Ich bin ja ein veritabler Fan des Onkel Franz aus dem Innviertel und habe schon seine wundervolle Reise nach Wien begeistert hier auf dem Blog rezensiert. In seinem neuen Roman, der keine zusammenhängende Geschichte erzählt, sondern viel anekdotischer konzipiert ist, begibt sich der Protagonist wieder auf die Reise, aber auf eine sehr vergnügliche Reise in Episoden quer durch das Kalenderjahr.
Der Roman startet mit einem lustigen Gschichtl am Neujahrstag, den 1.1., und endet zu Silvester am 31.12. Mit witzigen und teilweise grotesken Ereignissen aus dem Innviertel und aus dem benachbarten Bayern, das den Innviertlern von der Kultur her sehr ähnlich ist – von einigen Ortschaften und Städten des Innviertels geht man nur ein paar Meter über den Fluss ins Nachbarland – wird ein ganzes Jahr beleuchtet und satirisch sehr gut aufbereitet.
Aber warum bin ich denn überhaupt Fan von so einer Figur? Klaus Ranzenberger hat den Onkel Franz sehr gut konzipiert. Der Onkel ist zwar ein Bewahrer, der auf Gutem aus der Vergangenheit zu beharren und manche modernen Sitten ob ihrer Sinnhaftigkeit infrage zu stellen weiß. Er ist aber kein Kulturpessimist, der meint, früher wäre alles besser gewesen, im Gegenteil, manche der ganz modernen Sitten (eigentlich ganz alte Sitten, die wieder von der Jugend reaktiviert werden), wie Umweltschutz, Kapitalismuskritik und Kampf gegen Xenophobie, weiß er durchaus zu schätzen, wenn er sich mit dem Neuen und Fremden auf der Basis seiner Neugier intensiver auseinandergesetzt hat. Er nimmt alle ländlichen Ressentiments seiner Herkunft – des kleinen Dorfes – auf, überprüft sie, bewertet sie aus der Sicht seiner Lebenserfahrung und prinzipiellen Menschenfreundlichkeit und entzieht ihnen dann einfach den Boden. Ebenso verfährt er in diesem Buch mit dem Brauchtum und stellt es augenzwinkernd infrage. Das gefällt mir sehr gut.
Die Geschichten sind meist so köstlich, dass ich kichernd im Lesesessel gesessen bin. Die perfekte Lektüre für solch schwere Zeiten, in denen uns Sorgen plagen. Am ersten Jänner treffen sich uneingeladen zufällig die Neujahrsbläser, die Heiligen Drei Könige, die infolge von Rationalisierungsmaßnahmen in diesem Jahr früher dran sind, um ihr Pensum zu schaffen, der Postbote und die Zeugen Jehovas in Onkel Franzens Vorbau und stören ihn bei der Aufnahme seiner Nachmittagsjause. Nach einem recht witzigen Geplänkel, das in einem veritablen Besäufnis und Essgelage endet, bei dem der Onkel auch noch den Kellner spielen muss – so ist es auf dem Land Brauch –, büchst der Hausherr irgendwann genervt ob der unerwünschten Horde zur Hintertür hinaus. So geht es fröhlich weiter über Fasten, Osterbräuche und witzige -kalamitäten, Hochzeiten im Mai und so weiter.
Sehr lustig war auch die Geschichte vom Ferdl, der im August am Stammtisch wie immer mit der Waffe Bildung nicht ganz umzugehen weiß und seine Urlaubserlebnisse schildert.
Geschickt versteht er Fremdwörter und Fachbegriffe in seine Rede einzubauen. Rudimentäre Fremdsprachenkenntnisse und gymnasiale Unterstufenbildung weiß er anzuwenden, und nur selten stolpert einer der anderen über die kleinen Fehler, die dem Ferdl ab und an unterlaufen.
In diesem Zitat sind die Wörter selten und ab und an so satirisch zu nehmen, dass ich irgendwann in der Geschichte einen totalen Drehwurm bezüglich der falsch applizierten Wörter bekam. Es war hinreißend komisch. Der ziemlich ausführliche Wahnwitz, den ich hier als Zitat aus dem Kapitel [sic!] präsentiere, ist wirklich nur ein Bruchteil des gesamten Abschnitts.
Und Italienisch is ja eh fast’s Gleiche wie Latein, caprice? Hab mir also eine Birra bestellt, aber grande und caldo. Da dürft er mich aber nur halbert verstanden haben, der Papageno, weil groß wars dann schon, das Bier aber halt warm. […]
Was jetzt die Unterschiede sind zum Beispiel zwischen Italien und Österreich. […] die Radlwege. Bei uns san in jeder Querstraß‘ so blöde Stufen, die in Italien sind niveaulos. Da geht’s schön eben dahin. Wogegen die Regierung bei uns meist aus einer Zweier-Kollision besteht, in Italien können’s schon mal vier oder fünfe sein. Da sitzen dann oft die Radikalen drin, solche wie bei uns die Sanitären. Dafür sind fast alle Italiener Katholen. Weil auch der Papst dort wohnt. Kaum Evangelisten. Aber a prioli ist dieses Italien – und das muss man least but not last rekatapultierend sagen – trotzdem ein sehr schönes Land. Diese Lebensart und die südliche Leichtigkeit, dieses Dolce Firmamente, geht uns halt ab, gell?
Ich habe übrigens mal in St. Gilgen einen Restaurantchef getroffen, der diese Form der Konversation, inflationär die falschen Fremdwörter zu verwenden, zur Kunstform erhoben hat, indem die Sätze dann auch tatsächlich andere Bedeutungen hatten. Das war ein höchst anstrengender und lustiger Abend.
Aber zurück zum Jahresablauf. Im Herbst besucht Onkel Franzens Stammtisch dann das Münchner Oktoberfest und erlebt einige Abenteuer. Die aberwitzigste, groteskeste Episode ist die moderne Nikolausfeier der Kindergarten-Zwergerlgruppe römisch eins aus Haubenbrunn, in der der Großbauernsohn Klenkenbichler Schorschi, die sehr progressiv erzogene Dakota Cheyenne und Kemal mit Migrationshintergrund die Tante, (Halt! das sagt man nicht mehr) die diplomierte Kleinkindpädagogin und die Praktikantin, die den Nikolaus verkörpert, an den Rand des Wahnsinns bringen. Die neuesten Richtlinien betreffs pädagogischer Unterweisung von Vorschulkindern, zwar das Brauchtum zu vermitteln, aber weitgehend auf christliche Symbole zu verzichten und angstfrei zu unterrichten, geht so gehörig nach hinten los. Kemal versucht das den Zwergerln dargebotene Narrativ zu überprüfen, dass der präsentierte Nikolaus ein Bischof aus Konstantinopel sei, indem er die Figur in ein türkisches Gespräch verwickelt, Dakota checkt durch hochheben des Mantels unverblümt das Geschlecht des Nikolaus und bekommt heraus, dass unter der Verkleidung eine Frau steckt und der Schorschi will das Laserschwert, das ihm sein Vater versprochen hat.
Er (Schorschi) fasst den Sack am unteren Ende und leert ihn ganz aus. Die Situation eskaliert. Sämtliche Kinder der Zwergerl Gruppe römisch eins stürzen sich auf die verstreuten Gaben, es hat ein bisserl was von Anarchie. Die Dakota Cheyenne sucht das ihr versprochene rosa Handy, und der Kemal, der sich inzwischen seine Jausen-Tascherl geholt hat, macht reiche Beute. Schorschi hat sich des Bischofstabes bemächtigt und spielt damit Jedi-Ritter.
So geht es vergnüglich im Jahresablauf weiter von der „stillen“ Adventszeit über Weihnachten bis zu Silvester.
Fazit: Anspruchsvoller, köstlicher, augenzwinkernder Humor, der das Leben der Landbevölkerung skizziert. Absolute Leseempfehlung in so ernsten Zeiten. Wer den Witz und Lokalkolorit von bayrischen Landkrimis der Kommissare Jennerwein (Jörg Maurer) und Franz Eberhofer (Rita Falk) liebt, ist hier punktgenau im richtigen Buch.