Man sollte eigentlich meinen, wenn man es geschafft hat das erste eigene Buch bei einem Verlag unterzubringen, dann wird danach alles leichter. Man hat es schließlich dorthin geschafft, wo man nie zu sein dürfen glaubte. Das Manuskript wurde angenommen, es gibt einen Vertrag, die Buchveröffentlichung steht kurz bevor und ist ganz real. Man ist am Ziel angekommen. Ab hier kann das Autorenleben doch nur noch einfacher werden und die Worte flutschen einem ab jetzt nur noch so auf’s Papier! Denkste.
Aktuell schreibe ich am zweiten Roman und es gibt etliche Ideen und Dinge von denen ich weiß, dass sie noch rein müssen, aber es fehlt noch so wahnsinnig viel und die Dynamik der Geschichte ist natürlich auch ganz anders als beim vorherigen Buch, weswegen ich gleichzeitig zweifle, ob sie denn je so spannend werden kann wie die vorherige. Und soll sie das überhaupt sein? Viele Fragen und Zweifel begleiten mich dabei, die ein vorzügliches Festmahl für diese fiese Ratte von kleiner Stimme im Hinterkopf sind, die mir in theatralischstem Ton zujammert: Das schaffst du kein zweites Mal. Das neue Buch kann niemals so gut werden wie das Erste! Nie wieder wirst du etwas so großartiges tippen wie bei diesem einen Roman! Du hast all dein Können in dieses eine Manuskript gesteckt und nun war es das. Dein Potential ist ausgeschöpft. Leer. Es ist hoffnungslos.
Miese kleine Breirübe.
Jedes verdammte Mal passiert das. Nicht nur beim Schreiben, auch bei der Kunst. In solchen Momenten muss ich mich daher arg am Riemen reißen und mich daran erinnern, dass ich beim Verfassen des ersten Romans ganz genauso herum gejammert habe und auch dort zwischendurch einfach das Handtuch werfen wollte, weil ich mir sicher war, dass ich die Geschichte nicht durchgehend erzählt bekomme. Daran bin ich in früheren Jahren schon mehrmals gescheitert. Aber dieses eine Mal bin ich dran geblieben, weil ich Brïns Geschichte unbedingt vollenden wollte. Ich bin immer wieder zu dieser Geschichte zurück gekehrt und wenn mir nichts neues einfallen wollte, dann habe ich das Bestehende gelesen und überarbeitet, bis mir plötzlich die Idee für einen neuen Übergang oder ein weiteres Kapitel kam. Man darf es eben nicht ständig erzwingen wollen und muss auch beim Scheiben geduldig sein. Es hat letztlich ziemlich genau ein Jahr gedauert, bis das Manuskript dann tatsächlich vollständig war und all die vorherigen Gedanken aufgeben zu wollen, erschienen mir in dem Moment albern. Aber es dauert eben seine Zeit und der Weg von der ersten Idee bis zum finalen Manuskript ist einer voller Zweifel. An mir selbst und an meiner Geschichte. Und obwohl dieses Buch nun bald im Verlag erscheinen wird und ich allen Grund habe stolz darauf zu sein, fällt es mir nicht leichter an der neuen Geschichte zu arbeiten. Ich habe die selben Zweifel und Fragen wie vorher auch.
Ich befürchte fast, dass diese Reaktion »das schaffst du nie wieder!«, zum Schreiben dazu gehört. Zumindest was mich angeht. Es ging mir auch so nachdem ich damals meine erste gelungene Kurzgeschichte verfasst hatte. Wie in einem Rausch habe ich sie in fünf Stunden herunter getippt, hatte danach knallrote Wangen, das Herz klopfte wie nach einem Sprint und mir war brüllend heiß, weil ich in einen richtig üblen Schreibrausch geraten war, der mich völlig unerwartet erwischt hatte. Ich war tatsächlich wie besessen und betrachte diesen Moment heute als Geburtsstunde meines Autorendaseins. Aber ich schweife ab.
Dieser befreiende Rausch jedenfalls hat sich irgendwann im Sommer 2013 ereignet. Seitdem sind meine Schreibanfälle nicht mehr ganz so dramatisch, aber auch damals dachte ich, diese Kurzgeschichte, auf die ich mordsmäßig stolz war, weil sie sich zum ersten Mal richtig anfühlte, wäre alles was in mir steckte. Danach konnte unmöglich noch etwas ansatzweise so gutes kommen. Aber es kamen neue, sogar bessere Kurzgeschichten und dann auch ein Roman (der ursprünglich auch nur eine Kurzgeschichte hatte werden sollen). Wie schade wäre es gewesen, wenn ich mich damals von der kleinen Stimme im Hinterkopf, wie so oft zu anderen Gelegenheiten, hätte ausbremsen lassen? BRÏN wäre nie entstanden und ich hätte so viele Dinge über mich selbst, das Schreiben und dieses wahnsinnige Gefühl, ein Manuskript zu vervollständigen, nicht gelernt. Ich würde vermutlich nicht einmal diesen Blog führen.
Also beiße ich mich nun brav durch mein neues Manuskript, streiche, korrigiere, ergänze und versuche die fiese kleine Stimme zu ignorieren. Aufgeben ist schließlich auch keine Lösung.