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review 2018-09-30 21:01
Wenn Langeweile zu Hass wird
Mit der Faust in die Welt schlagen: Roman - Lukas Rietzschel

Das Buch:

„Mit der Faust in die Welt schlagen“ ist ein Roman von Lukas Rietzschel, der als gebundenes Buch, E-Book und Hörbuch im September 2018 bei Ullstein erschienen ist.

 

Der Inhalt:

Die beiden Brüder Philipp und Tobias wachsen kurz nach der Wende in der Provinz Sachsens auf. Anfänglich scheint sich alles zum Guten zu wenden. Die Familie baut ein Haus und die Eltern haben gute Jobs. Doch die Nachwirkungen der DDR und das neuaufkeimende Europa sorgen für unsichere Zeiten und das lässt vor allem die Perspektivlosigkeit der Jugend immer weiter anwachsen. Während die Geschwister mitbekommen, was in der Welt alles schief geht, müssen sie auch hilflos mit ansehen, wie ihr nahes Umfeld langsam zerbricht. Die Brüder sind oft sich selbst überlassen und sowohl zuhause, als auch in der Schule, bekommen sie keine Antworten auf ihre Fragen. Die Langeweile tut ihr übriges und die beiden suchen sich ihre Bestätigung bei anderen Halbstarken und geraten dort in die falschen Kreise.

 

Meine Meinung:
Der Zeitraum der Geschichte zieht sich über 15 Jahre, wodurch man die Entwicklung der Brüder sehr gut mitverfolgen kann. Man lernt sie als Kind kennen und muss miterleben, wie ihr Leben Stück für Stück aus den Fugen gerät. Der Autor hat das meiner Meinung nach unglaublich gut eingefangen. Die unbeantworteten Fragen, die Langeweile, die Perspektivlosigkeit und der langsam voranschreitende Zerfall. Die Geschichte läuft nicht auf einen spannenden Höhepunkt hinaus, wir beobachten lediglich zwei Brüder auf ihrem Weg durchs Leben. Das Buch lebt von der Thematik, den Infos zwischen den Zeilen und dem Nachdenken, nach dem Lesen. Durch die Geschichte wird klar, dass man durch geeignete Aufklärung einiges zum Positiven verändern könnte und vor allem sieht man deutlich, wie viel Negatives ausgelöst werden kann durch Vernachlässigung. Aus Frustration werden dann Schuldige gesucht und aus Langeweile wird Hass.
Der Schreibstil hat für mich gut gepasst und die Handlung war durchgehend schlüssig. Obwohl keine extreme Spannung aufgebaut wurde, fand ich es durchgehend interessant. Einzig das Ende hat mich enttäuscht, daraus hätte man mehr machen können.

 

Fazit:

Alles in allem hat mir das Buch gut gefallen. Die Thematik wurde glaubwürdig und realitätsnah umgesetzt. Ich könnte es mir gut auch als Buch für den Schulunterricht vorstellen, gerade damit durch fehlende Aufklärung nicht das Gleiche passiert wie in der Geschichte von Philipp und Tobias. Das Thema ist so aktuell, dass es wichtig ist darauf aufmerksam zu machen, was mit dem Buch meiner Meinung nach gut gelungen ist.

 

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review 2018-09-29 02:31
Äußerst aktuell, aber etwas fehlt
Mit der Faust in die Welt schlagen: Roman - Lukas Rietzschel

Lukas Rietzschel hat seinen Debütroman in kurzen, knackigen Sätzen und einem nüchternen Stil geschrieben. Mit vielen Ellipsen. So vermittelt er bereits über die Sprache ein deutliches Gefühl von Trostlosigkeit. Dies setzt sich fort in der Beschreibung der Nachwendezeit in einer ländlichen Region in Sachsen: Unternehmen gehen pleite, Läden und Schulen werden geschlossen, viele Menschen ziehen in die Städte, ein Stasiverdacht wird verstohlen ausgesprochen, Freizeitangebote fehlen. Dazu kommen gescheiterte Ehen und andere ganz alltägliche Dramen, die so überall passieren. Die beiden Brüder Tobias und Philipp werden erst kurz nach der Wende geboren, erleben die Auswirkungen der Wiedervereinigung aber selbst. Auch die Opfer-Mentalität der älteren Generation („Es war nicht deine Schuld.“) übernehmen sie gleich mit.

 

In diesem tristen Umfeld wachsen die beiden Protagonisten nun auf. Sie erleben trotz der Umbrüche eigentlich eine ziemlich durchschnittliche Kindheit und Jugend. Beide Eltern haben einen Job und bauen ein Haus. Die Jungs gehen zur Realschule und fangen anschließend eine Ausbildung an. Trotzdem werden beide Teil der Neonazi-Szene. Sie rutschen ab in dieses Milieu, wie man so sagt. Genau so fühlt es sich in dem Roman an: Tobi und Philipp werden nach und nach zu Nazis, als wenn das unter diesen Umständen halt normal wäre. Anfangs verstehen die Jungs Symbole und Gesten gar nicht, sondern ahmen sie nur nach, weil es die vermeintlich coolen älteren Jugendlichen tun und weil es die Erwachsenen ärgert. Mögliche Gründe für die Radikalisierung werden wie nebenbei erwähnt. Sie liegen irgendwo zwischen Langeweile, dem Wunsch nach Zugehörigkeit, dem Bedürfnis Grenzen zu testen und einer diffusen, unbegründeten Wut, die sich mal gegen Sorben und mal gegen Ausländer richtet.

 

Dem Autor gelingt ein sensibles Portrait der leisen Töne, allerdings ist die Geschichte mehr Beschreibung als tiefgehende Analyse. Einige der Beschreibungen fallen zudem etwas langatmig aus. Genau hier liegt auch mein Problem. Am Ende plappert der eine Bruder die typisch rechten Plattitüden fanatisch nach, während sich der andere apathisch von der Szene zu distanzieren versucht, dabei aber nervig passiv bleibt. Es gibt keinen Widerspruch, die hasserfüllten Aussagen bleiben einfach so stehen und führen zu sinnloser Gewalt. Die Entwicklung der beiden Brüder wirkt einfach banal. Vielleicht ist genau das die Aussage des Romans, dass es für diese Radikalisierung eigentlich keinen triftigen Grund gibt. Nein, ich habe nicht erwartet, dass die Brüder am Ende bekehrt werden und mit ihren neuen Nachbarn aus Syrien Ringelpiez mit Anfassen tanzen. Das offene Ende hat mich allerdings ziemlich frustriert zurückgelassen. Zum Nachdenken regt der Roman aber allemal an.

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text 2018-09-16 15:16
schwierige Lebensphasen... Erwachsen werden
Mit der Faust in die Welt schlagen: Roman - Lukas Rietzschel

Das Buch behandelt ein immer wieder brisantes Thema - daher geht es auch immer wieder unter die Haut. Es handelt sich dabei eben nicht um ein Buch für Zwischendurch - sondern das Buch beansprucht den Leser so richtig voll umfänglich. 
Schreibstil ist äußerst gewandt und passend zu dem Buch - er lies sich schön lesen. 
Inhaltlich und auch vom Schreibstil her hat mir das Buch gefallen. Der Interessensbogen wurde auch das ganze Buch hindurch recht hoch gehalten. 
Womit ich mir schwer getan hatte war, dass ich mich nicht so ganz in die Brüder hineinversetzen konnte - da sprang der Funke einfach nicht so ganz über.

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review 2018-09-07 10:49
Einblicke in die sächsische Provinz
Mit der Faust in die Welt schlagen: Roman - Lukas Rietzschel

Der Ort Neschwitz in Ostsachsen mehrere Jahre nach dem Mauerfall: Philipp und Tobias Zschornack wachsen als Söhne eines Elektrikers und einer Krankenschwester auf. Der Hausbau der Eltern soll der Aufbruch in ein neues Leben sein. Doch dort gibt es auch die Verlierer der Wende. Man fühlt sich vergessen, der Alltag ist geprägt von Gleichförmigkeit und der Angst vor dem Verlust der Heimat. Diese Perspektivlosigkeit wird für Philipp und Tobias immer bedrohlicher. Als der Heimatort Flüchtlinge aufnehmen soll, eskaliert die Situation...

„Mit der Faust in die Welt schlagen" ist der Debütroman von Lukas Rietzschel.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen, die wiederum in mehrere kurze Kapitel untergliedert sind. Die Geschichte spielt zwischen 2000 und 2004, 2004 und 2006 sowie 2013 bis 2015. Erzählt wird vorwiegend, aber nicht nur aus der Sicht von Philipp und Tobias. Dieser Aufbau funktioniert recht gut.

Der Schreibstil ist ziemlich kühl und nüchtern. Die Sätze sind meist knapp und schnörkellos. Auch wird auf viele Details verzichtet, was wohl daran liegt, dass der Autor vermutlich eine möglichst allgemeingültige Situation beschreiben wollte. Beim Lesen wird einiges an Aufmerksamkeit gefordert.

Im Mittelpunkt der Geschichte stehen die Hauptprotagonisten Tobias und Philipp, die ich als realitätsnah empfunden habe. Blass sind die Nebenfiguren wie beispielsweise die namenlosen Charaktere von Vater und Mutter.

Ein großer Pluspunkt des Romans ist seine Aktualität angesichts des Erstarkens des Rechtsextremismus. Die politische Problematik und die Chronik der gesellschaftlichen Entwicklungen machen für mich den Reiz der Geschichte aus. In dieser Hinsicht regt das Buch zum Nachdenken an. Allerdings bleibt der Roman für meinen Geschmack noch etwas zu sehr an der Oberfläche.

Das Cover erweckt Aufmerksamkeit und passt inhaltlich gut. Auch der Titel ist treffend gewählt.

Mein Fazit:
„Mit der Faust in die Welt schlagen" von Lukas Rietzschel ist keine gefällige, sondern eine unbequeme Lektüre über ein wichtiges und brandaktuelles Thema. Ein Roman, der erklärt, aufrüttelt und betroffen macht.

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review 2017-06-15 10:18
Aus dem Leben eines modernen Kriegers
No llores, mi querida - Weine nicht, mein Schatz - André Pilz

Bevor ich mit der Rezension zu „No llores, mi querida – Weine nicht, mein Schatz“ beginne, sollte ich euch erklären, wieso ich diesen Skinhead-Roman besitze. Ich habe eine tiefe persönliche Bindung zum Thema des Buches, zu der Szene, in der und für die der Autor André Pilz es geschrieben hat. Ich war selbst jahrelang in der linken bzw. unpolitischen Skinhead-Szene aktiv. Ich war ein Renee, ein Skingirl, mit allem, was dazu gehört: Musik, Kleidung, Lebensstil. Mittlerweile habe ich die Szene verlassen, weil ich mit der Stagnation selbiger nicht zurechtkam. „No llores, mi querida“ war das letzte ungelesene literarische Überbleibsel dieser Zeit. Als ich es von meinem SuB befreite, war ich extrem gespannt, wie es auf mich wirken würde. Eine Reise in meine Vergangenheit stand bevor.

 

Skinhead, Skinhead, Oi Oi Oi! Diese Worte sind Ricos Schlachtruf. Jahrelang war Rico schwach, wurde geschubst und getreten, als er am Boden lag. Er schwor sich, niemals wieder so verletzlich zu sein. Er ist ein Skin, ein Krieger im täglichen Kampf gegen die brutalen Anforderungen einer Gesellschaft, in die er nicht passt. Gewalt und Exzess bestimmen seine Existenz. Seine Freunde sind ebenso Ausgestoßene wie er. Doch tief in seinem Herzen verzehrt sich Rico nach Hoffnung. Als er die Mexikanerin Maga kennenlernt und sich rettungslos in sie verliebt, stellt er sich zum ersten Mal die Frage, ob es nicht auch anders geht. Muss er die lähmende Verzweiflung, den Zorn, die giftige Bitterkeit ertragen? Gibt es keinen Ausweg aus der Abwärtsspirale seines Lebens? Entgegen aller Widerstände wird Maga zu Ricos Licht in der Dunkelheit und lehrt ihn, dass jeder Mensch eine Chance auf Glück verdient, sogar ein Skinhead.

 

Meine Rückkehr in den Kosmos der Skinheads war seltsam. Es war merkwürdig, mit Gedanken konfrontiert zu werden, aus denen ich lange herausgewachsen bin. Ich musste mich erst wieder an den derben Tenor der Szene und den daraus resultierenden ordinären Schreibstil in „No llores, mi querida“ gewöhnen. André Pilz schont sein Publikum nicht und ich glaube, für Leser_innen, die noch nie mit der Szene in Kontakt gekommen sind, ist das Buch vermutlich zu krass, mit all der Gewalt, literweise Alkohol und einem Leben am äußersten Rand der Gesellschaft. Ich brauchte ein wenig, um mich auf Pilz‘ Schilderungen einzulassen, kam dann aber schnell rein und konnte mich mit der extremen Härte des Romans arrangieren, obwohl ich nicht behaupten kann, dass ich mich wohlfühlte. Das ist wahrscheinlich gar nicht möglich. Ricos Auffassung seiner Identität als Skinhead unterscheidet sich radikal von dem, was ich damals empfand. Ich hätte nichts mit ihm und seinen „Freunden“ zu tun haben wollen, weil ich sie als asoziale Prolls eingeschätzt hätte. Ich habe Skingirl zu sein niemals damit assoziiert, eine Kriegerin zu sein. Für mich ging es um bodenständige Werte; darum, sich innerhalb der Gesellschaft eigene Regeln und Grenzen zu schaffen. Für Rico hingegen sind die Glatze, die schweren Stiefel und sein provokatives Verhalten Ausdruck seines persönlichen Krieges gegen die Gesellschaft. Er ist ein Anarchist, benimmt sich wie ein in die Enge getriebenes Tier. Er empfindet Hilflosigkeit, Ohnmacht und Weltschmerz und da er nicht weiß, wie er mit seinen Gefühlen umgehen soll, schlägt er nach außen. Das stimmt mich unheimlich traurig, denn in seinem Kern ist Rico hypersensibel, eine maßlos empfindsame Seele und eigentlich viel zu zart für unsere grausame Welt. Die schützende emotionale Mauer, die Menschen normalerweise davor bewahrt, angesichts all des Leids und des Elends in der Welt verrückt zu werden, hat Rico nicht. Er tut, als würde ihn das alles überhaupt nichts angehen, dabei zerbricht er sich täglich den Kopf darüber. Ich kann nachvollziehen, dass er glaubt, ein Krieger sein zu müssen, um zu überleben. Er kennt nur Extreme, trotz seiner erstaunlich weit entwickelten Intelligenz. Man traut es Rico nicht zu, aber er ist tatsächlich ziemlich klug und ich gehe mit den meisten seiner philosophischen, gesellschaftskritischen Überlegungen konform. Lediglich die Konsequenzen schätze ich anders ein. Man kann das System nicht von außen zerstören, man kann es nur von innen heraus verändern. In diesem Punkt bin ich einer Meinung mit Maga, die für Rico einfach alles ist. Sie ist Auslöser, Motivation und Perspektive seiner Veränderung. Er wäre vermutlich auch ohne sie eines Tages darauf gekommen, dass sein Dasein deprimierend und leer ist, dass seine „Freunde“ asoziale Schläger sind, denen nichts irgendetwas bedeutet, aber dank Maga sieht er eine Alternative. Ihretwegen erkennt er, dass er die Wahl hat, ein anderes Leben zu führen.

 

Ich kann euch „No llores, mit querida – Weine nicht, mein Schatz“ ausschließlich unter ganz bestimmten Umständen empfehlen. Ich fand es zwar großartig, überraschend tiefsinnig und verblüffend berührend, aber es ist auch äußerst speziell, außergewöhnlich hart und ab und zu regelrecht abstoßend. Meiner Ansicht nach solltet ihr diesen Skinhead-Roman nur dann lesen, wenn ihr wahrhaft bereit für eine extreme, grenzwertige Variante des Konflikts zwischen Gesellschaft und Individuum seid. André Pilz treibt es auf die Spitze. Er kennt keine Tabus. Falls ihr meint, damit umgehen zu können, versucht es. Ich habe lediglich eine Bitte an euch. „No llores, mit querida“ mag autobiografische Elemente enthalten, doch bitte glaubt nicht, der Protagonist Rico und seine Truppe stünden stellvertretend für die gesamte Skinhead-Szene. Das ist nicht wahr. Ich habe in meiner Zeit in der Szene glücklicherweise nur wenige Gestalten kennengelernt, die ähnlich asozial und kaputt waren wie Rico. Die meisten Skins sind in einem gesunden Maß angepasst, wenn auch oft laut, wild und reichlich verrückt. Dieses Buch vermittelt nur einen winzigen Bruchteil der Realität. Skinhead zu sein kann vieles bedeuten. „Krieger“ ist nur eine Auslegung.

 

P.S.: Für all diejenigen unter euch, die Schwierigkeiten mit der Unterscheidung von Skinheads und Nazis haben und nach dieser Rezension ein bisschen verwirrt sind, finden auf der folgenden Website eine Erklärung der Szene: Du sollst Skinheads nicht mit Nazis verwechseln

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/06/15/andre-pilz-no-llores-mi-querida-weine-nicht-mein-schatz
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