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review 2019-06-18 10:38
Jalousien runter, Feierabend!
A War in Crimson Embers - Alex Marshall

Musik spielte für Alex Marshall während des Entstehungsprozesses der „The Crimson Empire“-Trilogie eine große Rolle. Er liebt Rock und Metal und ließ sich von diversen Bands und Songs inspirieren. Beispielsweise lief „Square Hammer“ von Ghost in Dauerschleife, als er das Finale „A War in Crimson Embers“ schrieb. Angeblich verstecken sich in der Handlung des Dreiteilers einige Anspielungen und Referenzen, die auf seinen Musikgeschmack verweisen. Solltet ihr sie finden – lasst es mich wissen.  ;-)

 

Einst wurde Jex Toth versenkt, um die verheerenden Pläne des Priesterrats zu vereiteln. Für alle Zeiten sollte die verfluchte Insel im Ersten Dunkel angekettet sein. Doch das folgenschwere Ritual der Burnished Chain brachte Jex Toth zurück und die Priester zögern nicht, dort anzuknüpfen, wo sie vor 500 Jahren unterbrochen wurden. Ihre furchteinflößenden Truppen bereiten sich darauf vor, den Stern anzugreifen, die Bevölkerung zu versklaven und jede Seele auszulöschen, die sich ihnen widersetzt. Leider sind die Königreiche des Sterns in eigene Machtkämpfe verwickelt und ahnen nicht, welche Bedrohung am Horizont aufzieht. In Diadem hinterließ die überstürzte Abreise der Chain ein Vakuum, das die Revolutionäre zu füllen versuchen. Zosia und Indsorith bieten ihre Unterstützung an, müssen allerdings feststellen, dass die Umstürzler allzu bereit sind, die ehemaligen Königinnen für ihre Verfehlungen zu verurteilen. Auf die Hilfe der Kobalt-Kompanie können sie nicht zählen, denn diese wird auf den Makellosen Inseln festgehalten. Generalin Ji-hyeon konnte sich nur mit einem beherzten Sprung in das Portal vor dem rachsüchtigen Zorn der Kaiserin Ryuki retten und ist nun im Ersten Dunkel verschollen. Die einzige Hoffnung der Menschheit sind Sullen und seine Freunde, die auf ihrer Suche nach Maroto die Wahrheit über Jex Toth herausfanden. Werden sie den Stern vor einem Schicksal in Sklaverei bewahren können?

 

Was war das denn bitte? „A War in Crimson Embers“ ist das seltsamste Finale einer Trilogie, das ich je gelesen habe. Ich bilde mir ein, dass ich eine großzügige Leserin bin, die am Ende einer Geschichte vieles verzeiht und für die meisten Entwicklungen offen ist. Ich brauche kein Happy End und kann mich mit unbeantworteten Fragen abfinden. Aber das… Das war einfach skurril. Ich erwähnte bereits in der Rezension zum Vorgängerband „A Blade of Black Steel“, dass ich fürchtete, dass Alex Marshall die Handlung nicht konsequent genug vorantrieb und sich zu viel Zeit ließ. Ich hatte ja keine Ahnung. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, doch „A War in Crimson Embers“ ist noch langatmiger, noch gestreckter und noch unfokussierter. Manche Kapitel behandeln lediglich eine einzige Szene. Dadurch wirkte die Geschichte zerstückelt, denn ich durfte bei vielen Ereignissen nicht live dabei sein, sondern erfuhr erst im Nachhinein, wie die aktuelle Szene zustande kam. Es baute sich kein Fluss auf und dementsprechend auch keine stabile Spannungskurve. Ich wurde ohne erkennbare Logik wie eine Flipperkugel quer über den Stern von einer Figur zu anderen katapultiert. Meine enorme Sympathie für sie brachte mich durch die Lektüre, doch je länger dieses Spielchen dauerte, desto stärker zweifelte ich daran, dass Alex Marshall es schaffen würde, auf einen Nenner zu kommen. Vielversprechende potenzielle Nebenhandlungslinien fielen Stück für Stück ungenutzt weg. Marshall sortierte aus, was ich für eine direkte Folge seines langsamen Erzähltempos halte, weil ihm der Raum fehlte, auf Ji-hyeons Abenteuer im Ersten Dunkel, Sullens Beziehung zur Faceless Mistress oder die Rolle der Wildborn gebührend einzugehen. Er musste sich auf das Wesentliche beschränken: den Kampf gegen Jex Toth. Doch selbst nach dieser radikalen Diät wurde es knapp, sodass er die finale Schlacht und die Konfrontation mit dem Priesterrat abrupt abschließen musste. Ach, was rede ich. Abschließen? Das war kein Abschluss. Das war ein Abbruch. Von jetzt auf gleich schickt Marshall seine Figuren in den Feierabend und zieht die Jalousien runter. Alle offenen Fragen bleiben ungeklärt. Wäre sie nicht so unbefriedigend, hätte mich diese bizarre Vollbremsung beinahe zum Lachen gebracht. Das Ende von „A War in Crimson Embers“ las sich wie eine Satire, weil es jede Erwartungshaltung enttäuschte, die ich bis dahin entwickelt hatte.

 

Ich weiß nicht, was Alex Marshall sich bei der Konzeption von „A War in Crimson Embers“ dachte. Ich kann nicht erklären, wieso er den großen Showdown plötzlich abbrach. Also werde ich es gar nicht erst versuchen. Stattdessen möchte ich abschließend ein Thema ansprechen, das mich beschäftigt, seit ich Rezensionen anderer Leser_innen zum ersten Band der „The Crimson Empire“-Trilogie las, in denen behauptet wurde, Marshalls Universum sei nicht wirklich gleichberechtigt. Es sei kein Zeichen von Gleichberechtigung, dass die meisten Figuren bisexuell und promiskuitiv sind und Frauen alle wichtigen Positionen einnehmen. Dies ist ein Kritikpunkt, dem ich vehement widerspreche. Ich finde es kleingeistig und unversöhnlich, Marshall anzukreiden, der Stern, der gleichberechtigter und toleranter ist als die meisten Fantasy-Settings, sei noch nicht gleichberechtigt und tolerant genug. Meiner Meinung nach sind weder die sexuelle Orientierung der Figuren noch die Besetzung von Führungspositionen ausschlaggebend. Entscheidend ist, wie die Charaktere darauf reagieren: gar nicht. Toleranz und Gleichberechtigung zeigen sich darin, dass Gender, Geschlecht und sexuelle Ausrichtung eben nicht thematisiert werden, weil sie völlig selbstverständlich akzeptiert werden. Man kann Alex Marshall vorwerfen, dass seine Trilogie inhaltlich nicht überzeugt, aber nicht, dass er sich um ein vorurteilsfreies Universum bemühte. Das ist mehr, als die meisten Fantasy-Autor_innen überhaupt wagen und als Anerkennung dessen erhält „A War in Crimson Embers“ von mir trotz der Mängel drei Sterne.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/06/18/alex-marshall-a-war-in-crimson-embers
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review 2019-06-05 09:53
Diese Bummelei könnte sich rächen
A Blade of Black Steel - Alex Marshall

Das erfreulich emanzipierte Frauenbild in der „The Crimson Empire“-Trilogie ist kein Versehen, sondern Absicht. Der Autor Alex Marshall konzipierte bewusst ein tolerantes Setting voller Diversität. Auf dem Stern gibt es keine Homophobie, keine Transphobie, keine sexualisierte Gewalt und bis auf eine Ausnahme auch keinen institutionalisierten Rassismus. Sein Ziel war, die Vielfalt der Realität zu repräsentieren und Diskriminierung durch deren Abwesenheit zu thematisieren. Er wollte beweisen, dass moderne Fantasy spannend und actionreich sein kann, ohne die Defizite unserer Gesellschaft zu reproduzieren. Ich finde, das ist ein mutiger Schritt, der dem Genre guttut. Umso mehr freute ich mich auf den zweiten Band „A Blade of Black Steel“.

 

Der Sieg der Kobalt-Kompanie war teuer erkauft. Zahllose Soldat_innen wurden von dem schwarzen Portal, das die Burnished Chain heraufbeschwor, verschluckt. Ji-hyeon und ihre Berater_innen müssen entscheiden, wie es für ihre stark dezimierten Truppen weitergehen soll. Eine erneute Offensive der königlichen Streitkräfte würden sie nicht überstehen. Doch nach dem unheilvollen Ritual sind die Fronten unklar. Es besteht die Chance, die gegnerische Generalin davon zu überzeugen, dass die Chain Pläne verfolgt, die die Autorität der Karmesinroten Königin gefährden. Um sich aus dem Patt zu manövrieren, müssen sie geeint auftreten – leider ist Maroto noch immer verschwunden und Zosia sucht von Rachedurst getrieben die Konfrontation mit ihrer Nachfolgerin. Streit und Intrigen lähmen die Kobalt-Kompanie. Gerade, als alle glauben, schlimmer könne es nicht kommen, erreichen sie Gerüchte, dass das Ritual der Chain weit bedeutendere Folgen hatte als nur ein neues Portal. Das Versunkene Königreich Jex Toth soll sich erhoben haben. Angeblich sammelt sich dort eine unmenschliche Armee, bereit, den Stern anzugreifen. Die Kobalts müssen wählen: werden sie helfen, den Stern zu schützen oder nutzen sie Gunst der Stunde für ihre eigenen Ziele?

 

Oh oh oh. Ob das noch was wird? Alex Marshall sollte wirklich an Tempo zulegen. „A Blade of Black Steel“ ist noch langatmiger und schwerfälliger als der erste Band „A Crown for Cold Silver“. Während ich die inhaltliche Trägheit des Auftakts verzeihen konnte, weil die Etablierung eines neuen Universums und neuer Figuren diese rechtfertigt, mache ich mir jetzt Sorgen, dass der Autor zu zaghaft vorgeht. Die Geschichte macht dermaßen langsam Fortschritte, dass ich nicht sicher bin, ob es ihm gelingen wird, die „The Crimson Empire“-Trilogie zu einem befriedigenden Abschluss zu bringen. Meinem Gefühl nach gibt es noch unheimlich viel zu erzählen, doch statt im zweiten Band in die Vollen zu gehen, druckst Marshall herum. Ich hatte den Eindruck, dass die Handlung lange feststeckte, weil sich die Figuren einfach nicht vom Fleck bewegten. Die Dynamik stagnierte und büßte jeglichen Schwung ein. Nach der Schlacht gegen die 15. Kavallerieeinheit befindet sich die Kobalt-Kompanie in einer desolaten Zwickmühle. Sie können sich keinen weiteren Kampf leisten, es scheint jedoch, als sei eine erneute Konfrontation unvermeidbar, ob sie ihre Position nun halten oder verlassen. Sie können weder vor noch zurück. Ihr einziger Ausweg besteht darin, sich mit den royalen Regimentern gegen die Burnished Chain zu verbünden. Eine riskante Strategie, denn niemand versteht, was die Chain damit bezweckt, Jex Toth zurückzubringen. Ich übrigens auch nicht. Marshall bietet leider nur sehr vage Informationen zu den Glaubenssystemen des Sterns. Ich weiß nicht, was das Auftauchen des ehemals Versunkenen Königreichs bedeutet und inwiefern es die Pläne der Chain, die Karmesinrote Königin Indsorith vom Thron zu stürzen, unterstützt. Die allgemeine Ahnungslosigkeit führt dazu, dass die Kobalt-Kompanie Jex Toth weitgehend ignoriert und sich ihren akuten Problemen widmet. Der Generationskonflikt, der sich im Vorgänger bereits andeutete, tritt in „A Blade of Black Steel“ deutlich zu Tage. Ji-hyeon und Zosia streiten sich und werden sogar handgreiflich. Es gefiel mir, wie ernsthaft Marshall diese Auseinandersetzung gestaltet und dadurch abermals das emanzipierte Frauenbild seines Universums betont. Ich fühle mich als Frau in der „The Crimson Empire“-Trilogie gut repräsentiert. Die Prügelei zwischen Ji-hyeon und Zosia ist natürlich nicht die einzige actionreiche Szene. Obwohl das Buch generell eher zäh ist, schenkte mir der Autor eine der besten Schlachten meiner Literaturkarriere. Es ist ein Kampf mit einem riesigen, dämonischen Opossum. Ja, richtig. Ein Opossum. Diese Stelle war aufregend, herrlich freakig und erfrischend witzig. Marshalls Humor entschädigte mich für vieles. Er zeigt ein inspirierendes Gespür für Absurdität, Sarkasmus und die Ironie des Schicksals, das er nutzt, um die tiefliegenden Konflikte seiner liebenswürdigen Figuren ungezwungen zu thematisieren. Dennoch bezweifle ich, dass er ihnen erlauben wird, diese innerhalb der Trilogie zu überwinden. Sie haben schließlich nur noch ein Buch Zeit dafür.

 

„A Blade of Black Steel“ wartet nicht mit den inhaltlichen Fortschritten auf, die ich mir im zweiten Band der „The Crimson Empire“-Trilogie erhofft hatte. Teils ist das sicher der äußerst komplizierten politischen und religiösen Situation auf dem Stern geschuldet. Der Autor Alex Marshall trug jedoch ebenfalls seinen Teil dazu bei. Er manövrierte die Handlung in eine Sackgasse, wodurch ich lange das Gefühl hatte, dass rein gar nichts passierte und auch nichts passieren konnte. Erst gegen Ende der Fortsetzung involvierte er neue, externe Impulse, die die Geschichte aus ihrem Patt herauskatapultieren. Die alles entscheidende Frage lautet nun: wird Marshall diese Bummelei in „A Blade of Black Steel“ daran hindern, die Trilogie im Finale zufriedenstellend abzuschließen? Die Antwort werde ich erst in „A War in Crimson Embers“ finden, aber eines ist gewiss. Er muss zu Potte kommen.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/06/05/alex-marshall-a-blade-of-black-steel
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