Für mich ist es nicht nachvollziehbar, warum die Reihe Lorien Legacies von Pittacus Lore nach dem ersten Band „I am Number Four“ bisher nicht weiter verfilmt wurde. Der Film kam 2011 in die Kinos; noch im gleichen Jahr wurde laut Drehbuchautorin Marti Noxon entschieden, dass die Fortsetzung vorerst zurückgestellt werde. Zwar erhielt der Film äußerst gespaltene Kritiken, doch das Einspielergebnis von rund 146 Millionen Dollar bei einem Budget von 60 Millionen Dollar (beide Angaben stammen von Wikipedia) kann sich meiner Meinung nach durchaus sehen lassen. Anscheinend sehen die Produktionsfirmen das ein bisschen anders. 2013 behauptete Regisseur D.J. Caruso, es werde über eine Fortsetzung gesprochen, weil das Publikum sich diese wünsche. Das ist zwei Jahre her und noch immer ist nichts passiert. Ich persönlich habe mich damit abgefunden, dass wohl nicht weiter verfilmt wird und habe zum Buch gegriffen.
Noch immer sind die Mitglieder der Garde über die ganze Welt verteilt. Zwar konnte Six John gegen die Mogadorians beistehen, doch wenn sie die Mogs ein für alle Mal besiegen wollen, müssen sie die anderen vier Lorianer ausfindig machen. Eine heiße Spur deutet nach Spanien. Dort lebt Nummer Sieben unter dem Namen Marina mit ihrer Cêpan Adelina seit vielen Jahren in dem kleinen Kloster Santa Teresa. In dieser Zeit scheint Adelina vergessen zu haben, dass sie keine Menschen sind. Sie weigert sich, Marina zu unterrichten und auszubilden. Marina muss ihre erwachenden Kräfte allein erforschen. Sie plant bereits heimlich, fortzugehen, als plötzlich die Hölle in Santa Teresa losbricht. Nach all den Jahren haben die Mogs sie gefunden. Können Six und John Marina rechtzeitig erreichen, um sie vor dem Schlimmsten zu bewahren?
Neue Infos! Ich weiß, wie die Geschichte weitergeht! Vier Jahre habe ich darüber nachgegrübelt und endlich habe ich Antworten bekommen! Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie unglaublich gespannt ich war, als ich das Buch zur Hand nahm. Da ich direkt davor „I am Number Four“ gelesen habe, wusste ich bereits, dass ich meine Erwartungen hinsichtlich des Tempos der Geschichte etwas herunter schrauben musste. Für mich hat das gut funktioniert. „The Power of Six“ ist keine anspruchsvolle Literatur; es ist leichte Unterhaltung, die mich emotional abholte und mitriss. Die Konstruktion der Handlung ist garantiert verbesserungswürdig, ich konnte mich jedoch durchaus mit den Charakteren identifizieren und mit ihnen mitfiebern. Während „I am Number Four“ ausschließlich aus Johns Sicht erzählt wurde, kam nun in „The Power of Six“ eine weitere Perspektive hinzu: Marinas. Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut, sie kennenzulernen. Endlich ein weiteres Mitglied der Garde! Marina hat meiner Meinung nach einen speziellen Charme, da sie völlig anders aufgewachsen ist als John und Six. Ihre Persönlichkeit ist sanfter, weniger aggressiv, aber auch konfliktscheuer, was sicher mit der schwierigen Beziehung zu ihrer Cêpan Adelina und den strengen Regeln im Kloster zu tun hat. Sie ist ein wirklich liebes Mädchen, deren Kräfte zu ihrem Wesen passen. Pittacus Lore hat es mir sehr leicht gemacht, sie zu mögen und mit ihr mitzufühlen, weswegen ich mich unheimlich über Adelina geärgert habe. Ich konnte einfach nicht fassen, dass sie Marina so im Stich lässt.
Geärgert habe ich mich auch über Sarah. In „The Power of Six“ ist sie lange nicht so präsent wie in „I am Number Four“, was für mich völlig in Ordnung gewesen wäre, hätte sie nicht während ihres kurzen Auftritts einen ziemlichen Bock geschossen. In dieser Situation wurde mir klar, wie wenig Verständnis sie eigentlich für John und seine Lage hat. Sie hat nicht begriffen, dass er kein Mensch ist und Verpflichtungen hat, die ihrer Beziehung langfristig einiges abverlangen werden. Zu ihrer Verteidigung muss ich allerdings erwähnen, dass John letzteres ebenfalls entweder nicht versteht oder gekonnt ignoriert. John erschien mir in diesem zweiten Band insgesamt weniger sympathisch als im Vorgänger. Er ist stur, egoistisch, verhält sich häufig unüberlegt und verlässt sich stark auf Six. Ich empfand ihn nicht gerade als Teamplayer. Außerdem macht er gegen Ende des Buches einen wirklich kolossalen, vermeidbaren Fehler, der nicht nur Konsequenzen für ihn, sondern auch für seinen besten Freund Sam hat. Marina hat die Geschichte daher für mich mehr getragen als John. Ich hoffe, dass er sich im nächsten Band zusammen reißt, sich auf seine Prioritäten besinnt und alles dafür tut, seinen Fehler wieder auszubügeln. Andernfalls muss ich meine Meinung von ihm vielleicht überdenken.
Zusammengefasst fand ich „The Power of Six“ durchaus spannend und packend, mit der Handlung hatte dies jedoch erstaunlich wenig zu tun, da Pittacus Lore seine Geschichte weniger konsequent voran treibt, als möglich wäre. Es sind die Figuren, die eine emotionale Resonanz in mir erzeugen. Ich gebe zu, dass die Dramatik der Reihe bisher ein wenig plump und sehr actionlastig ist, aber nichtsdestotrotz macht mir das Lesen Spaß. Letztendlich ist dieses hohe Actionlevel auch der Grund, warum ich überzeugt bin, dass eine Verfilmung von „The Power of Six“ lohnenswert wäre.
Wenn ihr wissen wollt, wie die Geschichte nach „I am Number Four“ weitergeht, kommt ihr um „The Power of Six“ nicht herum. Ihr solltet euch allerdings darauf einstellen, dass diese Fortsetzung keinerlei schriftstellerische Brillanz aufweist, weder in der Konstruktion, noch im Schreibstil. Sie ist wirklich pure Unterhaltung, das literarische Äquivalent eines Actionfilms. Aber manchmal will man eben auch den Actionfilm sehen, nicht wahr?