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review 2017-06-09 10:05
Eine Hommage an alles Zauberhafte, Unerklärliche und Wundersame
Der Nachtzirkus - Erin Morgenstern

Erin Morgenstern, die Autorin des Erfolgsromans „Der Nachtzirkus“, ist mir unheimlich sympathisch. Nicht, weil ihr Buch zauberhaft ist (obwohl es das ist), sondern weil sie ehrlich ist. Seit 2011 hat Morgenstern nichts mehr veröffentlicht. Sie arbeitet an einem neuen Projekt, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Warum wird die gute Frau nicht fertig, fragt ihr euch? Weil ihr das Schreiben unfassbar schwerfällt, was sie auf ihrem Blog offen bekennt. Genau das ist der Grund, weshalb ihr spontan mein Herz zufliegt. Sie ist kein Naturtalent. Sie muss hart für jedes Wort kämpfen und jeden Satz mühsam erarbeiten. Ich verstehe, dass sie der Schreibprozess folglich häufig frustriert und das letzte, was sie hören oder lesen möchte, Fragen danach sind, wann endlich ihr neues Buch rauskommt. Also, lassen wir Erin Morgenstern doch einfach in Ruhe und erfreuen uns an dem, was wir haben: „Der Nachtzirkus“.

 

Er kündigt sich nicht an. Er kommt auf leisen Sohlen, im Schutz der Nacht. Eines Morgens stehen seine Zelte plötzlich auf einem Feld oder einem freien Platz in deiner Stadt, wie von Geisterhand. Er öffnet erst nach Einbruch der Dunkelheit. Einen Besuch wirst du nie mehr vergessen. Er lehrt dich das Staunen, verzaubert dich mit unbeschreiblichen Wundern: der Cirque des Rêves.
Niemand ahnt, dass der gefeierte Zirkus der Träume hinter den Kulissen der Austragungsort eines magischen Wettstreits ist. Zwischen den fantastischen Zelten einzigartiger Attraktionen tobt der Kampf zweier konkurrierender Zauberer, ein Kampf auf Leben und Tod. Jahrelang bereiteten sie ihre Schützlinge akribisch auf die Anforderungen des Wettbewerbs vor, schulten und testeten sie unabhängig voneinander. Marco und Celia wurde das Geschenk der Magie zuteil. Doch dieses Geschenk fordert einen entsetzlich hohen Preis. Wie hoch dieser Preis tatsächlich ist, erfahren sie erst, als sie sich begegnen und sich unsterblich ineinander verlieben…

 

Ich will mir ein Beispiel an Erin Morgensterns Ehrlichkeit nehmen: die Rezension zu „Der Nachtzirkus“ fällt mir schwer. Ich weiß nicht so richtig, was ich schreiben soll. Diesem Buch ist nichts hinzuzufügen, es gibt meiner Meinung nach keine Rätsel, die analysiert oder entschlüsselt werden müssten. Es steht für sich selbst. Die Geschichte lebt durch sich selbst, nach versteckten Bedeutungen fahndete ich vergeblich. Ich habe das Gefühl, dass Erin Morgenstern nicht versuchte, eine Botschaft zu vermitteln, sondern einfach einen Roman schrieb, der eine wundervolle Hommage an die Fantasie und die Liebe, an alles Zauberhafte, Unerklärliche und Wundersame ist. Sie schrieb ein Buch zum Genießen, ein Buch zum Träumen. Ich denke nicht, dass sie möchte, dass sich ihre Leser_innen den Kopf über Dinge zerbrechen, die gar nicht da sind, auf Teufel komm raus jedes Wort interpretieren und jeden Satz zerpflücken. Ich glaube, dieses Buch muss man einfach so nehmen, wie es ist: märchenhaft und träumerisch. Dieser Intuition folgte ich während der Lektüre und gab mir große Mühe, den Cirque des Rêves wahrhaft zu erleben, mich der geheimnisvollen, mystischen Atmosphäre hinzugeben und jeden Augenblick auszukosten. Der Zirkus ist eine sagenhafte Kulisse und ein unverzichtbarer Baustein im Geflecht der Geschichte. Fast wirkte er auf mich wie ein lebendiges Wesen, mit einer individuellen Persönlichkeit und einem eigenen Charakter. Er verbindet die vielen verschiedenen, liebenswert skurrilen Akteure des Romans, die in ihm alle etwas anderes, aber genau das finden, was sie suchen und brauchen. Er erfüllt die Menschen, Besucher_innen wie Betreiber_innen gleichermaßen. Er inspiriert Liebe und die Bereitschaft, an Wunder zu glauben. Magie schimmert zwischen und in den Zelten, in jeder Ecke und jedem Winkel, da Marco und Celia ihm während ihres unfreiwilligen Wettstreits unbeabsichtigt Leben einhauchen. Ihre Liebesgeschichte ist eine bezaubernde Variation des „Romeo und Julia“ – Motivs, die sich unaufdringlich einschleicht. Obwohl ihre Situation durchaus dramatisch und tragisch ist, verzichtete Erin Morgenstern auf billige, plakative Dramatik und schildert ihren verzweifelten Kampf gegen die Beschränkungen und Regeln des Wettbewerbs, für eine gemeinsame Zukunft, ernsthaft und glaubwürdig. Effekthascherei und Kitsch scheinen ihr völlig fremd zu sein, sodass ich mich von der emotionalen Ebene in „Der Nachtzirkus“ nicht abgestoßen, sondern berührt fühlte. Ich wünschte Marco und Celia, dass sie eine Möglichkeit finden, zusammen zu sein. Trotz dessen muss ich gestehen, dass mir das Buch beinahe zu leise, zu sanft und zart erschien. Es ist so filigran und subtil, dass mir ein wenig der Wow-Moment fehlte. Beim Lesen empfand ich keine Spannung, sondern Faszination. Es reißt nicht mit, es nimmt die Leser_innen behutsam an die Hand. Nun ist das natürlich reine Geschmackssache, doch ich mag es einfach etwas zupackender.

 

„Der Nachtzirkus“ ist fantasievoll und charmant. Der Reiz der Geschichte bündelt sich in dem atemberaubenden Setting, denn der Cirque des Rêves ist Dreh- und Angelpunkt aller inhaltlichen Entwicklungen. Er ist Ursache und Wirkung, Alpha und Omega, Anfang und Ende. Jede Seite des Buches ist von seiner besonderen Magie gezeichnet, weshalb die Lektüre für mich eine einzigartige Erfahrung war, die ich von Herzen weiterempfehlen kann. Obwohl ich normalerweise keine große Vorliebe für Liebesgeschichten habe, ging die anmutige Romantik von Marcos und Celias Beziehung zueinander und ihrer Beziehung zum Zirkus nicht an mir verloren. Ich war verzaubert. Ich wünschte, ich könnte nur eine Nacht lang durch die Gänge und Zelte schlendern, den Alltag vergessen und selbst all die Wunder erleben, die hinter den schwarz-weiß gestreiften Planen darauf warten, entdeckt zu werden. Es ist wahr: einen Besuch im Cirque des Rêves vergisst man nie mehr. Selbst, wenn man ihn nur mental mit Erin Morgensterns Hilfe in „Der Nachtzirkus“ betreten konnte.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2017/06/09/erin-morgenstern-der-nachtzirkus
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review 2017-01-24 16:21
[Kurz-Rezension] Lisa Straubinger - Kindersegen (booksnacks-Kurzgeschichte)
Kindersegen (Kurzgeschichte, Liebe) (booksnacks.de Kurzgeschichten) - Lisa Straubinger
Beschreibung:
Eine Kurzgeschichte über verlorene Träume
Maria und Haralds Leben fällt durch den Verlust ihrer Tochter in sich zusammen. Sie leben sich auseinander, machen irgendwie weiter, treffen falsche Entscheidungen und müssen damit leben. Ein Kind steht zwischen ihnen und verbindet sie doch.
 
Details:
Format: Kindle Edition / E-Pub
Dateigröße: 221 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 19 Seiten
Verlag: booksnacks.de (13. Dezember 2016)
Sprache: Deutsch
 
Fazit:
Das Cover ist schön harmonisch gestaltet, eine Mutter, die ihre Kind hochhebt, davor ein Kinderwagen und das alles in schönes Sonnenlicht getaucht, das wirkt wirklich schön. 
Maria hat nur einen Wunsch im Leben - ein eigenes Kind, doch das scheint für sie immer wieder in ungreifbare Ferne zu rücken. Nach dreizehn Schwangerschaften, die entweder früher endeten oder mit einer Totgeburt ausging, hat nur die 13. Schwangerschaft, eine Tochter überlebt, aber leider starb auch sie am plötzlichen Kindstod und das nimmt Maria alle Kraft, auch die neue Hormonbehandlung gab keinen Erfolg und auch die Aussichten auf Erfolg sind mehr als gering. Ach Harald, Marias Mann, hat die Hoffnung auf Kinder aufgeben, allerdings schon lange vor Maria und er hat sich eine Freundin gesucht, die fast zeitgleich mit Maria ein Kind bekam, aber Harald ist nur genervt von Kinder, aber auch von seiner Freundin und Maria...
Die Geschichte, die Lisa Straubinger hier erzählt, ist keine zum Geniessen, es ist eine emotional aufwühlende Geschichte um die Last, wenn man einfach kein Kind bekommen kann und welche Folgen das haben kann, wenn man einfach den Sinn in seinem Leben nicht finden kann. 
Die Geschichte hat einen sehr realistischen Hintergrund und man hat das Gefühl, dass man Maria helfen will, es aber nicht kann und es scheinbar auch niemand vermag, ihr zu helfen. 
Lisa Straubinger zaubert auf die nicht mal 20 Seiten so viel Gefühl und gibt so viel Stoff zum Nachdenken, dass man den Booksnack nicht so schnell vergessen kann. 

 

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review 2016-11-23 10:45
Wurzeln und Flügel
The Serpent King - Jeff Zentner

Jeff Zentners Weg zur Literatur war – zumindest meiner Meinung nach – etwas unkonventionell. Als er zu schreiben begann, hatte er sich seinen Berufswunsch nämlich bereits erfüllt: er ist Musiker. Als Gitarrist veröffentlichte er fünf Alben und arbeitete unter anderem mit Iggy Pop. Darüber hinaus ist er als Songwriter aktiv. Ich habe in seine Musik reingehört. Ein bisschen zu melancholisch für meinen Geschmack, aber der Einfluss der Südstaaten klingt deutlich heraus. Fakt ist, Jeff Zentner ist gut genug, um von seiner Musik leben zu können. Den Entschluss, ein Buch für Jugendliche zu schreiben, fasste er durch seine Arbeit im Tennessee Teen Rock Camp und im Southern Girls Rock Camp. Ihn fasziniert dieser Lebensabschnitt und ihn fasziniert die Art und Weise, wie Jugendliche Kunst erleben, wie sie an den Kunstwerken festhalten, die sie lieben. Er wollte ein Ziel für diese Hingabe erschaffen. Heraus kam „The Serpent King“.

 

Dill leidet seit Jahren unter seinem vollen Namen: Dillard Wayne Early Jr. Es ist der Name seines Vaters. Er ist der Sohn des Schlangenpriesters, über den sich ganz Forrestville, Tennessee, das Maul zerreißt. Seit sein Vater im Gefängnis sitzt, begleiten Dill die Tuscheleien auf Schritt und Tritt, mehr als je zuvor. Ohne seine Freunde Lydia und Travis wäre sein Leben unerträglich. Doch da nun ihr letztes gemeinsames Schuljahr anbricht und Lydia danach in New York aufs College gehen möchte, muss sich er damit auseinandersetzen, dass ihre kleine verschworene Gemeinschaft ein Ablaufdatum hat. Während Lydia plant, die Welt zu erobern und ihre Zukunft herbeisehnt, weiß er nicht einmal, ob er eine Zukunft hat. Zerrissen zwischen den Verpflichtungen gegenüber seiner Familie und seinen eigenen Wünschen ist er wie paralysiert von der Aussicht auf Veränderung. Dill muss sich entscheiden: wird er dem Druck seiner Wurzeln nachgeben, oder sich Flügel wachsen lassen?

 

„The Serpent King“ ist definitiv ein Buch, das Hingabe auslöst. Ich fand es phänomenal. Es landet unter Garantie auf der Liste meiner Jahreshighlights. Es ist unheimlich gefühlvoll und feinsinnig, ohne kitschig zu wirken; fasst mit einer ruhigen, besonnenen Stimme die schlimmsten und besten Momente der drei Protagonist_innen respektvoll in Worte. Kaum zu glauben, dass Jeff Zentner nie zuvor ein Buch geschrieben hat. Er ist ein Naturtalent, voller Gespür für die Wirkung von Details und für die tiefe Ausschattierung seiner Figuren. Ich bin wirklich beeindruckt. Es gab einige Szenen, während derer ich die Tränen nur mühsam zurückhalten konnte. Ich habe das Gefühl, zutiefst dankbar sein zu müssen, dass Zentner mich Zeuge der vermutlich wichtigsten Phase im Leben seiner Charaktere sein ließ. Natürlich sind Dill, Travis und Lydia fiktiv, aber es fühlt sich eben nicht so an. Es fühlt sich an, als seien sie real und tatsächlich diese kostbaren Rohdiamanten, als die Zentner sie darstellt. All das Potential, all die Möglichkeiten, die jungen Menschen an der Schwelle zum Erwachsenwerden eigen sind, umgeben die drei wie eine permanente Aura. Als könnten sie die Welt aus den Angeln heben und jeden ihrer Träume wahr werden lassen, wenn sie sich denn nur trauen, anzufangen. Ihre Bereitschaft, die Zukunft mit offenen Armen zu empfangen, ist zwischen den dreien der bedeutendste Unterschied. Zentner nutzt abwechselnd geschickt ihre jeweilige Perspektive, um zu verdeutlichen, wie verschieden ihre Einstellung diesbezüglich ist und welche Rolle ihre Wurzeln dabei spielen. Da ist Travis, einer der liebenswertesten Charaktere, die mir je begegnet sind und der nie mehr vom Leben wollte, als die Realität zwischen den Seiten von Fantasy-Romanen hinter sich zu lassen. Lydia, deren Eltern stets liebend und unterstützend hinter ihr standen und die fest daran glaubt, eines Tages die Welt zu verändern. Und Dill, der Künstler, dessen Fähigkeit zu träumen unter dem Gewicht seiner Familie und seines Namens fast erdrückt wird. „The Serpent King“ beschreibt, warum sie einander gerade in dieser Zeit des Wandels brauchen. Ihr Glaube an einander bestärkt sie darin, über sich hinaus zu wachsen. Ihre reine, echte Freundschaft erinnert Lydia daran, was wirklich wichtig ist; sie zeigt Travis, dass er die Macht besitzt, sein Leben in ein Abenteuer zu verwandeln, das seinen geliebten Büchern in nichts nachsteht; sie lehrt Dill, dass er selbst entscheiden kann, wer er sein möchte und nicht von seiner Herkunft bestimmt wird. Es hat mich zutiefst berührt, ihre Beziehung zu einander erleben zu dürfen, ihre Ängste, Wünsche und Hoffnungen kennenzulernen, Schmerz und Glück mit ihnen zu teilen. Die Lektüre war extrem intensiv. „The Serpent King“ ging mir unter die Haut.

 

Jeff Zentner verdiente sich meinen Respekt und meine Anerkennung. „The Serpent King“ ist ein wundervolles Buch, das nicht erkennen lässt, dass es sich um einen Debütroman handelt. Es ist emotional überzeugend und so realistisch, dass ich mich immer wieder daran erinnern musste, dass die Geschichte fiktiv ist. Ich bin hingerissen von Zentners schriftstellerischem Talent und seiner Fähigkeit, sich sensibel in die Erlebenswelt Jugendlicher hineinzuversetzen. Er schreibt hingebungsvoll und zärtlich, nutzt Umgebungsbeschreibungen, um wichtige Momente zu unterstreichen und lässt seine Figuren sich selbst entdecken, ohne irgendetwas zu erzwingen. Er verzichtet auf einen Höhepunkt, weil seine Geschichte keinen braucht. Er ist ein brillanter Autor und „The Serpent King“ das Zeugnis seiner Brillanz. Meiner Meinung nach ist es ein gleichermaßen bescheidenes wie ambitioniertes Buch, weil es das Leben schildert: es handelt von Familie, von Freundschaft, von Liebe, von Schmerz, von Hoffnung, von Glück. Es handelt von Wurzeln und Flügeln.

 

Vielen Dank an den Verlag Andersen Digital für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars via Netgalley im Austausch für eine ehrliche Rezension!

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review 2016-01-15 09:58
Märchenhaft
Heaven - Stadt der Feen - Christoph Marzi

Christoph Marzi. *seufz* Meine Beziehung zu diesem Autor ist kompliziert. Als Teenager habe ich seine vierteilige Reihe „Die Uralte Metropole“ gelesen und von Herzen geliebt. So sehr, dass ich sie sogar mehrfach gelesen habe. Bis heute gehören die Romane zu meinen All-Time-Favorites. Leider konnte Marzi danach meiner Meinung weder mit dem Zweiteiler „Fabula“ noch mit dem Einzelband „Grimm“ an seine eigene Brillanz anknüpfen. Dreimal hat er mich nach „Die Uralte Metropole“ enttäuscht. Trotz dessen kann ich nicht aufhören, ihm immer wieder eine Chance zu geben, weil ich weiß, was er kann. Ich weiß, wie viel Talent und sprachliche Schönheit in ihm schlummern. „Heaven: Stadt der Feen“ ist ein weiterer Versuch, in seinem Schaffen abermals das zu finden, was er mir vor Jahren mit „Lycidas“ und dessen Nachfolgern geboten hat.

 

Auf den Dächern Londons fühlt David sich frei. Hier oben kann er der erdrückenden Enge der Stadt entfliehen, ohne Mauern, Wände und Grenzen. David kann gehen, wohin auch immer er möchte. Eines Abends ist er wieder einmal unterwegs, um einen Auslieferungsauftrag zu erfüllen, als er plötzlich stolpert und beinahe vom Dach rutscht. David sieht sich um und stellt fest, dass ihn nicht etwas zu Fall brachte, sondern jemand. Ein Mädchen. Sie scheint Hilfe zu brauchen, also gibt sich David einen Ruck und spricht sie an. Sie sagt, ihr Name sei Heaven. Sie erzählt ihm eine ungeheuerliche, haarsträubende Geschichte: zwei unheimliche Männer haben ihr Herz gestohlen. Wortwörtlich. Und doch ist Heaven am Leben, spricht und atmet. Wie ist das möglich? David ist nicht sicher, ob er ihr glaubt, aber irgendetwas an ihr fasziniert ihn und so beschließt er, ihr beizustehen. Gemeinsam begeben sie sich auf die gefährliche Suche nach Heavens Herz und enträtseln dabei ein Mysterium, das London seit vielen Jahren umgibt.

 

„Heaven“ gibt mir für Christoph Marzi als Autor wieder Hoffnung. Es ist lange nicht so zauberhaft, detailreich und überzeugend wie „Die Uralte Metropole“, aber um einiges besser als „Fabula“ und „Grimm“. Vielleicht ist es nicht fair, das Buch nicht eigenständig zu bewerten, doch ich glaube, ein Schriftsteller muss es sich nun einmal gefallen lassen, dass man ihn an seinen vorangegangenen Werken misst. Ich habe den Eindruck, dass Marzi sich für diesen Einzelband auf seine Wurzeln besann. Die Handlung ist bodenständig, verzichtet auf Schlenker in andere, parallele Realitäten und konzentriert sich auf das Wesentliche. Ich bin erleichtert, dass dieser Roman so bescheiden geraten ist, denn auf diese Weise beweist Marzi, dass er noch immer eine glaubhafte, runde Geschichte schreiben kann. Über die Jagd nach Heavens Herz führt er seine beiden ProtagonistInnen durch die faszinierende Kulisse Londons und ließ vor meinen Augen ganz ähnliche Bilder entstehen wie damals vor vielen Jahren bei der Lektüre von „Die Uralte Metropole“. Ich kann seine Leidenschaft für diese alte Lady, für den charaktervollen Gegensatz von Geschichte und Moderne, absolut nachvollziehen. Diese Stadt umgibt von Natur aus ein Hauch Magie, den Marzi dank seines märchenhaften Schreibstils nicht nur in eine überzeugende, geheimnisvolle Atmosphäre verwandelt, sondern auch für sich arbeiten lässt. London selbst treibt Heavens und Davids Geschichte bereits voran, sodass sie sich ganz von allein entwickelt. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass Marzi jemals die Kontrolle verloren hätte – nein, er wusste, was er tat. Ich hätte mir allerdings etwas mehr Umfang gewünscht. „Heaven“ beschränkt sich fast ausschließlich auf Heaven und David und nimmt keine größeren Dimensionen ein, obwohl die Möglichkeit dazu meiner Ansicht nach durchaus präsent war. Es war, als würde die große Geschichte, die „Heaven“ hätte werden können, stets hinter der Handlung darauf warten, eingefangen zu werden. Ich kann natürlich nur vermuten, warum Marzi sie nicht lebendig werden ließ, doch ehrlich gesagt ist es mir so lieber, als hätte sich der Autor ein weiteres Mal verzettelt. Außerdem sind Heaven und David wirklich sympathisch, sodass ich sie gern begleitet habe. David hat genau das Feuer, das ich in der Figur des Oliver Twist von Charles Dickens vermisst habe. Ein wenig draufgängerisch, mutig und ein Herz aus Gold – eine Kombination, die man einfach mögen muss. Heaven ist nicht minder tapfer, aber sie besitzt ein zarteres, sanfteres Wesen als David. Ich empfand sie als introvertierte Persönlichkeit, die sowohl ihre innere wie auch ihre äußere Schönheit durch ihre Scheu verbirgt. Sie vereint Stärke und Zerbrechlichkeit, wodurch ihre Figur außerordentlich gut zum übernatürlichen Thema des Buches passt: Feen. Christoph Marzi hat sich ein ganz wundervolles, originelles Konzept dieser fantastischen Geschöpfe überlegt; anders als alles, was ich bisher über Feen gelesen habe. Ich fand seine Idee wahnsinnig interessant – schade, dass er nur kurz darauf eingeht.

 

„Heaven: Stadt der Feen“ ist ein märchenhafter Einzelband, mit dem Christoph Marzi meiner Meinung nach langsam wieder zu seiner alten Form zurückfindet. Nach den letzten drei Enttäuschungen freut es mich sehr, dass „Heaven“ mich überzeugen konnte, rund und ausgeglichen ist und tolle Ideen zusammenhängend verarbeitet. Ich finde, es passt hervorragend in die Weihnachts- und Winterzeit, weil es diese besondere Magie transportiert, die ich mit dieser Saison assoziiere. Dabei wirken die übernatürlichen Elemente angenehm dezent und sind nicht zu dominant integriert. Ich bin gespannt, ob das auf „Memory: Stadt der Träume“ auch zutreffen wird, obwohl es keine Fortsetzung ist.
Wenn ihr Lust auf ein modernes, zauberhaft geschriebenes Märchen habt, ist „Heaven“ genau die richtige Wahl. In London, dieser Stadt der Mythen und Geheimnisse, sind Feen lebendig und Mädchen ohne Herz können die Liebe finden.

Source: wortmagieblog.wordpress.com/2016/01/15/christoph-marzi-heaven-stadt-der-feen
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