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review 2015-04-15 08:59
So la la
Amokspiel - Sebastian Fitzek

Ich finde es toll, wenn Geschichten in meiner Heimatstadt Berlin spielen. Tauchen konkrete Straßennamen, Sehenswürdigkeiten oder Plätze auf, muss ich mir die Umgebung nicht tatsächlich vorstellen, sondern greife einfach auf meine Erinnerungen zurück. Es bringt mich zum Lächeln. Vermutlich geht es Sebastian Fitzek da ganz ähnlich, denn genau wie ich ist er ein geborener Berliner. Viele seiner Thriller handeln in Berlin – so auch „Amokspiel“. Dieser Roman ist mein vierter Fitzek und da ich ihn als Meister des psychologischen Terrors kenne, hatte ich recht hohe Erwartungen.

 

Die Kriminalpsychologin Ira Samin möchte sterben. Alles ist vorbereitet. Der Revolver ist bereit, die Küche ist abgeklebt, die tödlichen Tabletten liegen im Eisschrank. Keinen Tag länger kann sie mit der Schuld leben, nicht den Selbstmord ihrer ältesten Tochter verhindert zu haben. Doch dann werden ihre privaten Pläne plötzlich vereitelt: sie wird zu einem Einsatz gerufen. In einem Berliner Radiosender hält ein Psychopath Geiseln gefangen und verlangt, dass seine Verlobte zu ihm gebracht wird. Bis es soweit ist, wird er während der Live-Sendung jede Stunde zufällige Telefonnummern anrufen. Meldet sich die angerufene Person mit der richtigen Parole, lässt er eine Geisel frei. Wenn nicht, muss eine Geisel sterben. Ira und das ganze Team müssen sich beeilen, um die Verlobte des Geiselnehmers zu finden. Bei ihren Nachforschungen stellt sich allerdings heraus, dass sie bereits vor Monaten einen tödlichen Unfall hatte. Die Verhandlung beginnt und Millionen von Menschen hören Ira dabei zu, wie sie einen verzweifelten Mann davon zu überzeugen versucht, dass seine letzte Hoffnung eine Illusion ist.

 

„Amokspiel“ in drei Worten? So la la. Stellt euch dazu bitte das charakteristische Wackeln der Hand vor. Wirklich viel kann ich zu diesem Thriller eigentlich nicht sagen, denn er hat kaum Eindruck bei mir hinterlassen. Ganz nett für Zwischendurch, aber mehr eben leider auch nicht. Ich bin definitiv Besseres von Sebastian Fitzek gewohnt. Ich hatte das Gefühl, dass diese Geschichte eine Art Experiment für ihn war, um sich einmal in eine etwas andere Richtung zu versuchen. Das sei ihm natürlich gegönnt, doch für mich ist dieser Versuch nicht vollständig geglückt.
Den Einstieg in „Amokspiel“ fand ich unheimlich schnell, wie bei allen anderen Fitzeks zuvor ebenfalls, denn sein Schreibstil ist unverändert flüssig, packend und locker. Er schreibt nah am Menschen; damit möchte ich sagen, dass er es seinen LeserInnen leicht macht, eine Verbindung zu seinen Charakteren aufzubauen, weil sie sich durch und durch menschlich verhalten. So auch zur Protagonistin Ira Samin. Ira ist… abgewrackt. Ich habe versucht, eines zu finden, aber ein netteres Wort gibt es für ihren Zustand einfach nicht. Sie ist völlig am Ende, getrieben von akuter Todessehnsucht und einem ernsthaften Alkoholproblem. Erstaunlich, dass ich trotz dessen recht gut mit ihr zurechtkam, obwohl ich nicht gerade behaupten kann, sie wirklich zu mögen. Ich bin der Meinung, dass Fitzek selbst einer größeren Sympathie im Weg stand, weil er ständig wiederholte, dass sie sich am Morgen des Tages noch umbringen wollte. Ich empfand das als störend, denn es vermittelte mir das Gefühl, dass sich Ira ungeachtet der Ereignisse nicht weiterentwickelt. Diese konstruierte Fitzek anders, als ich erwartet hatte. Ira verhandelt zwar mit dem Geiselnehmer, jedoch viel weniger, als ich dachte. Ich hatte angenommen, dass ihre Gespräche den Großteil des Buches einnehmen und vor allem, dass sie sich auf gewisse Weise gegenseitig therapieren würden, da der Geiselnehmer ebenfalls Psychologe ist. Ich hatte auf eine Art therapeutischer Patt-Situation gehofft; zwei Psychologen, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen Ratschläge zu befolgen. Stattdessen widmete sich Fitzek intensiv den Abläufen um das Geiseldrama herum und offenbarte dabei eine überraschend politische Ebene. Ich mag politische Thriller gern, muss aber sagen, dass sich Fitzek hier nicht von seiner stärksten Seite zeigte. Für meinen Geschmack wirkten all die Faktoren, die in „Amokspiel“ zusammenspielen, übertrieben zufällig und verworren. Mir fehlte der rote Faden. Von der Hintergrundgeschichte, also von den Verwicklungen, die überhaupt erst zu der Geiselnahme führten, war ich dementsprechend nicht überzeugt.
Was mir hingegen sehr gut gefiel, war, dass Fitzek seine LeserInnen in eine Welt mitnimmt, die ihm sehr vertraut ist: die Welt eines Radiosenders. Er arbeitet seit Jahren bei einem Berliner Sender in der Programmdirektion – umso authentischer ist die Darstellung seines fiktiven Settings gestaltet.

 

„Amokspiel“ war für mich kein sonderlich herausragender Thriller. Natürlich las er sich schnell und spannend, konnte mich aber lange nicht so fesseln wie beispielsweise „Die Therapie“. Meiner Meinung nach sollte Sebastian Fitzek bei Psychothrillern bleiben und sich nicht an politischen Experimenten versuchen, denn das liegt ihm nicht. Ich werde keinesfalls aufhören, seine Bücher zu lesen, schätze aber, dass ich bald vergessen haben werde, worum es in „Amokspiel“ geht.
Ich bin der Meinung, dass dieser Fitzek hauptsächlich eine Lektüre für seine Fans ist, denen viel daran liegt, sein Gesamtwerk gelesen zu haben. Für alle anderen: es gibt bessere Thriller.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2015/04/15/sebastian-fitzek-amokspiel
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