logo
Wrong email address or username
Wrong email address or username
Incorrect verification code
back to top
Search tags: schauerroman
Load new posts () and activity
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2020-01-29 10:47
Strafe muss sein
The Accursed - Joyce Carol Oates

Von 1978 bis 2014 unterrichtete Joyce Carol Oates Kreatives Schreiben an der Eliteuniversität Princeton in New Jersey. Princeton wurde 1746 gegründet und ist die viertälteste Universität der USA. Die reiche Geschichte der privaten Hochschule inspirierte Oates. Besonders faszinierte sie das Rektorat von Woodrow Wilson, der dieses Amt von 1902 bis 1910 ausübte. Der 28. US-Präsident wird im kollektiven US-amerikanischen Gedächtnis als progressiver, reformerischer Held verehrt, der die USA bis 1917 aus dem Ersten Weltkrieg heraushielt. Es wird hingegen gern verschwiegen, dass er ein Rassist war, der die Rassentrennung unterstützte und das Frauenwahlrecht ablehnte. 1984 hatte Oates genügend Material über Princeton während Wilsons Rektorat gesammelt, um einen Roman zu beginnen, der die vernachlässigte moralische Verpflichtung der weißen Elite der afroamerikanischen Bevölkerung gegenüber thematisiert, doch sie fand nicht die richtige Erzählstimme, den richtigen Ansatz für ihre Geschichte. Knapp 30 Jahre ruhte das Manuskript. 2011 hatte sie eine Eingebung und holte es wieder hervor. Es entstand der Schauerroman „The Accursed“, in dem Oates die Gleichgültigkeit der weißen Oberschicht mit einem Fluch bestraft.

 

1905 ist das ruhige Universitätsstädtchen Princeton ein Hort des Wissens und des Wohlstands. Seine Einwohner_innen sind ausnahmslos hochangesehene Mitglieder der Gesellschaft. Sie stammen aus ehrwürdigen Familien, qualifizieren sich als bescheidene Berühmtheiten und bilden eine akademische Elite, die argwöhnisch über die ihren wacht. Vereinnahmt von den kleinlichen Sorgen und Streitigkeiten ihrer Gemeinschaft ignorieren sie das Unrecht der Welt. Sie erkennen nicht, dass ihre Gleichgültigkeit Konsequenzen hat. Ein Fluch sucht Princeton heim. Das Böse wandelt mitten unter ihnen und wird nicht eher ruhen, bis sie alle bestraft wurden. Sie wähnten sich sicher hinter den erhabenen Mauern vornehmer Anwesen und efeuberankter Universitätsgebäude. Doch keine Seele bleibt unberührt.

 

„The Accursed“ ist eine Inszenierung. Von der ersten bis zur letzten Seite ist dieser Schauerroman ein wohldurchdachtes Konstrukt, in dem jedes Detail dazu beiträgt, die rassistische Ignoranz der weißen akademischen Elite um die Jahrhundertwende herum zu verurteilen. Joyce Carol Oates akzeptiert keine Ausreden, keine Ausflüchte und keine Relativierungen. Sie straft. Und sie straft hart. Deshalb ist dieses Buch verblüffend grimmig und anders als jeder Roman, den ich bisher aus ihrer Feder gelesen habe. Ich liebe die Vielfältigkeit der preisgekrönten Schriftstellerin. Ich weiß nie, was mich erwartet, wenn ich eines ihrer Bücher aufschlage. „The Accursed“ überraschte mich, weil Oates ihre finstere Geschichte trotz ihrer eigenen Verbindung zu Princeton nicht selbst erzählt. Sie leiht ihre Stimme dem (wahrscheinlich) fiktiven Hobby-Chronisten M.W. van Dyck II, geboren 1906 und ein Nachfahre einer der ältesten Familien in Princeton. Die Perspektive eines indirekt Betroffenen, der sich um Objektivität bemüht, sie jedoch niemals vollständig gewährleisten kann, erlaubt es ihr, eine persönliche Nuance des sogenannten „Crosswick-Fluchs“ herzustellen, ohne die subjektive Verklärung eines Opfers zu riskieren. Gleichzeitig befreit van Dyck sie durch sein Geständnis, kein ausgebildeter Historiker zu sein, von der Notwendigkeit, rationale Interpretationen der Ereignisse anbieten zu müssen, was ihr unheimliches Potential erhöht. Die Spielarten des Fluches sind mannigfaltig und perfide, sodass dessen Muster ausschließlich rückblickend erkennbar ist und sich eine schauerliche, giftige Atmosphäre einschleicht, die einen altmodischen Geschmack auf der Zunge hinterlässt. Gestohlene Bräute, düstere Träume, Geisterheimsuchungen – jede Familie erfährt eine individuelle Form der grotesken Vergeltung, zu der sie selbst beitragen, weil die gesellschaftlichen Konventionen der Epoche und ihres Standes es ihnen verbieten, über Sorgen und Ängste offen zu sprechen. Ihr sozialer Status, der ein Grund für ihre rassistisch gefärbte Gleichgültigkeit ist, wird ihnen zum Verhängnis, was mir äußerst intelligent und angemessen erschien, denn Oates lässt sie unbemerkt selbst zu Vollstrecker_innen werden. Zusätzlich interessant wurde diese Strategie durch die Involvierung echter Figuren der Geschichte, neben Woodrow Wilson zum Beispiel Grover Cleveland, Upton Sinclair, Jack London und Mark Twain. Die Mischung erdichteter und historischer Persönlichkeiten in einem reellen Setting erzeugt in „The Accursed“ eine nervenaufreibende Spannung zwischen Fakten und Fiktion. Immer wieder fragte ich mich, welche Porträts und Beschreibungen authentisch sind und welche lediglich Oates‘ Fantasie entsprangen. Dabei ging sie so subtil vor, dass die Details kaum zu überprüfen sind. Glaubt mir, ich habe es versucht.

 

„The Accursed“ ist ein gewohnt überzeugender Roman von der Begründerin des Psychologischen Realismus. Trotz paranormaler Elemente beweist Joyce Carol Oates auch in dieser Geschichte ihr unnachahmliches Talent für einfühlsame, wirklichkeitsnahe Charakterisierungen, die die Grenzen zwischen Realität und Fiktion mühelos aushebeln. Die Lektüre war etwas schwerer verdaulich, weil der geschichtliche bzw. pseudo-geschichtliche Input immens ist und vermutlich oft mehr Informationen bietet als unbedingt nötig, aber meiner Meinung nach gehört dieser Detailreichtum zur Inszenierung und trägt zur Etablierung des Erzählers bei, den Oates unmissverständlich als Mann vorstellt, der mit Leidenschaft über sein Lieblingsthema referiert. Der vielleicht größte Unterschied zwischen „The Accursed“ und ihren übrigen Werken ist das geringe Mitgefühl, das sie ihren Figuren gegenüber zeigt. Das ist ungewöhnlich, jedoch keineswegs unmotiviert. Rassismus verdient kein Mitleid. Nicht einmal, wenn er sich durch Untätigkeit äußert.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2020/01/29/joyce-carol-oates-the-accursed
Like Reblog Comment
show activity (+)
review 2019-07-09 16:17
Rezension | Spuk in Hill House von Shirley Jackson
Spuk in Hill House - Shirley Jackson
Beschreibung
 
Dr. Montague möchte den mysteriösen Geschichten um die alte Villa Hill House näher untersuchen und die übersinnliche Energie, die dem Haus nachgesagt wird durch eine wissenschaftliche Erkundung belegen. Zu diesem Zweck mietet er Hill House für einige Zeit und lädt ein paar Personen ein, die ihn in seinem Vorhaben unterstützen sollen. Nachdem die beiden Frauen Eleanore Vance, Theodora sowie der spätere Erbe der Villa Hill House, Luke Sanderson, eingetroffen sind, beginnen sich die Eigentümlichkeiten des alten Gebäudes zu offenbaren…
 
Meine Meinung
 
Die Erstveröffentlichung 1959 von Shirley Jacksons Roman »Spuk in Hill« House liegt nun bereits einige Jahrzehnte zurück. Anlässlich der gleichnamigen und erfolgreichen Netflix-Serie, die auf den Grundlagen des Schauerromans basiert, wurde das Buch nun vom Festa Verlag in einer Neuausgabe herausgebracht.
 
Zu Beginn möchte ich allerdings gleich anmerken, dass die Netflix-Serie zwar auf diesem klassischen Schauerroman beruht, aber außer dem Namen des Hauses und ein paar kleinen Gegebenheiten nicht viel mit der Geschichte zwischen den Buchdeckeln gemein hat. Obwohl die Serie mit deutlich schockierenderen Momenten aufwarten kann, steht Shirley Jacksons Romanvorlage dem Grusel, der einem direkt unter die Haut kriecht in nichts nach.
 
Natürlich merkt man es der Geschichte an, dass es sich hier um einen waschechten Klassiker handelt und genau dieses nostalgische Gefühl, dass sich bei mir beim Lesen solcher Bücher einstellt, liebe ich über alles. Die Worte wirken präzise ausgewählt und erzeugen bereits nach wenigen Sätzen eine unglaublich dichte, umgarnende und furchteinflößende Atmosphäre. Shirley Jackson versteht es, den Leser genau dahin zu bringen, wo sie ihn haben will – in diesem Fall in Hill House und der labilen Psyche von Eleanor.
 
Einmal mit dem Buch begonnen, konnte ich mich genauso wenig wie Eleanor dem Organismus des Spuk-Hauses entziehen. Dazu sei gesagt, dass Eleanor eine junge, leicht naive Frau mit leicht überschäumender Fantasie ist, die ihr ganzes Leben mit der Pflege ihrer Mutter zubrachte und nun nach deren Tod auf der Suche nach einem erfüllten Leben ganz ohne ihre Schwester ist. Um endlich auf ein selbständiges Leben zu führen, nimmt sie die Chance die ihr Dr. Montague bietet wahr, setzt sich den Wagen ihrer Schwester und stürzt sich in das Abenteuer Hill House.
 
Wie bereits Theodora zu Eleanor sagte, »Wir können nie wissen, wo wir den Mut hernehmen.« (Seite 68), sinngemäß hält es die vier Wagemutigen auch nach immer mysteriösen Vorfällen in dem eigentümlichen Haus, dass schon alleine durch seine Architektur für einen kalten Schauer sorgt und die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. 
 
Ich habe jede Seite dieser fein erzählten Geschichte und vor allen Dingen den subtilen Horror, der sich aus der Dynamik zwischen der erzählenden Eleanor, deren psychische Verfassung durch Hill House immer schlechter wird, und der verschwommenen Wahrnehmung des Lesers ergibt, sehr genossen. Die Grenze zwischen den wahren Vorkommnissen und was sich nur Eleanors Fantasie abspielt, verschwimmt zu einem Kaleidoskop der Eindrücke.
 
»Spuk in Hill House« ist ein absolutes Lesehighlight das man sich nicht entgehen lassen sollte. Aufgrund der präzisen Komposition von Shirley Jackson eignet sich das Buch auch gut zum mehrmaligen Lesen – ich bin mir sicher, dass man bei erneuter Lektüre des Buches noch einige neue Seiten an der Geschichte entdecken kann. 
 
Fazit
 
Ein Meisterwerk des subtilen Grusel-Horrors!
Source: www.bellaswonderworld.de/rezensionen/krimis-thriller-horror-rezensionen/spuk-in-hill-house-von-shirley-jackson
Like Reblog Comment
review 2017-03-05 10:24
Thriller? Jein.
Gespenstisches Island: Zwei Island-Thril... Gespenstisches Island: Zwei Island-Thriller in einem E-Book (nur als E-Book erhältlich) - Yrsa Sigurdardóttir

Auf dem Cover werden die Bücher als 'Island-Thriller' angekündigt, ich persönlich würde sie aber nicht diesem Genre zuordnen. Von einem Thriller (ohne Zusätze wie 'Mysterythriller') erwarte ich mir eine Geschichte, die nicht nur nervenzerfetzende Hochspannung erzeugt, sondern auch in unserer realen Welt so oder so ähnlich geschehen könnte, und das ist hier zumindest nicht vollständig gegeben.

Womit ich keineswegs sagen möchte, dass die Bücher schlecht sind - nur, dass beim Leser falsche Erwartungen geweckt werden könnten, denn hier handelt es sich in meinen Augen vielmehr um einen atmosphärischen Schauerroman mit subtilem Horror ("Geisterfjord") und ein beklemmendes Drama ("Seelen im Eis"), jeweils mit nur wenigen typischen Thriller-Elementen.

'Geisterfjord':

Die Spannung ist eher eine unterschwellige, sie nährt sich aus Paranoia, Verzweiflung, Depression. Die Emotionen der Charaktere, die ihrer eigenen Wahrnehmung immer weniger vertrauen, werden immer düsterer, und ihre zunehmende Angst kann sehr ansteckend sein - wenn der Leser sich darauf einlässt, sie auf diesem Weg zu begleiten. Irgendwann hatte ich ständig das Gefühl, einen Blick über die Schulter werfen zu müssen, um sicher zu gehen, dass nichts Bedrohliches hinter mir steht...

Das ist für mich klassischer Horror, der nichts damit zu tun hat, wie viele Liter Blut man aus einer Geschichte quetschen oder in wie viele Teile man eine Leiche zerstückeln kann! Und ja, manches war vielleicht ein wenig zu sehr aus dem Standard-Fundus des Horror-Genres entnommen, wie die eiskalten bleichen Finger, die sich um den Hals einer Protagonistin legen, das schaurige Heulen des Windes oder die ständig knarzenden Bodenbretter... Aber mir gefiel die Geschichte auch gerade deshalb, weil sie eigentlich an ein Lagerfeuer gehört, wo man sich wohlig gruseln kann!

Das Ganze steht und fällt in meinen Augen damit, ob man für ein paar Stunden seine Skepsis an den Nagel hängen und nicht zu sehr auf Logik oder Schlüssigkeit beharren kann.

Die Geschichte wird auf zwei Erzählebenen und Handlungsorte aufgeteilt, und man fragt sich als Leser die ganze Zeit, ob und wie das Ganze am Schluss zusammenlaufen wird. Natürlich werde ich das hier noch nicht verraten, aber komplett glücklich war ich mit der Auflösung nicht... Denn auch eine Geschichte mit paranormalen Elementen muss für mich in sich schlüssig und logisch aufgeklärt werden!

Die Charaktere fand ich durchaus interessant und gut geschrieben, auch wenn der ein oder andere etwas unterkühlt daherkommt und sich dem Leser sozusagen emotional nicht öffnet.

"Seelen im Eis":

Die Geschichte ist unglaublich clever aufgebaut, so dass man als Leser erst im Rückblick vollends begreift, wie sich die ganzen Puzzleteilchen zu einem schlüssigen Bild zusammensetzen - und zumindest mir ging es so, dass ich mit der Auflösung überhaupt nicht gerechnet hätte, sie aber großartig fand.

Die Spannung baut sich langsam auf und ist eher ein stetes Schwelen als ein flammendes Inferno. Ich wollte wissen, wie alles zusammenhängt: was damals in diesem Erziehungsheim, in dem zwei Jungen starben, passiert ist, ob Óðinns Ex-Frau ermordet wurde oder gesprungen ist... Aber vor allem fieberte ich mit den persönlichen Dramen der Protagonisten mit, und das hatte wenig mit Thrill zu tun, dafür aber viel mit Atmosphäre und stimmigen Charakteren.

Zu Óðinn und Aldís baute ich schnell eine wesentlich engere Bindung auf als zu den Charakteren in "Geisterfjord".

Beide Bücher:

Obwohl mir der Schreibstil an sich sehr gut gefiel, hatte ich den Eindruck, dass die Übersetzung etwas holprig ist, wodurch Sätze gelegentlich sogar leicht merkwürdig klingen - da wird der Desktop eines Computer zum Beispiel mit "Schreibtisch" übersetzt. Aber die Autorin baut eine wunderbar dichte, oft gruselige Atmosphäre auf, die meines Erachtens auch in der Übersetzung immer noch wirken kann.

Fazit:
"Island-Thriller" steht drauf, aber was man bekommt, sind ein stimmungsvoller Schauerroman und ein packendes Drama. Die im Sammelband enthaltenen Romane "Geisterfjord" und "Seelen im Eis" sind sehr unterschiedlich, eins haben sie jedoch gemeinsam: Atmosphäre wird ganz groß geschrieben, die typischen Thriller-Elemente sucht man hingegen vergebens.

Nachdem ich mich erstmal von sämtlichen Erwartungen verabschiedet hatte, gefielen mir die Bücher dennoch sehr gut, wobei ich "Seelen im Eis" logischer und in sich schlüssiger fand als "Geisterfjord".

Source: mikkaliest.blogspot.de/2017/03/rezension-gespenstisches-island-von.html
More posts
Your Dashboard view:
Need help?