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review 2016-11-23 10:45
Wurzeln und Flügel
The Serpent King - Jeff Zentner

Jeff Zentners Weg zur Literatur war – zumindest meiner Meinung nach – etwas unkonventionell. Als er zu schreiben begann, hatte er sich seinen Berufswunsch nämlich bereits erfüllt: er ist Musiker. Als Gitarrist veröffentlichte er fünf Alben und arbeitete unter anderem mit Iggy Pop. Darüber hinaus ist er als Songwriter aktiv. Ich habe in seine Musik reingehört. Ein bisschen zu melancholisch für meinen Geschmack, aber der Einfluss der Südstaaten klingt deutlich heraus. Fakt ist, Jeff Zentner ist gut genug, um von seiner Musik leben zu können. Den Entschluss, ein Buch für Jugendliche zu schreiben, fasste er durch seine Arbeit im Tennessee Teen Rock Camp und im Southern Girls Rock Camp. Ihn fasziniert dieser Lebensabschnitt und ihn fasziniert die Art und Weise, wie Jugendliche Kunst erleben, wie sie an den Kunstwerken festhalten, die sie lieben. Er wollte ein Ziel für diese Hingabe erschaffen. Heraus kam „The Serpent King“.

 

Dill leidet seit Jahren unter seinem vollen Namen: Dillard Wayne Early Jr. Es ist der Name seines Vaters. Er ist der Sohn des Schlangenpriesters, über den sich ganz Forrestville, Tennessee, das Maul zerreißt. Seit sein Vater im Gefängnis sitzt, begleiten Dill die Tuscheleien auf Schritt und Tritt, mehr als je zuvor. Ohne seine Freunde Lydia und Travis wäre sein Leben unerträglich. Doch da nun ihr letztes gemeinsames Schuljahr anbricht und Lydia danach in New York aufs College gehen möchte, muss sich er damit auseinandersetzen, dass ihre kleine verschworene Gemeinschaft ein Ablaufdatum hat. Während Lydia plant, die Welt zu erobern und ihre Zukunft herbeisehnt, weiß er nicht einmal, ob er eine Zukunft hat. Zerrissen zwischen den Verpflichtungen gegenüber seiner Familie und seinen eigenen Wünschen ist er wie paralysiert von der Aussicht auf Veränderung. Dill muss sich entscheiden: wird er dem Druck seiner Wurzeln nachgeben, oder sich Flügel wachsen lassen?

 

„The Serpent King“ ist definitiv ein Buch, das Hingabe auslöst. Ich fand es phänomenal. Es landet unter Garantie auf der Liste meiner Jahreshighlights. Es ist unheimlich gefühlvoll und feinsinnig, ohne kitschig zu wirken; fasst mit einer ruhigen, besonnenen Stimme die schlimmsten und besten Momente der drei Protagonist_innen respektvoll in Worte. Kaum zu glauben, dass Jeff Zentner nie zuvor ein Buch geschrieben hat. Er ist ein Naturtalent, voller Gespür für die Wirkung von Details und für die tiefe Ausschattierung seiner Figuren. Ich bin wirklich beeindruckt. Es gab einige Szenen, während derer ich die Tränen nur mühsam zurückhalten konnte. Ich habe das Gefühl, zutiefst dankbar sein zu müssen, dass Zentner mich Zeuge der vermutlich wichtigsten Phase im Leben seiner Charaktere sein ließ. Natürlich sind Dill, Travis und Lydia fiktiv, aber es fühlt sich eben nicht so an. Es fühlt sich an, als seien sie real und tatsächlich diese kostbaren Rohdiamanten, als die Zentner sie darstellt. All das Potential, all die Möglichkeiten, die jungen Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden eigen sind, umgeben die drei wie eine permanente Aura. Als könnten sie die Welt aus den Angeln heben und jeden ihrer Träume wahr werden lassen, wenn sie sich denn nur trauen, anzufangen. Ihre Bereitschaft, die Zukunft mit offenen Armen zu empfangen, ist zwischen den dreien der bedeutendste Unterschied. Zentner nutzt abwechselnd geschickt ihre jeweilige Perspektive, um zu verdeutlichen, wie verschieden ihre Einstellung diesbezüglich ist und welche Rolle ihre Wurzeln dabei spielen. Da ist Travis, einer der liebenswertesten Charaktere, die mir je begegnet sind und der nie mehr vom Leben wollte, als die Realität zwischen den Seiten von Fantasy-Romanen hinter sich zu lassen. Lydia, deren Eltern stets liebend und unterstützend hinter ihr standen und die fest daran glaubt, eines Tages die Welt zu verändern. Und Dill, der Künstler, dessen Fähigkeit zu träumen unter dem Gewicht seiner Familie und seines Namens fast erdrückt wird. „The Serpent King“ beschreibt, warum sie einander gerade in dieser Zeit des Wandels brauchen. Ihr Glaube an einander bestärkt sie darin, über sich hinaus zu wachsen. Ihre reine, echte Freundschaft erinnert Lydia daran, was wirklich wichtig ist; sie zeigt Travis, dass er die Macht besitzt, sein Leben in ein Abenteuer zu verwandeln, das seinen geliebten Büchern in nichts nachsteht; sie lehrt Dill, dass er selbst entscheiden kann, wer er sein möchte und nicht von seiner Herkunft bestimmt wird. Es hat mich zutiefst berührt, ihre Beziehung zu einander erleben zu dürfen, ihre Ängste, Wünsche und Hoffnungen kennenzulernen, Schmerz und Glück mit ihnen zu teilen. Die Lektüre war extrem intensiv. „The Serpent King“ ging mir unter die Haut.

 

Jeff Zentner verdiente sich meinen Respekt und meine Anerkennung. „The Serpent King“ ist ein wundervolles Buch, das nicht erkennen lässt, dass es sich um einen Debütroman handelt. Es ist emotional überzeugend und so realistisch, dass ich mich immer wieder daran erinnern musste, dass die Geschichte fiktiv ist. Ich bin hingerissen von Zentners schriftstellerischem Talent und seiner Fähigkeit, sich sensibel in die Erlebenswelt Jugendlicher hineinzuversetzen. Er schreibt hingebungsvoll und zärtlich, nutzt Umgebungsbeschreibungen, um wichtige Momente zu unterstreichen und lässt seine Figuren sich selbst entdecken, ohne irgendetwas zu erzwingen. Er verzichtet auf einen Höhepunkt, weil seine Geschichte keinen braucht. Er ist ein brillanter Autor und „The Serpent King“ das Zeugnis seiner Brillanz. Meiner Meinung nach ist es ein gleichermaßen bescheidenes wie ambitioniertes Buch, weil es das Leben schildert: es handelt von Familie, von Freundschaft, von Liebe, von Schmerz, von Hoffnung, von Glück. Es handelt von Wurzeln und Flügeln.

 

Vielen Dank an den Verlag Andersen Digital für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars via Netgalley im Austausch für eine ehrliche Rezension!

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