählt wird. Seien es Helmer, Ilka, Thea oder Felix – nahezu jeder kommt zu Wort und darf die Ereignisse aus seiner Sicht schildern. Dabei bleibt kein Auge trocken, denn Volker Surmann lässt kein Klischee und keine krude Situation aus, um sowohl Ilka, die beiden Kinder und die schwulen Gäste ins Schwitzen zu bringen. Dabei bietet die Grundidee nicht einmal viel Handlungsspielraum: eine junge Familie landet in einem Gay Resort und wirbelt die sardische Idylle kräftig durcheinander. Viel Spannung, Action und Überraschungen darf man nicht erwarten, dafür kann man auf etliche Lacher und witzige Szenen hoffen, so dass beim Lesen kein Auge trocken bleibt.


Dennoch sei gesagt, dass es Volker Surmann nicht nur um Comedy und seichte Unterhaltung geht, sondern auch ernste Themen angesprochen werden: Schwulen- und Heterohass, Rassismus (insbesondere innerhalb der schwulen Gemeinschaft), Arroganz und Ungerechtigkeit. Dabei wird das schwule Leben in all seinen Facetten vorgestellt: ob Transvestit, SM-Freaks, Pärchen oder Single im Jagdmodus, Twinks oder die alternde Gemeinde: nahezu alles findet einen Platz in „Mami, warum sind hier nur Männer?“. Es ist ein buntes Sammelsurium an Skurrilität, Klischees und unverblümter Offenheit, das in seiner Gesamtheit einfach nur zu unterhalten weiß.

 

Ein großes Plus machen hierbei die unterschiedlichen Charaktere aus, die allesamt unheimlich authentisch und greifbar beschrieben sind. Sei es der stoffelige Helmer, der am liebsten seine Gäste vor die Tür setzen will, die stets gutgelaunte Olga, die mit ihren Auftritten für Stimmung sorgt und bei den Kindern ein Stein im Brett hat, oder Ilka nebst Nachwuchs, die einfach wunderbar zu den schwulen Gästen des Rainbow Inns passen. Volker Surmann haucht ihnen Leben ein und überzeugt mit lebendigen Dialogen und nachvollziehbaren Reaktionen. Sei es Felix‘ Naivität, wenn es um die schwulen Männer geht, Theas postpubertäres Verhalten, wenn es darum geht ihren Bruder vor Anfeindungen zu schützen oder die kurzen Einblicke in die Gedanken der unterschiedlichen Gäste: es macht einfach Spaß, die Figuren zu begleiten.

 

Stilistisch gibt es nichts zu bemängeln: Volker Surmann hat einen lockeren, flapsigen Schreibstil, der perfekt zur Geschichte und den Charakteren passt. Gerade die Dialoge sorgen für den ein oder anderen Lacher, ebenso die Beschreibungen des Hotels und der nahen Umgebung. Es macht einfach Spaß „Mami, warum sind hier nur Männer?“ zu lesen und das Aufeinandertreffen zweier grundverschiedener Welten zu beobachten. So vorhersehbar die Handlung an einigen Stellen auch sein mag, der Autor schafft es dennoch hervorragend zu unterhalten und gibt Einblicke in eine Welt, die normalerweise nur „Eingeweihte“ zu Gesicht bekommen.

 

Fazit:
„Mami, warum sind hier nur Männer?“ ist ein witziger, sprachlich gelungener Unterhaltungsroman, bei dem kein Auge trocken bleibt. Die Charaktere sind authentisch und überzeugend in Szene gesetzt, die Handlung mag vorausschaubar sein, kann jedoch durch unerwartet ernste Passagen punkten. Wer witzige Romane voller Situationskomik und skurrilen Figuren mag, sollte sich Volker Surmanns Buch nicht entgehen lassen. Allerdings sollte man auf Lektüre während der Zugfahrt verzichten – den ein oder anderen Lacher kann man sich nämlich nicht verkneifen. Zu empfehlen!

Source: www.like-a-dream.de
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review 2015-10-06 11:49
Tod in Montmartre
Tod in Montmartre. Ein Fall für Claude Bocquillon (Ein Fall fur Claude Bocquillon) - Laurent Bach

Story:
Zwei Wochen Urlaub in Paris – der Traum eines verliebten Pärchen. Für den Privatdetektiv Claude wird aus den gemeinsamen Tagen mit seinem Freund Julian schnell ein Albtraum, denn dieser setzt ihn nicht nur unerwartet darüber in Kenntnis, dass er die Möglichkeit hat für seinen Job nach Genf zu ziehen, er stolpert auch noch über die Leiche einer jungen Frau. Da diese seiner Freundin Amelie extrem ähnlich sieht, ahnt er bereits frühzeitig wer das Opfer eines Gewaltverbrechens wurde: Francine Lambert, Schwester seines Freundes Frederik, der seit Jahren nach der verschwundenen jungen Frau sucht. Sofort reisen Frederik und dessen Freundin Amelie nach Paris, um die Tote zu identifizieren und in Erfahrung zu bringen, was geschehen ist.

 

Da die Pariser Polizei die Zusammenarbeit mit Frederic (seines Zeichens ebenfalls Polizist) und Claude ablehnt, beginnen beide auf eigene Faust zu ermitteln und geraten in einen Sumpf aus Drogen, illegalen Waffen und Menschenhandel. Für Claude bietet der neue Fall nicht nur die Möglichkeit Frederic beizustehen, es lenkt ihn auch mehr oder minder erfolgreich von seinen Problemen mit Julian ab, der überhaupt nicht begeistert von Claudes Ermittlungen ist …

 

Eigene Meinung:
Die Krimis um den Privatdetektiv Claude Bocquillon gehen in die 3. Runde – die ersten beiden Fälle des Südfranzosen erschienen ebenfalls beim Bruno Gmünder Verlag unter den Titeln „Mord auf Französisch“ und „Die zehn Plagen“. Hinter dem Autoren Laurent Bach verbirgt sich Brunhilde Witthaut, die u.a. historische Romane verfasst, aber auch unter dem Pseudonym Corinna Bach als Gay Romance Autorin für den Sieben Verlag schreibt.

 

Dieses Mal verschlägt es Claude und seine Freunde aus dem beschaulichen Anduze in die pulsierende Metropole Paris. Erneut bekommt er es mit einem Mordfall zu tun, allerdings handelt es sich dieses Mal um eine persönliche Angelegenheit, da es sich bei dem Opfer um die vermisste Schwester seines Freundes Lambert handelt. Den Leser erwartet eine spannende, abwechslungsreiche Geschichte, in der Claude und Frederic nur nach und nach den Hintergründen auf die Spur kommen und in der dieses Mal verschiedene Fälle miteinander zusammenhängen. So wird schnell offensichtlich, dass es nicht nur um den Mord an Francine geht, sondern dass das organisierte Verbrechen von Paris seine Finger im Spiel hat. Claude wird mit Drogen, Menschenhandel und einem Fälscherring konfrontiert und muss sich gegen unterschiedliche Verbrecher zur Wehrsetzen.

 

Allerdings ist es dieses Mal recht früh offensichtlich, wo sich ihr wirklicher Mörder befindet und welche Ziele dieser verfolgt. Man hat den Verdacht recht früh und sieht sich zunehmend bestätigt. Allerdings dauert es fast zu lang, bis die Charaktere darauf kommen, wer wirklich die Finger im Spiel hat und für den Mord an Francine verantwortlich ist – obwohl es durchaus einige sehr offensichtliche Hinweise gibt.

 

Die Charaktere sind einmal mehr gelungen und können überzeugen – Claude ist dem Leser sofort sympathisch, wenngleich er dieses Mal sehr zickig daherkommt. Gerade bei den Szenen mit Julian geht er einem schnell auf die Nerven, da er sich sehr kindisch verhält und für keine Argumente offen ist. Dafür können Lambert und Amelie überzeugen, die im Laufe der Geschichte richtig zueinander finden und dies auch besiegeln wollen. Gerade Frederic lernt man ganz neu kennen, da er erstmals einem persönlichen Problem gegenüber steht. Er ist inzwischen ein fester Bestandteil von Claudes Freundeskreis, ganz gleich was früher zwischen den beiden Männern vorgefallen ist. Das macht ihn sehr sympathisch und liebenswert.
Die übrigen Nebenfiguren bleiben ein wenig blass und man vermisst durchaus die liebgewonnenen Charaktere aus Südfrankreich: Bertin, Claudes Mutter und seinen Kater, die Anwohner von Anduze. So toll einige Figuren in Paris sind und so lebendig die Stadt in Szene gesetzt wurde, Claude Bocquillon gehört nach Südfrankreich. Daher hofft man, dass der nächste Band wieder in Anduze spielen wird.

 

Stilistisch kann die Autorin einmal mehr überzeugen – wie bereits erwähnt sind die Beschreibungen sehr atmosphärisch und mitreißend. Man kann sich Paris mit all seinen Straßen, Orten und Menschen bildlich vorstellen, auch Actionszenen und Dialoge sind gut umgesetzt. Laurent Bach hat einen flüssigen, soliden Stil, hält die hohe Spannungskurve kontinuierlich aufrecht und sorgt für Abwechslung. Es macht Spaß Claude Bocquillons Fälle zu lesen, die Entwicklung der Charaktere mitzuverfolgen und dem Täter auf die Spur zu kommen. Dabei ist man immer nah bei den Figuren, da die Autorin die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt. Leider besticht „Tod in Montmartre“ durch zu viele Sichtweisen – dieses Mal wird sehr oft zwischen den Charakteren hin und her gesprungen. Das fällt nicht unbedingt extrem ins Gewicht, doch mit der Zeit stört es, dass man immer wieder aus einem Gedankengang geworfen wird, sobald die Perspektive wechselt.

 

Fazit:
„Tod in Montmartre“ ist ein gelungener Krimi, der die Reihe um Claude Bocquillon überzeugend weiterführt und für ein spannendes, gut geschriebenes Lesevergnügen sorgt. Die Geschichte ist gut umgesetzt, wenngleich man frühzeitig weiß, wer der Mörder ist; und auch die authentischen, lebendigen Charaktere können einmal mehr überzeugen. Ein wenig vermisst man Anduze und einige alte Bekannte, doch insgesamt ist die Episode in Paris gut gelungen. Wer Krimis mag und Lust auf französisches Flair hat, sollte sich Laurent Bachs Reihe nicht entgehen lassen. Sie lohnt sich auf jeden Fall und macht Lust auf mehr.

Source: www.like-a-dream.de
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review 2015-10-05 12:00
Vancouver Dreams
Vancouver Dreams - Corinna Bach

Story:
Kaum aus dem Gefängnis entlassen, stolpert der junge Zachary ungewollt in Ärger, als ein fremder Mann ihm einen Schließfachschlüssel in die Hand drückt und ihn auffordert zur Polizei zu gehen. Natürlich kommt Zac der Aufforderung nicht nach, immerhin steht er als entlassener Häftling im Fokus der Beamten und plant nicht, sich erneut in Schwierigkeiten zu bringen. Dass er sich damit direkt mit den Red Skorpiens – eine der führenden Banden von Vancouver – anlegt, bringt nicht nur ihn in Schwierigkeiten, sondern auch seinen Bewährungshelfer Liam Hillerman, zu dem er sich stark hingezogen fühlt. Auch Liam entwickelt schnell Gefühle für Zac, doch ihre Beziehung steht nicht nur durch die drohende Gefahr der Bandenmitglieder unter einem schlechten Stern, auch ihre verschiedenen sozialen Stände sorgen für Spannungen …

 

Eigene Meinung:
Mit „Vancouver Dreams“ legt die Autorin Corinna Bach ihren zweiten Gay Romance vor, der im Sieben Verlag erscheint. Dass der Roman für die unter Pseudonym arbeitende Brunhilde Witthaut nicht erst die zweite Veröffentlichung ist, zeigt sich, wenn man sich die Bücher ansieht, die sie unter ihrem richtigen Namen oder unter Laurent Bach herausgebracht hat. So stammt auch die beliebte Reihe um den schwulen Detektiv Claude Bocquillon von ihr, ebenso einige historische Romane, die im Sieben Verlag oder bei Bookshouse erschienen sind.

 

Dieses Mal entführt die Autorin den Leser nicht nach Frankreich, sondern nach ins kanadische Vancouver, in dem Zac und Liam leben und arbeiten. Ansonsten bleibt sie sich treu und präsentiert einen schwulen Krimi, in dem zwei Männer eine Rolle spielen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während Zac aus der sozialen Unterschichte stammt und bereits wegen kleinerer Delikte im Gefängnis saß, stammt Liam aus einer angesehenen Familie und arbeitet im Grunde nur, um sich sozial zu engagieren. Die daraus entstehenden Probleme zwischen den beiden Männern sorgen für eine Menge Zündstoff und machen gut die Hälfte des Romans aus. Den Rest macht der Kriminalfall aus, der sich um die Machenschaften der Red Skorpiens dreht. Dass Zac vollkommen zwischen den Stühlen steht, versteht sich von selbst, da er weder so extrem ist, wie die gefürchtete Bande, noch mit der Polizei zusammenarbeiten will.

 

Insgesamt ist die Handlung durchaus spannend, doch dieses Mal gelingt es der Autorin nicht die authentische Atmosphäre aufzubauen, die man aus ihren anderen Romanen kennt. „Vancouver Dreams“ mag gut durchdacht, in sich schlüssig und interessant geschrieben sein, doch man vermisst die realistischen Charaktere, den detailverliebten Kriminalfall und die lebendigen Beschreibungen. Alles wirkt ein wenig überstürzt und durcheinander, was auch daran liegt, dass sie der Beziehung zwischen Zac und Liam mehr Platz einräumt und dadurch dem Fall weniger Zeit einräumen kann. Auch findet man in diesem Roman mehr Erotik, als in den übrigen Werken der Autorin, was jedoch nur bedingt positiv zu werten ist. Man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass explizite Szenen nicht ganz Corinna Bachs Steckenpferd sind und sie sich lieber in Andeutungen ergeht, was ihren bisherigen Romanen nicht geschadet hat.

 

Wie bereits erwähnt sind die Charaktere bei weitem nicht so lebendig wie Claude Bocquillon und Frederic Lambert (aus den „Bocquillon Krimis) oder Niklas und Ruben (aus „Bodyguard“). Man lernt die beiden Protagonisten zwar im Laufe der Zeit recht gut kennen, doch es fällt schwer sich auf Zacs freche, vorlaute Art einzulassen, insbesondere weil er immer wieder über die Stränge schlägt. Er ist schwierig, was jedoch recht gut passt, wenn man bedenkt aus welchem Millieu er kommt. Im Gegenzug zu ihm ist Liam das genaue Gegenteil – sozial engagiert, freundlich und hilfsbereit. Im Grunde passen die beiden Charaktere nur bedingt zueinander, aber Gegensätze ziehen sich bekanntlich an und es dauert auch eine Weile, bis sich Zac und Liam über mehrere Etappen hinweg zusammenraufen.
Positiv kommen die Nebenfiguren daher – seien es Zacs Mutter und Freunde, Liams Familie oder die Polizisten, die den Red Scorpiens an den Kracken wollen: sie fügen sich gut in die Rahmenhandlung ein und sorgen für unerwartete Wendungen und Überraschungen.

 

Stilistisch bietet Corinna Bach lockerleichte Lektüre, die jedoch nicht an ihre bisherigen Veröffentlichungen heranreicht. Kurze Sätze und eine einfache Sprache bestimmen „Vancouver Dreams“, ein Konzept, was nicht immer aufgeht. So leicht das Buch daherkommen soll, es zerstört teilweise die Handlung und die Spannung. Zudem hat man das Gefühl, dass sich die Autorin ein wenig verbiegen musste, um den Anforderungen nach leichter Sommerlektüre gerecht zu werden. So ist „Vancouver Dreams“ leider nicht ganz so atmosphärisch und spannend, kann daher nur teilweise überzeugen. Bleibt zu hoffen, dass Corinna Bach in ihren zukünftigen Werken zu ihrem soliden, flüssigen Schreibstil zurückfindet, der ihre Werke so angenehm aus der breiten Masse der Gay Romance Veröffentlichungen heraushebt.

 

Fazit:
„Vancouver Dreams“ ist ein weiterer kriminalistisch angehauchter Roman von Brunhilde Witthaut alias Corinna Bach, der dieses Mal in Kanada spielt. Obwohl er inhaltlich und stilistisch nicht an ihre übrigen Romane heranreichen kann, wird man doch gut unterhalten und schließt mit der Zeit auch die unterschiedlichen Helden ins Herz. Wer leichtere, spannende Gay Romance Romane sucht, ist mit „Vancouver Dreams“ nicht schlecht beraten, Fans ihrer bisherigen Bücher werden jedoch enttäuscht sein. Am besten reinlesen und sich selbst ein Urteil bilden.

Source: www.like-a-dream.de
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