Deutschland im Jahr 2028. Die EU gibt es nicht mehr, das Land ist abgeschottet und die politische Führung wird nicht in Frage gestellt: Nanoteilchen in Lebensmitteln machen es möglich, dass die ganze Bevölkerung eines Staates hörig ist. Alle Menschen? Nein, es gibt eine Gruppe von Rebellen, die resistent gegen die Manipulation durch Nanos ist. Sie haben sich zum Widerstand zusammengetan.
"Nanos" ist ein visionsträchtiger Thriller, der in der nahen Zukunft in Deutschland spielt. Autor Timo Leibig gibt damit sein Verlagsdebüt, das insgesamt exzellent gelungen ist.
Grundlage dieses Thrillers ist die Nanotechnologie. Dabei handelt es sich wohl um kleinste Teilchen, die ins Gehirn eingeschleust werden, um dort gewünschte oder unerwünschte Impulse zu erzeugen beziehungsweise zu unterdrücken. Timo Leibig hat sich gefragt, was passiert, wenn diese Teilchen als politisches Instrument eingesetzt werden. Wie sieht eine Welt aus, deren Bevölkerung mittels Nahrungsmitteln manipuliert und gleichgeschaltet wird?
Meiner Meinung nach hat er eine realistische Vision erschaffen, die dennoch an Altbekanntes erinnern mag.
Die Handlung ist einem Thriller entsprechend und mit brenzligen Situationen gespickt. Dennoch schafft es der Autor, seine Charaktere menschlich zu halten, und nicht in übertriebenem Heldenepos abzuheben. Leibig führt den Leser anhand nano-resistenter Figuren durch diesen Staat, deren Bevölkerung keine eigene Meinung hat.
Bei Malek greifen die Nanos nicht, weil jahrelang im Gefängnis gesessen ist. Nach einem gelungenen Ausbruch, hat er sich mit seinem Bruder im Wald verschanzt, wo er auf eine Gruppe von Widerstandskämpfern trifft. Die Rebellin Jannah hat es ihm besonders angetan, weil er in der jungen Frau eine Chance für sein weiteres Leben sieht.
Gemeinsam mit Malek und Jannah taucht man als Leser in den Untergrund ab. Hier werden Pläne geschmiedet, Intrigen gesponnen und mit etlichen Kraftproben zwischen Malek und der Führungsebene gerungen. Denn Malek ist trotz allem ein verurteilter Verbrecher, der sich nun als Söldner dem Widerstand angeschlossen hat.
In diesem Strang wird man über die politischen Zusammenhänge, den wissenschaftlichen Hintergrund und die weiteren Gefahren der Nanotechnologie informiert.
Zudem wird aus der Perspektive von Maria - einer Ehefrau und Mutter - erzählt. Sie quält sich mit den Alltäglichkeiten des Regimes ab, hat ihren Haushalt fest im Griff und nicht einmal ihr Ehemann merkt, dass sie immun gegen die Nanos ist. Wären da nicht all diese Kleinigkeiten, die sie früher oder später verraten werden, wenn nicht bald ein Wunder geschieht.
Marias Part mochte ich sehr, weil dadurch die Auswirkungen der Nanos und der politischen Unterdrückung auf das alltägliche Leben beschrieben werden. Die Menschen bespitzeln sich gegenseitig, glauben jedes Wort, das ihr politischer Führer sagt und stellen niemals Entscheidungen in Frage, weil sie aufgrund der Nanotechnologie zu keiner eigenen Meinung fähig sind.
Meiner Ansicht nach werden hier die Zusammenhänge zum Nationalsozialismus beziehungsweise zum Dritten Reich besonders deutlich. Der Jubel um die politische Führung, Konfessoren als bedrohliche Staatsgewalt und die Menschen, die sich gegenseitig misstrauen - das gab es in der deutschen Geschichte schon. Leibig hat das Zusammenspiel des bekannten Regimes gepaart mit neuester Technologie perfekt umgesetzt. Er hat einen interessanten Thriller geschrieben, der glaubhaft und dennoch futuristisch wirkt, und eine Zukunft zeigt, die hoffentlich niemals eintreten wird.
Erzähl- und Schreibstil sind flüssig, spannend zu lesen, und meinem Empfinden nach genau richtig, sodass man bei der Stange bleibt.
Alles in allem ist „Nanos“ eine düstere Vision, die aufmerksam macht, zum Nachdenken anregt, und davor warnt, dass durch Neues Altes wiederauferstehen kann. Wer gern Thriller mit politischem Hintergrund und auf wissenschaftlicher Basis liest, sollte sich im Jahr 2028 dem Widerstand anschließen, und sich dem Kampf gegen Leibigs Nanos stellen.