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review 2019-08-14 09:37
Noch einmal 14 sein
Tschick - Wolfgang Herrndorf

Wolfgang Herrndorf beging am 26. August 2013 Selbstmord. Drei Jahre zuvor war bei ihm ein bösartiger Hirntumor (Glioblastom) festgestellt worden. Während dieser drei Jahre führte er ein Blog-Tagebuch namens „Arbeit und Struktur“, in dem er schonungslos offen seine Gedanken zum Alltag mit einer tödlichen Erkrankung festhielt. Ich habe es gelesen. Es war … intensiv. Schmerzhaft. Aber auch witzig und manchmal herrlich belanglos, mit hohem Suchtfaktor. Absolut lesenswert. Herrndorf war ein beeindruckender Mann. Zwischen fatalistisch-makabren Überlegungen, Bestrahlung und Chemotherapie gelang es ihm tatsächlich, zwei Bücher zu verfassen, darunter der hochgelobte Jugendroman „Tschick“. Dieser entstand, weil Herrndorf die grundlegenden Prinzipien der Bücher seiner Jugend modernisieren wollte: Schnell verschwundene erwachsene Bezugspersonen, eine große Reise und ein großes Gewässer. Nun, das große Gewässer ergab mitten in Ostdeutschland wenig Sinn, aber der Rest ist in „Tschick“ durchaus zu finden.

 

Die Sommerferien sind in vollem Gange und der 14-jährige Maik Klingenberg hat nichts, aber auch gar nichts vor. Seine Mutter ist mal wieder in der Entzugsklinik, sein Vater mit seiner Assistentin auf Geschäftsreise. Maik sitzt vollkommen allein im Haus seiner Familie und bläst Trübsal. Er richtet sich gerade richtig schön im Selbstmitleid ein, als eines Tages ein blauer, verbeulter Lada vor seiner Tür hält und sein Mitschüler Tschick aussteigt. Tschick heißt eigentlich Andrej Tschichatschow und wohnt in einem Assi-Plattenbau in Hellersdorf. Keine Ahnung, wie der es aufs Gymnasium geschafft hat. Vielleicht Erpressung. Schließlich ist er Russe. Der Wagen ist natürlich geklaut. Und obwohl Maik eigentlich ein anständiger Junge ist, willigt er ein, mit Tschick einfach draufloszufahren. Quer über Deutschlands Landstraßen, durch verlassene oder vergessene Ortschaften, ein Abenteuer, das ihnen haufenweise Ärger einbrockt, ihnen aber auch den Sommer ihres Lebens beschert.

 

Vermutlich hätte ich „Arbeit und Struktur“ erst lesen sollen, nachdem ich diese Rezension zu „Tschick“ geschrieben habe. Das Blog-Tagebuch hat meinen Eindruck des Jugendromans stark beeinflusst. „Tschick“ zauberte mir bereits vor diesem intimen Einblick in die Gedanken Wolfgang Herrndorfs ein seliges Lächeln ins Gesicht – nun betrachte ich das Buch mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Ich lache und jubiliere, weil diese Geschichte unglaublich lebensbejahend ist. Ich weine, weil sie im krassen Gegensatz zu dem steht, was der Autor erleben musste, während er sie schrieb. Dass er fähig war, diesen Roadtrip voller Lebenslust und Lebensfreude zu Papier zu bringen, derweil er sich mit niederschmetternden Statistiken zur Lebenserwartung von Glioblastom-Patient_innen herumschlagen musste, haut mich völlig um. In seiner Situation, die beängstigend erwachsen war, in die Erlebenswelt eines 14-jährigen Jungen einzutauchen und das naive Charisma seiner Ich-Perspektive, mit der er mich mühelos eroberte, glaubhaft zu adaptieren, spricht von bemerkenswerter Sensibilität. Und vielleicht ein bisschen von Flucht, womit wir im thematischen Spektrum von „Tschick“ angekommen sind. Realitäts- bzw. Alltagsflucht spielt darin eine entscheidende Rolle, denn Maik und Tschick beschließen nicht nur aus einer Laune heraus, sich in den beinahe schrottreifen Lada zu setzen und durchs Land zu fahren. Sie fliehen vor dem, was sie zu Hause erwartet: leere Räume, Einsamkeit, Verlorenheit. Obwohl sie aus komplett unterschiedlichen sozialen Schichten stammen, ähneln sich ihre Lebensumstände erstaunlich. Diese werden vor allem von abwesenden Eltern und emotionaler Verwahrlosung beherrscht. Den Jungs fehlen liebende Fürsorge und Unterstützung, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Natürlich sind sie sich dessen nicht bewusst, doch sie verbindet das Bedürfnis, auszubrechen. Manchmal zweifelte ich daran, ob Tschick tatsächlich eine reale Person ist, weil seine Figur eine gewisse geisterhafte Qualität aufweist, die wie von Zauberhand alles erfüllt, wonach sich Maik tief in seinem Inneren sehnt. Er taucht unvermittelt auf, wirbelt Maiks Leben durcheinander und schenkt ihm dieses wunderbare Abenteuer, von dem Maik nicht wusste, dass er es brauchte. Es ist verblüffend, wie weit zwei Minderjährige mit einem geklauten, pardon, „geborgten“ Auto in Deutschland kommen können, ohne aufgehalten zu werden. Ich sehe darin einen Kommentar zu unserer gesellschaftlichen Interaktion; Herrndorf illustriert, dass wir uns lieber Erklärungen an den Haaren herbeiziehen, statt richtig hinzusehen und uns ernsthaft mit unseren Mitmenschen auseinanderzusetzen. Dennoch treffen Maik und Tschick auf ihrer Reise ausnahmslos sympathisch kauzige Individuen, die sich ihnen gegenüber positiv und offen verhalten, trotz gelegentlicher Anlaufschwierigkeiten. In der deutschen Provinz versteckt sich jede Menge Herz.

 

Jeder kann der Held der eigenen Geschichte sein, sogar ein Feigling und Langweiler – man muss nur beginnen, sie zu schreiben. Das ist die Botschaft, die ich aus „Tschick“ mitnehme. Ich glaube, dieses Buch wird ständig zu Tode interpretiert, schließlich hat es seinen Weg in den Deutschunterricht gefunden, aber meiner Ansicht nach muss man gar nicht tiefer graben. Es ist nicht die Chronik eines metaphorischen Selbstfindungsprozesses. Wolfgang Herrndorf hätte sich angesichts solcher Deutungsansätze vermutlich gekugelt vor Lachen. „Tschick“ ist ein moderner Abenteuerroman, der eine Reise beschreibt, die sich wohl alle 14-Jährigen wünschen. Vollkommene Freiheit, keine Regeln, keine Eltern – ich weiß, dass ich von dieser Aussicht hemmungslos begeistert gewesen wäre. Himmel, ich bin es noch und Wolfgang Herrndorf war es sicher ebenfalls. Dank „Arbeit und Struktur“ weiß ich, dass er kein unkomplizierter Mann war, doch er liebte das Leben. Das beweist „Tschick“ unwiderlegbar.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2019/08/13/wolfgang-herrndorf-tschick
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review 2013-08-07 08:49
Vergnügliches Kochbuch mit rustikalen Gerichten - Speziell für Eberhofer-Fans
Knödel-Blues: Das Provinz Kochbuch aus Bayern - Oma Eberhofers bayerische Rezepte rund um Knödel, Brotzeit & Co. - Rita Falk

Der Polizistenalltag ist hart, selbst im niedersten Niederbayern. Und wenn dem Franz das auf den Magen schlägt, dann geht er zur Oma. Denn da gibt s was Gscheits zum Essen: Schweinsbraten mit Knödel oder Kalbshaxn oder Krautwickerl oder Dampfnudeln, richtig urig bayrisch und omamäßig eben. Und jetzt hat sie sie endlich aufgeschrieben, ihre Rezepte. Und ist mit fast neunzig tatsächlich noch Kochbuchautorin geworden, die Oma.

 

 

 

Als großer Fan von Rita Falks Krimis um Kommissar Eberhfer war dieses Kochbuch für mich Pflicht. Die Oma zählt zu meinen Lieblingscharakteren und ihre Kochkünste sind in Niederkaltenkrichen legendär.

 

 

 

 

Das Kochbuch gliedert sich in die Rubriken

 

  • Mit Speck fängt man Mäuse – …bayerische Schmankerl
  • Alles aus dem Garten – …natürlich nicht dem Papa sein Tabak!
  • Was der Franz besonders mag – …nicht nur die Susi
  • Festtagsschlemmereien – …geht für Franz zur Not auch ohne Leopold
  • Aufgewärmt schmeckt’s noch viel besser! – …und Resteessen
  • Naschkatzenfutter – …und das Hammerfrühstück
  • Ein paar Grundrezepte – …so wie sie meine Oma schon gekocht hat

 

 

Ich habe inzwischen aus allen Rubriken mindestens ein Rezept ausprobiert und bin dabei kein einziges Mal enttäuscht worden. Die Gerichte schmeckten durchweg sehr gut und die Rezepte ließen sich leicht nachkochen, da alle Vorgänge einfach und klar beschrieben sind.
Bei jedem Rezept sind natürlich die Zutaten aufgelistet und schrittweise die Zubereitung erklärt. Mitunter mit typisch bayerischen Begriffen, die für alle nicht bayerischen Köche aber übersetzt werden. Das sorgt für uriges Flair beim Lesen und macht einfach auch Spass.

 

 

 

 

Eines muss man zu fast allen Rezepten aber ganz klar sagen: Oma Eberhofers Küche ist ausgesprochen deftig und gehaltvoll. Köche, die stets auf die schlanke Linie achten, werden oft die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Ich brate zB nie in Butter, in der bayerischen Provinz ist das aber scheinbar so. Das Wort “Olivenöl” fällt nicht ein einziges Mal ;)
Fans bayerischer Hausmannskost dagegen kommen mit den Niederkaltenkirchener Rezepten sicher voll auf ihre Kosten.

 

 

 

 

Obwohl es ein Kochbuch und kein Krimi ist, verbreitet es trotzdem den typischen Eberhofer-Niederkaltenkirchen-Charme, den die Fans der Krimireihe so sehr schätzen. Das liegt daran, dass man im Kochbuch nicht nur Fotos der Gerichte findet, sondern auch Aufnahmen “aus Niederkaltenkirchen”. Beispielsweise bekommt man einen Blick in die Metzgerei vom Simmerl gewährt, in Omas Garten, auf den uniformierten Franz (allerdings nur teilweise oder von hinten) oder auf verschiedene Requisiten aus der Gegend. Das ist wirklich gut gemacht, denn die Fotos zeigen zwar Elemente der Krimis, verraten aber nie zu viel und geben auch nie zu viel von den Charakteren preis. So kann man seine Vorstellung der Eberhofers behalten. Es wird einem keine Vorstellung aufgedrängt.
Die Gerichte selbst sind selbstverständlich auch nicht mit Silberbesteck und weißen Servietten in Szene gesetzt, sondern urig und folkloristisch mit beispielsweise  karierten Tischtüchern und auf Holztischen.

 

 

 

 

Ich habe das Kochbuch tatsächlich erst einmal wie ein ganz normales Buch durchgelesen und mir die schönen Bilder angeschaut, die mir das Eberhofer-Universum ein wenig anschaulicher gemacht haben. Erst danach ging es ans Rezeptestudieren. Das Kochbuch liest sich ebenso vergnüglich wie die Krimis. Das Vorwort hat natürlich die Oma übernommen und sie erklärt auch die Rezepte. Am Rand finden sich aber jedes Mal witzige Aussprüche der übrigen Familienmitglieder wie den Franz, den Leopold oder von Freunden wie dem Simmerl und der Susi. Der Spass kommt hier also ganz sicher nicht zu kurz.

 

 

 

 

Auch vom Cover her erinnert das Kochbuch sehr an die Krimis, speziell an Band 1 den “Winterkartoffelknödel”. Ich mag diesen Look, der so gut zu den Geschichten passt. Das Kochbuch hat einen Schutzumschlag, aber auch das Buch an sich ist mit dem gleichen Motiv bedruckt. Auch wenn der Umschlag vielleicht mal in der Küche sehr gelitten hat, hat man ohne ihn so trotzdem noch ein schönes Kochbuch im Regal. Eine gute Idee!

 

Fazit:   Ich habe noch kein solch vergnügliches Kochbuch gelesen. Den Fans vom Eberhofer empfehle ich es wärmstens! Aber auch (Freizeit)köchen, die gerne mal etwas Deftiges auf den Tisch bringen. Alle ausprobierten Rezepte waren leicht nachzukochen und die Gerichte schmeckten prima.

Source: leserattz.wordpress.com/2012/06/13/rezension-knodelblues-oma-eberhofers-bayerisches-provinzkochbuch-rita-falk
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