
Die elfjährige Cinder hat gerade erst erfahren, dass sie seit einem Unfall Vollwaise ohne Verwandschaft ist und noch dazu sämtliche Erinnerungen an ihr bisheriges Leben verloren hat. Darüberhinaus hat sie selbst einige Schäden bei dem Unglück genommen und sieht sich nun damit konfrontiert ein Cyborg zu sein.
»I have a glitch, too. Sometimes I forget that I’m not human.«
Glitches beginnt mit Cinders Reise von Frankreich nach New Beijing, wo sie eine neue Heimat finden soll. Begleitet wird das kürzlich verwaiste Mädchen von ihrem Adoptivvater Garan, einem gutmütigen aber oft in seinen eigenen Gedanken versunkenen Wissenschaftler. Da sich Cinder an nichts erinnern kann, ist sie emotional wenig beteiligt an den Geschehnissen. Allein die Tatsache, dass sie nicht recht weiß was sie erwartet und wer oder was sie ist, sorgt für Unsicherheit. Denn die Operation, die ihr Leben offenkundig gerettet hat, bescherte ihr zwei mechanische Gliedmaßen und einen »Netscreen« wo eigentlich ihre Erinnerungen sitzen sollten. Cinder ist ein Cyborg in einer Welt, die nicht allzu viel auf kybernetisch modifizierte Menschen gibt. Kurz gesagt, Cyborgs gelten als Eigentum, als Dinger, nicht als Menschen, doch all das muss sie erst noch lernen und verarbeiten. Kurzfristig betrachtet hat sie zunächst einmal genug damit zu tun ihre künstlichen Erweiterungen zu verstehen, besonders den Netscreen, der ihre Gedanken mit Newsfeeds und Definition füllt, sobald sie sich selbst eine Frage stellt. Im Nu lädt sie ganze Baupläne in ihr Gehirn herunter und baut einen ramponierten Androiden wieder zusammen, das kann schon ein wenig überwältigend sein.
Die Kurzgeschichte ist eine weitere Ergänzung zu den Büchern der Lunar Chronicles von Marissa Meyer und liefert neue Details zu der Hauptfigur des Romans Cinder. Sowohl Buch als auch die vorliegende Kurzgeschichte basieren auf dem Märchen des Aschenputtels, so dass Cinders Adoptivvater bald verstirbt und sie in der Obhut ihrer Stiefmutter und der beiden Stiefschwestern zurückbleibt. Unnötig zu erwähnen, dass es wie im ursprünglichen Märchen kein zu herzliches Familiendasein für Cinder verspricht.
Ein wenig schade ist an Glitches vielleicht, dass wir nicht sehr viel mehr über Stiefmutter Adri erfahren als bisher. In der Buchreihe wird zwischendurch mal erwähnt, dass Adri auf den frühen Familienfotos ein freundliches, liebenswertes Lachen hat, welches in ihren späteren Jahren selbstverständlich verschwunden ist. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, welche Umstände sie zu dieser etwas verbitterten und gehässigen Frau haben werden lassen, deren Ansätze auch schon in dieser Geschichte schon zu erkennen sind.
Zu lachen gibt es in Glitches nicht ganz soviel. Auch in The Queen’s Army – der Vorgeschichte von Wolf – werden etwas ernstere Töne angeschlagen als in der Buchreihe. Die Kurzgeschichten scheinen sich bisher allesamt mit den etwas steinigeren Pfaden des Lebens zu befassen, was aber nicht schlecht ist und auch eigentlich nicht überraschend kommen dürfte. Vielmehr verleiht es den Figuren Stärke und Tiefe und baut die in den Romanen angedeuteten Hintergründe solide aus. Als kleinen Kontrast dürfen wir in Glitches aber auch erleben wie die sarkastische Androidin Iko entsteht und ihre ersten frechen Sprüche von sich gibt oder wie sich ein Cyborg in einem zu großen Seidenkimono schlägt.
Glitches erzählt zwar die Vorgeschichte zu Cinder, ich würde aber dennoch empfehlen die Geschichte erst im Anschluss des Buches zu lesen. Auf diese Weise kann Cinder erst einmal die etwas nebulöse Vergangenheit der Protagonistin aufbauen, während Glitches dann auch einfach deutlich gewichtiger erscheint. In jedem Fall ist diese Kurzgeschichte wieder eine schöne runde Ergänzung zu den Hauptbüchern der Lunar Chronicles und gehört auf den Leseplan jedes Reihenfans.
Bonus:
Die Kurzgeschichte wird von der Autorin kostenlos auf ihrer Website bereitgestellt.